13. April 2023, 10:09 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Bei Schlaf-Tourismus geht es in erster Linie darum, das nachzuholen, was im Alltag oft zu kurz kommt oder im schlimmsten Fall ganz ausbleibt: den Schlaf. Dafür fahren Schlaftouristen in den Urlaub. Denn anders als bei gewöhnlichen Touristen ist ihr Ziel nicht, spannende Dinge zu sehen oder neue Kulturen kennenzulernen. Nein, sie fahren gezielt an einen Ort, um dort zu schlafen und bleiben also tendenziell im Bett. Trotzdem sind die diversen Angebote für Schlaftouristen häufig an sehr spannenden und sehenswerten Orten zu finden. Paradox? Was es mit dem sogenannten „Schlaf-Tourismus“ auf sich hat.
Den Begriff des Schlaf-Tourismus prägte vor allem der US-TV-Sender CNN, in der englischen Version sleep tourism, mit einem Beitrag zu eben jenem Reisetrend. Demnach sehnten sich immer mehr Menschen nach Urlaub, bei dem sie mal richtig (aus-)schlafen können. Gerade seit der Pandemie sei der Schlaf-Tourismus als Reisetrend durch die Decke geschossen, heißt es. Aber wieso diese Sehnsucht nach Schlaf-Urlaub?
Schaut man sich die Zahlen der Schlafgewohnheiten der Deutschen an, wird eins deutlich: Die empfohlenen 7,5 Stunden, die wir laut Schlafforschern schlafen sollen (je nach Alter auch mehr), schafften laut einer Umfrage von Statista im Jahr 2021 gerade einmal 49 Prozent. Während sieben Prozent der Deutschen mehr schliefen, kamen 44 Prozent auf maximal sechs Stunden Schlaf pro Nacht. 23 Prozent gaben an, unter Schlafstörungen zu leiden. Weltweit sieht es nicht besser aus. Gründe sind oftmals der schnelllebige Alltag, hohe Anforderungen von Job und Familie sowie soziale Verpflichtungen, die mitunter im Freizeitstress münden. Kommen dann noch alltägliche Sorgen hinzu oder – wie während der Pandemie – Ängste und Isolationsgefühle, ist der Schlaf dahin. Statt im Traumland verbringt man die Zeit dann mit Grübeln. Der Wunsch nach Schlaf im Urlaub ist also verständlich.
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Was Schlaf-Hotels weltweit anbieten
Die Reisebranche reagiert darauf mit teils hochpreisigen Angeboten, die auf besseres Schlafen ausgerichtet sind. Statt eines Überangebotes an Aktivitäten und zu besichtigenden Sehenswürdigkeiten, dreht sich der Schlaf-Urlaub um Entschleunigung, Ruhe und Entspannung. Das Zentrum dieser Reise ist nicht die Außenwelt, sondern das Bett.
Die Konzepte reichen von einfach bis ausgeklügelt. So gibt es etwa im New Yorker Benjamin Hotel ein, von einer Schlafexpertin entwickeltes, „Rest & Renew Program“. Darin enthalten sind schlaffördernde Meditationen via App, eine spezielle Kissenauswahl, ein auf die Schlafbedürfnisse ausgerichtetes Menü, Schlafhelfer von Maske über Ohrstöpsel bis hin zu Vorhängen und ein allzeit verfügbares Schlaf-Team. Ebenfalls in New York hat das Park Hyatt Hotel eine Suite mit einem Bett eingerichtet, das sich optimal an die Bedürfnisse des Schläfers anpassen soll. In Londons Zedwell Hotel setzt man mit Minimalismus und Schalldämmung auf guten Schlaf. Und im nicht weit entfernten The Catogan hilft der sogenannte „Sleep Concierge“ den Londoner Hotelgästen mit schlaffördernden App-Meditationen, Kissen und Gewichtsdecken sowie Einschlaftees bei der Nachtruhe.
Die Luxushotelkette Rosewood Hotels and Resorts bietet Schlaf-Retreats mit Meditationen und auf guten Schlaf ausgerichteten Körperübungen in Paris, auf St. Barth und den Britischen Jungerferninseln sowie in Mexiko und China an. Auch in Südostasien setzt so manches Resort auf besseren Schlaf. So bietet beispielsweise das Absolute Sanctuary in Thailand fünf- bis siebentägige Schlafprogramme mit Einschlafmassagen, Yoga und Reiki an. Und wer nicht ganz so weit fahren möchte, findet auch Schlaf-Retreats in Deutschland. Auf einen therapeutischen Ansatz zur Behandlung von Schlafstörungen im fünftägigen Retreat setzt zum Beispiel die Akademie und Gesundheitszentrum Frauenchiemsee.
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Macht es Sinn, zum Schlafen wegzufahren?
Jein. Erst einmal klingt es komisch, bloß zum Schlafen zu verreisen, vor allem wenn man in Weltstädte wie New York oder London fährt, die viel Entertainment bieten. Hinzu kommt natürlich die Frage mit Blick auf die Klimakrise, ob man wirklich so weit reisen und oftmals auch fliegen muss, nur um zu schlafen – oder geht das nicht auch näher am eigenen Zuhause? Oder direkt im eigenen Bett? Doch genau hier liegt das Problem: Gerade zu Hause lauern die Themen, die einen mitunter vom Schlafen abhalten, seien es drängende Erledigungen, Stress im Job oder in der Familie. Da kann abschalten und gut schlafen schon mal langem nächtlichem Grübeln weichen. Sind das die Schlaf-Schwierigkeiten, kann Wegfahren und sich eine Auszeit vom Alltagsstress in einer auf Schlaf ausgelegten Umgebung zu gönnen, bereits beim besseren Schlafen helfen.
Die Schlafforscherin und Co-Autorin des Buchs „Sleep for Success“, Dr. Rebecca Robins, erklärte gegenüber CNN, dass Reiseerlebnisse, deren Fokus auf „gesunden Schlafstrategien“ liegt und bei denen den Gästen Werkzeuge zur Verbesserung ihres Schlafs an die Hand gegeben würden, von großem Nutzen sein könnten. Die Voraussetzung sei die Beteiligung eines seriösen medizinischen oder wissenschaftlichen Experten. „Wenn jemand zu einem dieser Retreats kommt und keine Fortschritte sieht, könnte das an einer unbehandelten Schlafstörung liegen“, sagt Robins. Sie verweist auf Erkrankungen wie Schlafapnoe, das Ruhelose-Beine-Syndrom oder Insomnie. Deshalb sei es „von entscheidender Bedeutung sicherzustellen, dass die Hotels mit Wissenschaftlern und Medizinern zusammenarbeiten, die diese Strategien sorgfältig vermitteln“. Außerdem könnten diese feststellen, ob ein anderes Problem die Ursache der Schlafstörungen sei.
Gleichzeitig kann man Schlaf nicht nachholen, wie etwa die Stiftung Gesundheitswissen schreibt. Eine Woche Schlaf-Urlaub gleicht ein alltägliches Schlaf-Defizit entsprechend nicht aus. Mitunter kann man jedoch selbst am gesunden Schlaf arbeiten. Etwa indem man das eigene Umfeld schlaffördernder gestaltet oder neue Einschlaf-Rituale schafft. Wer ernste Schlafprobleme hat, sollte sich jedoch unbedingt professionelle Unterstützung suchen.