6. März 2014, 17:51 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Der Film von Doris Dörrie spielt in einem All-inclusive-Hotel in dem spanischen Ferienort Torremolinos. Im Interview mit TRAVELBOOK erklärt die Regisseurin, was sie am All-inc-Konzept schätzt. Außerdem: Wie es war, bei laufendem Hotelbetrieb einen Film zu drehen, was Sie am Reisen besonders mag – und warum sie in Japan ein ganz anderer Mensch ist als in Spanien.
TRAVELBOOK: Frau Dörrie, wie sind Sie denn im All-inclusive-Hotel gelandet?
Doris Dörrie: Vor zehn Jahren noch hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich mal so ein richtiger All-inc-Urlauber werden würde (lacht). Sonst bin ich ja eher das, was man einen Individualtouristen nennt: Ich reise alleine, mit Rucksack oder Köfferchen, aber nie organisiert. Aber seit über zehn Jahren mache ich einmal im Jahr eine Exkursion mit meinen Studenten von der Filmhochschule München – und dann fahren wir in ein All-inc-Hotel, weil wir uns das leisten können und alles andere nicht.
Sie müssen Gefallen gefunden haben daran– schließlich haben Sie jetzt einen ganzen Film in einem All-inc-Hotel gedreht…
Zugegeben, am Anfang fand ich diese Hotels sehr gewöhnungsbedürftig. Allein schon, weil es dort natürlich immer ziemlich laut ist und ich schlecht schlafe. Aber ich habe dann sehr schnell herausgefunden, dass in diesem All Inc ein ganzer Kosmos zu entdecken ist. Man muss sich nur die Menschen, die dort Urlaub machen, etwas genauer anschauen und mit ihnen ins Gespräch kommen. Und dann erkennt man, dass diese Hotels wirklich ein Paradies sein können.
Was macht diese Hotels zum Paradies?
Die Befreiung von den Problemen des Alltags. Nehmen wir zum Beispiel eine Familie mit vielen Kindern und wenig Einkommen. Die Eltern entlastet es unheimlich, dass alle bei den Mahlzeiten so viel essen können, wie viel sie wollen, und keiner nachrechnen muss, ob etwa die Cola, die einer der Kinder plötzlich will, noch im Budget drin ist. Oder nehmen wir eine Reisegruppe von sehr alten Damen, die vielleicht das letzte Mal zusammen wegfahren, und es einfach nur genießen, bedient zu werden von morgens bis abends.
Viele verbinden mit All Inclusive aber nicht das Paradies, sondern eher die Hölle – mit Daueranimation und Freibier rund um die Uhr.
Natürlich kann man sehr dünkelhaft die Nase rümpfen darüber. Aber wenn man sich so viel in All-inc-Hotels herumtreibt wie ich, lernt man eine gewisse Demut. Ich finde es inzwischen sehr unfair und auch schnöde, wenn man sich über All-inclusive mokiert. Diese Sehnsucht, mindestens ein oder zwei Wochen im Jahr frei zu sein von dem eigenen Portmonee und dem Nachdenken darüber, wie man denn eigentlich so zurechtkommt im Leben, finde ich nur allzu verständlich.
Kritisiert wird oft auch die Architektur dieser Bettenburgen an den Küsten…
Ja. Dass das Ganze architektonisch eine Katastrophe ist, weil natürlich sehr billig gebaut wurde und viele Dinge in der Vergangenheit tatsächlich zu einer Verschandelung der Küste geführt haben, das ist alles richtig. Aber man darf nicht vergessen, dass es nicht die Spanier allein waren. Auch wir deutschen Urlauber, die ja alles auch schön billig haben wollten, sind mit Schuld an diesen Bausünden.
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In Ihrem Film sagt Nadja Uhl alias Apple: „Die Gegenwart ist nur gut, wenn sie auch eine Zukunft hat.” Haben diese Ferienorte wie Torremolinos, wo Sie den Film gedreht haben, eine Zukunft?
Das ist eine schwierige Frage. Da steht so viel Beton herum – wie man den wieder los wird? Keine Ahnung. Man müsste versuchen, das Ganze wieder humaner zu gestalten, ansprechender, ökologischer, einen Weg der Koexistenz mit der Natur finden. Aber ich bin relativ optimistisch, dass wir da eine Lösung finden werden. Schließlich haben doch alle begriffen, dass es so, wie es ist, nicht bleiben kann.
Ihren Film „Alles inklusive” haben Sie tatsächlich in einem All-inc-Hotel in Spanien gedreht. Mussten Sie auch alle das obligatorische Bändchen tragen?
Aber natürlich.
Gedreht wurde direkt bei laufendem Betrieb. Hatten Sie da überhaupt die nötige Ruhe?
Ja. Manchmal mussten wir warten, bis die Aquagymnastik fertig war, bevor wir loslegen konnten (lacht), aber sonst gab es so gut wie keine Probleme. Da wir in der Vorsaison drehten, waren auch so gut wie keine deutschen Touristen im Hotel. Und den polnischen, finnischen und britischen Urlaubern war es ziemlich egal, als vor ihren Augen eine Hannelore Elsner oder ein Axel Prahl im Pool planschten.
In Ihren Filmen wird generell viel gereist, schon zweimal ging es nach Spanien („Bin ich schön?“, „Alles inclusive“), zweimal nach Japan („Erleuchtung garantiert“, „Kirschblüten Hanami“). Sind das auch privat Ihre Lieblingsländer?
Ja, das hat mit privaten Leidenschaften zu tun. Spanien, weil ich Spanisch gern mag und mich in dem Land sehr wohl fühle, es ist mir vertraut. Und für Japan habe ich seit über 30 Jahren diese seltsame Faszination an dem ganz, ganz Fremden. Am Reisen mag ich auch, wie man sich selbst verändert, wenn man woanders ist. Ich bin jemand anders, wenn ich Spanisch spreche. Und ich bin jemand anders, wenn ich in Japan bin.
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Wie sind Sie in Japan?
Keine Ahnung. Aber ich glaube, ich bin höflicher (lacht). Vorsichtiger.
Und in Spanien?
Da bin ich lauter. Und rede über andere Dinge als in Deutschland. Das Wetter, das Essen – Themen, die für uns eher nebensächlich, aber für die Spanier sehr wichtig sind.
80 Prozent Ihrer Ideen und Stoffe schöpfen Sie aus Beobachtungen – im Alltag, in Cafés, in Wartezimmern von Ärzten. Ist das Beobachten auf Reisen da nicht mitunter verwirrend? Schließlich versteht man vieles nicht, kennt den Kontext nicht.
Man bekommt natürlich einen schärferen Blick, wenn die Dinge nicht vertraut sind. Da fällt einem auch manches auf, was man im vertrauten Umfeld nicht wahrnehmen würde. Das versuche ich auch mit meinen Studenten zu trainieren. In der Heimat besteht der eigentliche Trick dann darin, das Vertraute als fremd wahrzunehmen.
Wann sind Sie wieder in einem All-inclusive-Hotel?
In diesem Jahr noch, mit meinen Studenten. Und wahrscheinlich wird es sogar wieder Spanien.