13. März 2015, 15:43 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Gehören Sie auch zu denen, die auf Städtetrips gern Kirchen besichtigen, und zwar nicht nur, um die Architektur zu bewundern, sondern auch, um dort nach all der Lauferei mal etwas Ruhe und einen Sitzplatz zu finden? Dann dürften Sie diese Gotteshäuser in Europa besonders interessieren. Denn hier bekommen Sie neben einem interessanten Ambiente auch noch gutes Essen und Getränke geboten: Denn diese Kirchen sind jetzt Restaurants.
Wo einst der Altar war, steht jetzt die Bar. Statt Hostien gibt es Haute Cuisine. Und wenn hier jemand „Halleluja“ singt, dann war es wohl ein Leonard Cohen oder Jeff Buckley, garantiert aber kam es vom Band. Kein Wunder: Die Kirche, sie ist jetzt – ein Restaurant.
Was soll man auch machen, wenn keiner mehr zum Gottesdienst kommt, die Menschen in Scharen aus der Kirche austreten und Trost eher in Alkohol suchen, statt bei Gott? Tatsächlich schrumpfen die Gemeinden. Jährlich sinkt die Zahl der potentiellen Kirchengänger in Deutschland um eine halbe Million. In 20 Jahren dürften weniger als 50 Prozent der Deutschen katholisch oder evangelisch sein, heute sind es noch rund 60 Prozent.
Doch die Zugehörigkeit zu einer Konfession heißt bekanntlich lange nicht, dass man auch in die Kirche geht. So besuchen etwa am Karfreitag gerade mal vier Prozent der protestantischen Kirchenmitglieder einen Gottesdienst. Der Glaube an die Kirche als Institution, er hat es besonders schwer. Doch was tun mit den verlassenen Kirchen?
Abreißen wäre eine Lösung, eine Umnutzung die andere. Tatsächlich ist man vielerorts kreativ geworden, wenn es um eine Zukunft für ungenutzte Kirchen geht. Da wurden schon Apartments eingebaut, Buchläden eröffnet oder Hotels. Und manchmal wird aus der Kirche gar eine Kneipe, aus dem Gotteshaus ein Gourmettempel. Wie in diesen sechs Häusern, die wir hier jetzt vorstellen.
1. Bielefeld
Als das Glückundseligkeit in Bielefeld seine Pforten öffnete, war sogar das japanische Fernsehen vor Ort. So ungewöhnlich war das neue Restaurant im Kirchenbau, dass es den Asiaten gar ein Bericht zur Primetime Wert war. Inzwischen ist das Lokal eine feste Größe in der Bielefelder Gastro-Szene. Eine einzigartige Location ist es immer noch.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Kirche im neugotischen Stil gebaut, aber nach dem Zweiten Weltkrieg kaum noch besucht. Während die Gemeinde schrumpfte, stiegen die Heizkosten, das große Haus war nicht mehr zu tragen. Ab Mitte der 1970er verpachtete man die Kirche an die griechisch-orthodoxe Kirche, und 2004 wurde sie an den Gastronomen Achim Fiolka für einen symbolischen Euro verkauft.
Der brauchte nicht lange, um dem alten Kirchenbau neues Leben einzuhauchen: Nach nur wenigen Monaten durchzog ein gigantischer Bartresen längs das gesamte Kirchenschiff. Darum gruppieren sich heute Designerstühle, auf der Orgelempore verspricht eine Lounge-Bar etwas mehr Privatsphäre. Und auf der Karte stehen so viele verschiedene Dinge, dass hier wirklich jeder, wenn vielleicht nicht selig, aber glücklich werden dürfte.
2. Magdeburg
Die Martini-Kirche in Bielefeld war allerdings nicht die erste Kirche in Deutschland, die gastronomisch umgenutzt wurde. Bereit 1997 erwarb ein Architekt aus Oldenburg die St. Immanuelkirche am Stadtrand von Magdeburg, in Alt-Prester, und verpachtete sie an Gastronomen. 2007 kaufte Jens Rieffenberg die Kirche, in der seit 1958 kein Gottesdienst mehr gefeiert wurde, und serviert hier – im Restaurant Die Kirche – nun Klassiker der Deutschen Küche neben Pasta und Crème brûlée.
