15. September 2019, 8:31 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wenn das Leben in einer Großstadt doch irgendwie erdrückend sein kann, warum dann nicht mal in ein Tiny House ziehen? Das dachte sich zumindest TRAVELBOOK-Redakteurin Odett Schumann. Sie interessiert sich schon seit langem sehr für die Bewegung und tauschte kurzerhand ihr Berliner Leben für ein paar Tage gegen einen winzigen Raum ein – Überraschungen inklusive!
Ich strecke meinen Arm aus und kann die Decke berühren, gut zwei Meter unter mir befindet sich schon das Sofa und wenn ich die Leiter hinabsteige, befinde ich mich inmitten der Küche. Das ist Aufwachen in einem Tiny House (z. Dt. winziges Haus), nein, das ist Leben in einem Tiny House. Und zugegeben, das ist nicht jedermanns Sache. Aber ich wollte es einmal ausprobieren. Seit Jahren schon verleiten mich entsprechende Instagram-Feeds in blühende Fantasien, die mediale Berichterstattung sog ich nur so auf und als ich hörte, dass sich sogar schon erste Tiny House-Communitys gründeten, war mein Wunsch, einmal in einem zu leben, größer denn je.
Alles auf 27 Quadratmetern
Ich wollte nicht mehr nur stille Beobachterin sein, meine Neugier war genug gefüttert. Ich war bereit, wenn auch erst einmal nur für einen Einzug auf Probe. Der Moment schien gekommen, denn es war gerade Hochsommer in Berlin. Mit 36 Grad Außentemperatur glühte die Hauptstadt förmlich. Nur zu gern ergriff ich also für ein paar Tage die Stadtflucht und machte mich gemeinsam mit einer Freundin auf nach Wredenhagen, einem kleinen Ort nahe der Müritz im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Hier bietet ein kleiner Hof mitten im grünen Idyll vier verschieden große Tiny Houses an. Mit 27 qm² Nutzfläche auf zwei Etagen werden wir für drei Tage in einem der größeren Modelle wohnen.
Und dann ist es endlich soweit, mein ganz persönlicher historischer Moment ist gekommen: Ich betrete zum ersten Mal ein Tiny House. Meine Erwartungen? Bei einer Körpergröße von gerade einmal 1,56 Meter bin ich mir sicher, dass selbst ich mich – trotz aller Begeisterung – schnell wie in einem Schuhkarton fühlen werde. Doch was soll ich sagen? Weit gefehlt! Vom ersten Augenblick an fühle ich mich über alle Maßen wohl. Ja, es ist winzig. Ja, für Privatsphäre (es gibt ja kaum Türen) ist nicht viel Platz.
Mancher Student wäre neidisch
Und doch fehlt es dieser Art der Behausung an nichts. Die Küche ist absolut ausreichend ausgestattet – so mancher Student wäre neidisch. Im „Wohnzimmer“ gibt es neben TV, Couchtisch und Sofa sogar einen Kamin. Denn dieses Tiny House kann auch im Winter bewohnt werden. Gespannt bin ich vor allem auch auf die sanitäre Anlage. Oftmals finden sich in der Nasszelle eines Tiny Houses mehrere Funktionen kombiniert in einer vor: die Toilette integriert in der Dusche oder unter dem Waschbecken stehend. In meinem Fall hatte tatsächlich jede Installation seinen separaten Platz, aber natürlich eben auf wenig Fläche.
Meine größte Neugier galt allerdings dem Schlaflager. In der Tat lässt sich hier nicht von Schlafzimmer sprechen, denn die beiden Schlafunterkünfte (für jeweils zwei Personen geeignet) sind – typisch für ein Tiny House – über zwei eingezogene Decken gelöst. Als Wahl-Berlinerin, die klassischer-, aber auch glücklicherweise eine Altbauwohnung ihr Zuhause nennen kann, befürchte ich, dass sich eine Armlänge bis zur Decke nicht gerade wohltuend auf mein Unterbewusstsein auswirken wird und mir eine schlaflose Nacht bevorsteht. Aber auch hier werde ich eines Besseren belehrt. Ich schlafe so gut wie schon lange nicht mehr.
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Preis als Hindernis?
Liebevoll werde ich morgens von gefühlt 87 verschiedenen Tiergeräuschen geweckt – kein Vergleich zu den Tram-Geräuschen vor meiner Haustür, die mich jeden Morgen hart aber herzlich aus dem Schlaf reißen. Nach dem Aufwachen hält es mich nicht lang auf meiner Matratze. Also einmal die Leiter runter, drei Schritte gemacht und schon stehe ich mit Schlaf-Dress im Grünen. Vor mir Feld, Wald und Wiesen – klar muss ich bei diesem Anblick mein Smartphone zücken und Bild um Bild machen.
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Als ich mit meiner kleinen Foto-Session noch vor 8 Uhr morgens fertig bin, möchte ich gern auch das erste Mal in meinem Leben die Outdoor-Dusche nehmen – natürlich mit biologisch abbaubarer Seife. Herrlich!
Am Ende meines kleinen Aufenthalts bin ich noch genauso glücklich wie bei meinem Einzug. Zu keiner Zeit hat es mir hier an etwas gefehlt oder habe ich mir mehr Raum herbeigewünscht. Mehr noch war es für mich das ideale Wohn-Pendant zu meinem sonstigen Berliner Leben, wo Lärm, Hektik und Feinstaub-Alarm an der Tagesordnung sind. Vielleicht ist der Preis mit 240 € für drei Tage (80 €/Nacht) für manche Menschen ein Hindernis, für mich war dieses Erlebnis jeden Cent wer. Naja und wer weiß, vielleicht teste ich demnächst auch das Leben in einer Tiny House-Community…