7. März 2016, 9:52 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Bodenständiges Essen für arme Leute – das haben typisch polnische Kneipen nach dem Zweiten Weltkrieg serviert. Nun sind die Bars wieder da und zeigen: Tapas gibt es nicht nur in Madrid, sondern auch in Warschau. Die deftige Variante mit viel Wodka wird zum Kult.
Polnische Tapas, das sind kleine Köstlichkeiten mit deftiger Note. Seit einigen Jahren erleben die „Przekaski“ (Pschekonski) genannten Häppchen ein Revival. Sie sind bodenständiger als in Spanien – und die Getränke hochprozentiger.
„Ich will unbedingt Tatar haben!“, ruft eine junge Besucherin des Lokals „Przekaski u Romana“, in dem ein Wirt gerade „Kieliszki“ (Kjelischki) reicht – kalter Kirschwodka, der süß und fruchtig zugleich ist.
Eilig trägt der 62-jährige Wirt Roman Modzelewski das rote Hack aus Lendenfilet mit einem darüber aufgeschlagenen Ei zum Tisch. Über den Tresen seines Lokals wandern außerdem knackige Salzgurken, kleine Portionen Schweinefüße in Aspik, eingelegter Hering oder die auch in Deutschland beliebten Pierogi. Restaurants, die diese oft mit Kraut oder Fleisch gefüllten Teigtaschen anbieten, gibt es unter anderem in Hamburg und Berlin.
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Tapas für Jung und Alt
Das einstige Arme-Leute-Essen wird in Polen üblicherweise zu Hochprozentigem, aber auch zu Tee und Kaffee gereicht. Die einfachen und deftigen Gerichte gehören seit Ende des Zweiten Weltkriegs zur Kneipentradition. Damals speisten dort vor allem mittellose Arbeiter. Heute sind die Snacks wieder so beliebt wie damals – vor allem der schnelle Service und die günstigen Preise kommen bei Jung und Alt gut an. „Die Bars machen Furore“, sagt Herr Roman. Viele Lokale haben rund um die Uhr geöffnet, was vor allem Nachtschwärmer anzieht.
Samstagabend herrscht in der Przekaski-Bar „Meta“ in Nähe der Flaniermeile Nowy Swiat dichtes Gedränge. Um einen der Tische schart sich eine Gruppe junger Menschen. „Hier beginnen oder enden die Abende“, sagt eine der Frauen. „Für zwischendurch sind die Bars auch gut“, meint ihr Begleiter und lacht. In den Lokalen wird nicht nur getrunken und gegessen. „Manchmal tanzen die Gäste sogar“, schmunzelt Modzelewski. Tagsüber geht es dagegen ruhiger zu. Touristen studieren bei einer schnellen Portion Pierogi den Stadtplan. Mit Einkäufen beladene Warschauer wärmen sich bei einem Tee.
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Richtig polnisch sind in den Lokalen nicht nur die Speisen, sondern auch das Ambiente und die Dekorationen. Groß ziert in Modzelewskis Bar ein Bild des Warschauer Kulturpalasts die Wand. Die Bar „Meta“ ist mit Gegenständen aus Zeiten des polnischen Kommunismus geschmückt. „Den jungen Leuten gefällt das, weil sie die Zeiten nicht erlebt haben“, sagt eine Besucherin. „Die Älteren kommen gerne her, um sich zu erinnern.“
Auswahl und Qualität der polnischen Snacks seien inzwischen natürlich größer und besser als früher, sagt der Wirt Modzelewski. „Trotzdem braucht es guten Geschmack und Know-how, um aus quasi Nichts etwas zuzubereiten“, erzählt er – und selbst nach einer anstrengenden Nachtschicht leuchten seine Augen heiter.
Der grauhaarige Kneipenwirt ist bei den Warschauern überaus beliebt. „Er ist einfach Kult“, raunen einem Besucher selbst in anderen Bars verstohlen zu. Stets hat der gelernte Gastronom ein Ohr für seine Gäste und einen charmanten Spruch auf den Lippen. Frauen begrüßt er grundsätzlich mit Handkuss. Die meisten Gäste seien zwar Polen, doch er habe bereits Menschen aus vielen Teilen Europas bewirtet, sagt er. Nun hofft er, dass noch mehr kommen werden, um die polnischen Tapas zu kosten und ihre Geschichte in die Welt hinauszutragen.
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