Und das nicht selten übrigens an rastende Radler, denn die Kirche liegt direkt am malerischen Elberadweg. Im Sommer kann man hier wunderbar draußen sitzen und den Blick über die Elbauen schweifen lassen. Und auf die Kirche, die Mitte des 19. Jahrhunderts übrigens unter Mitwirkung von Karl Friedrich Schinkel entstand. Der Turm mit quadratischem Grundriss wurde dabei denen des Magdeburger Doms nachempfunden.
3. Amsterdam
Lampen aus Marokko, dicke Orient-Teppiche, farbenfrohe Ornamente an den Wänden – hier erinnert nur wenig an eine Kirche. Eher fühlt man sich in eine moderne Variante von Tausendundeine Nacht versetzt. Bazar nennt sich das Restaurant in einer alten umgenutzten Kirche am Albert-Cuyp-Markt denn auch. Und was auf den Tisch kommt, ist leicht zu erraten: Gerichte aus dem Morgenland natürlich. Und Fleisch à la Halal.
Und wie kommt das Konzept bei den Besuchern an? „Das Ambiente mutet im etwas dunkleren Raum zu Beginn etwas befremdlich an“, schreibt eine Userin auf Tripadvisor. „doch hat man erst mal Platz genommen, kann man sich an den kunterbunten, exotischen Dekorationen kaum satt sehen. Ein Lokal, das für die kulturelle Vielfalt des Landes steht und besonders für den ersten Besuch in Amsterdam ein Muss ist.“ Tipp: Für einen Platz oben auf der Empore empfiehlt es sich, vorher zu reservieren.
4. Antwerpen
Er machte aus einem Gotteshaus einen Gourmettempel: Sergio Herman gilt als „Rockstar der Spitzenköche“ und seit März letzten Jahres kann man seine jüngsten Gerichte im The Jane genießen, dem so ziemlich coolsten, was ein Kirchenbau bisher von Innen gesehen hat. Ein überdimensionaler Totenkopf hängt hinten von der Decke. Daneben beherrscht ein gigantischer Kronleuchter den Raum. Die Kleider der Kellner wurden eigens von G-Star entworfen, aus den Boxen tönt House-Musik.
„Essen ist unsere Religion“, erklären die Macher auf der Website des Restaurants, „deswegen befindet sich unsere Küche am Altar.“ Es ist eine offene Küche, die man von jedem der 60 Sitzplätze im Blick hat. Und auch wenn die Gerichte der Gourmetchefs so raffiniert wie köstlich sind und einfach nur himmlisch schmecken, am Ende sieht dennoch jeder: Selbst die göttlichsten Köche kochen auch nur – mit Wasser.
Impressionen aus dem The Jane finden Sie oben in der Bildergalerie. Reservierungen online drei Monate im voraus.
5. Dublin
Dass es Guinness gibt, ist selbstverständlich. Natürlich nicht für eine Kirche, aber für das The Church in Dublin – und das hat nicht nur damit zu tun, weil wir uns in Irland befinden. Mehr noch: Arthur Guinness, Gründer der Guinness-Brauerei, hat in eben jener Kirche einst geheiratet. Im Jahr 1761 war das. Die St. Mary’s Church war gerade gebaut, mit einer Orgel von Renatus Harris, spektakulären Bleiglasfenstern und – als eine der ersten irischen Kirchen – mit einer Empore.
Gut 200 Jahre später, im Jahr 1964, wurde die Kirche geschlossen und lag verlassen da – bis 1997 die Renovierung begann, die sich sieben Jahre lang hinziehen sollte. Im Dezember 2005 wurde die Kirche als John M. Keating’s Bar eröffnet, im Jahr darauf bekam sie gleich einen Preis: den Dublin City Neighbourhood Award in der Kategorie Best Old Building. Heute heißt die Lokalität The Church Bar & Restaurant und umfasst neben einem Pub im Erdgeschoss und einem Restaurant auf den Emporen (unbedingt reservieren!) auch einen Nachtclub im Keller.
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6. Northamptonshire
Es ist ja nicht so, dass das Gebäude in den letzten 800 Jahren immer als Kirche genutzt wurde: Ursprünglich war das Haus ein Hospiz, später Soldatenfriedhof, nach der Reformation auch mal Teil der Bahnhofs, dann wieder katholische Kirche und seit 2005: Restaurant. Eine wichtige Funktion, die Kirchen für gewöhnlich wahrnehmen, wird hier aber immer noch erfüllt: Hochzeiten feiern kann man im The Church in Northamptonshire in Northampton natürlich auch – was, wie übrigens bei sämtlichen zum Restaurant umgenutzten Kirchen, sich auch hier großer Beliebtheit erfreut.