18. Dezember 2023, 13:01 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wer eine authentische Spaghetti Carbonara essen will, ist damit in der italienischen Hauptstadt am richtigen Ort. Denn das Nudelgericht mit seiner Sauce aus ausgelassener Schweinebacke, Eigelb, geriebenem Pecorino-Käse und Pfeffer gehört zu den Klassikern der römischen Küche. Ein häufiger Streitpunkt ist der Einsatz von Sahne, durch den manch ketzerischer Koch im Sinne der Cremigkeit nachhilft – im Originalrezept hat sie jedoch nichts zu suchen! Dieses könnte in Wahrheit jedoch ein anderes sein, als selbst die Italiener bislang dachten.
Italien gehört zu den Ländern, die vor allem aufgrund ihrer Küche so beliebt sind. Auch im aktuellen Ranking der Länder mit dem besten Essen der Welt landet Italien auf dem Spitzenplatz. Es verwundert nicht, dass die italienische Küche der große Stolz der Einwohner ist. Was ihre Originalrezepte betrifft, sind sie gemeinhin entsprechend kompromisslos. Luca Cesari kennt sich mit dem Punkt „original“ ganz besonders gut aus: Der Bolognese ist Küchenhistoriker und Kochbuchautor. Er will nun auf die erste überlieferte Kochanleitung für Spaghetti Carbonara aus dem Jahr 1954 gestoßen sein. Diese enthält zwei durchaus überraschende Zutaten. Oder anders gesagt: ordentlich Zündstoff.
Übersicht
DIESE Zutaten sollen ins Originalrezept für Carbonara gehören
Kurz zur Geschichte der Carbonara: Man geht heute davon aus, dass die Machart nach 1944 entstanden ist, im Zuge der Alliierteninvasion in Italien. Es soll sich um eine Verbindung der italienischen Esskultur mit der eingeführten Verpflegung der US-amerikanischen Soldaten gehandelt haben, zu der demnach unter anderem Eipulver und Bacon gehörte. Mehr dazu ist etwa im 2013 erschienen Buch „La Cucina Romana e del Lazio“ nachzulesen.
Knoblauch und Schweizer Käse
Nun will Historiker Cesari also in der Zeitschrift „Cucina Italiana“ auf die erste Kochanleitung für Carbonara gestoßen sein. Das vermeintliche Originalrezept hat einige Gemeinsamkeiten mit dem, was wir kennen. Doch statt des Schafsmilchkäses Pecorino ist in dem vergilbten Heftchen Schweizer Gruyere-Käse als Zutat aufgeführt, und außerdem soll Knoblauch (!) dazu gehören. Cesari kochte das Rezept nach und präsentierte das Ergebnis auf Instagram. Damit, was dann passierte, hat er wohl eher nicht gerechnet.
Empörung und Beleidigungen auf Instagram
Mit dem „echten“ Originalrezept für Spaghetti Carbonara scheint der Koch seinen Followern entschieden zu nahe getreten zu sein. Wobei das die aggressiven und feindseligen Kommentare natürlich nicht rechtfertigen soll. Wortmeldungen wie „Hören Sie auf mit dem Unfug“ und „Sie blamieren sich mit diesen Verleumdungen“ gehören hier noch zu den harmlosesten. Luca Cesari wird für seinen Post mitunter aufs Übelste beleidigt und von nicht nur einem Nutzer dazu aufgefordert, ihn „am A**** zu lecken“.
Er selbst bleibt ganz cool. „Es ist nicht meine Schuld, wenn dieses das Originalrezept für Carbonara war“, so der Historiker zu „Reuters“. Tatsächlich plane er bereits einen weiteren potenziellen Aufreger: ein Video über die „traditionelle neapolitanische Pizza aus dem Jahr 1800 – mit Venusmuscheln“.
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„Gastro-Nationalismus“ sorgt für Diskussionen
Italiener machen keinen Hehl daraus, ihre Originalrezepte streng zu verteidigen. Die Absicht dahinter ist die Aufrechterhaltung ihrer Küche und Tischkultur, für die es mit der „Accademia italiana della cucina“ immerhin eine staatliche Einrichtung gibt. TRAVELBOOK berichtete erst kürzlich darüber, dass diese am notariell beglaubigten Rezept für Bolognese-Sauce nach rund 40 Jahren erstmals eine Änderung vornahm.
Kein Cappuccino nach 11 Uhr vormittags, keine Ananas auf der Pizza – der italienische Wirtschaftshistoriker Alberto Grandi findet das starre Festhalten an kulinarischen Regeln schon längst übertrieben. Er hat schon häufiger den Zorn seiner Landleute auf sich gezogen, indem er die tatsächliche Herkunft vermeintlicher Kulturgüter anzweifelte. Die aktuelle Diskussion ist für ihn natürlich ein gefundenes Fressen. Laut „Reuters“ hat er in dem Zusammenhang auf seinem eigenen Social-Media-Auftritt von einem überzogenen „Gastro-Nationalismus“ in Italien gesprochen, der demnach daran hindert, vernünftig über „küchenassoziierte“ Dinge nachzudenken.
Vielleicht weichen die Fronten irgendwann auf. Nach langem Suchen konnte TRAVELBOOK immerhin einen wohlwollenden Kommentar unter Luca Cesaris Carbonara-Post finden. „Mein Kompliment für die Berichterstattung über dokumentierte historische Daten!“ Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass er sarkastisch gemeint sein könnte …