19. Juli 2019, 7:30 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
In der italienischen Kleinstadt Volterra steht ein ganz besonderes Gefängnis: Seine Insassen verwandeln es sechsmal im Jahr in ein Restaurant, in dem sie für begeisterte Gäste ein mehrgängiges Menü zubereiten. Das Projekt ist ein voller Erfolg und hat schon so manchem Insassen auf seinem Weg zur Resozialisierung geholfen.
Wenn Sie bei Ihrer nächsten Italien-Reise noch ein ganz besonderes Restaurant suchen, fahren Sie doch einmal in das kleine Nest Volterra. In der Toskana-Stadt südwestlich von Florenz kann man nämlich in einem Gefängnis dinieren – und die Insassen servieren Ihnen Ihr mehrgängiges Menü. Das Konzept gibt es seit 2005, wie ein Sprecher der „Cene Galeotte“ (etwa „Gauner-Abendessen“) TRAVELBOOK verrät. Ausgedacht hat es sich damals die Gefängnisdirektorin Maria Grazia Giampiccolo.
Das Modellprojekt ist Teil eines umfassenden Resozialisierungsprogramms, mit dem das Gefängnis seinen Insassen den Wiedereinstieg in den Alltag nach verbüßter Haftstrafe erleichtern will – und das mit durchschlagendem Erfolg. Die Bewerberliste für die 25-30 Plätze für die Ausbildung im Restaurantsektor ist lang, nur wer sich absolut vorbildlich verhält, hat eine Chance auf Teilnahme. Für die Gefangenen war die Karriere als Knast-Koch bzw. -Kellner in der Vergangenheit sogar schon Sprungbrett zu einem erfolgreichen Leben „danach“: Einer von ihnen leitet heute sein eigenes Restaurant, nicht wenige arbeiten in anderen Etablissements als Angestellte.
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„Für einige Stunden frei“
Der Gefängnis-Sprecher, der seinen Namen nicht in diesem Magazin lesen möchte: „Alle sind sehr glücklich, an diesem Projekt teilzunehmen und eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Für sie ist es eindeutig ein besonderer Abend, an dem sie sich zumindest für einige Stunden frei fühlen und in Kontakt mit anderen Menschen stehen.“ Denn die Gefangenen bewegen sich völlig frei zwischen den bis zu 130 Gästen, die jeweils zu den sechs jährlich stattfindenden Veranstaltungen kommen – sie stehen am Herd, servieren das Essen oder beraten als Sommelier über den richtigen Wein zu jedem Gang.
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Das Beste: Das Ganze dient einem wohltätigen Zweck, die Lebensmittel für das große Show-Kochen werden zum Beispiel von der Gesellschaft „UNICOOP Florenz“ bereitgestellt, und die Einnahmen des Essens gehen dann an die Hilfsorganisation „Il cuore si scioglie Onlus“, die zum Beispiel den Bau von Schulen in der Region finanziert. Zudem wird zu jedem der Termine ein italienischer Star-Koch eingeladen, der ohne Honorar mit den Häftlingen für die Gäste kocht – und die sind natürlich dementsprechend begeistert. „Für Leute, die zum Essen kommen, ist es zunächst etwas merkwürdig, denn jeder muss Sicherheitskontrollen durchlaufen, Dokumente und Telefone werden eingesammelt. Aber nach ein paar Minuten vergessen sie, im Gefängnis zu sein, und genießen das Abendessen.“
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Unbedingt reservieren!
Im Übrigen habe es bei einem solchen Abendessen noch nie Probleme gegeben: „Die Gefangenen haben sich immer vorbildlich verhalten, und aus diesem Grund ist das Projekt seit so vielen Jahren im Gange.“ Mit 35 bis 45 Euro pro Person sind die Menüs sehr erschwinglich, dementsprechend sollte man unbedingt reservieren, falls man in Volterra hinter schwedischen Gardinen dinieren möchte. Das nächste Gefängnis-Essen findet übrigens am 9. August 2019 statt, dieses Mal wird Fabrizio Marino aus dem Restaurant „Maggese“ in San Miniato kochen.
Das Volterra-Modell hat in Italien längst Schule gemacht, auch zahlreiche andere Gefängnisse bieten ihren Insassen mittlerweile eine Möglichkeit zur gastronomischen Weiterbildung. Im „Original“ können Häftlinge aber auch in einer Schneiderei sowie einem Theater arbeiten und sich in einer Gefängnis-eigenen Schule weiterbilden – in Letzterer geben die Insassen jungen Besuchern mittlerweile jeden Tag Ratschläge mit auf den Weg, damit diese nicht selbst auf die schiefe Bahn geraten. „Es ist wichtig, junge Menschen zu sensibilisieren, um sie dazu zu bringen, die Fehler der Gefangenen nicht zu wiederholen“, sagt der Gefängnis-Sprecher.
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