22. Mai 2023, 17:30 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Essen gehen und dann noch lange beisammensitzen: Oft ist das nicht mehr möglich. Mehr und mehr Restaurants in Deutschland, Österreich und der Schweiz vergeben zeitlich begrenzte Reservierungen. Was dahinter steckt – TRAVELBOOK gibt einen Überblick.
Zeit ist Geld: „Wir haben Ihren Aufenthalt bei uns mit 1:30 Stunden eingeplant“, steht in der freundlichen E-Mail-Bestätigung vom hippen Lokal „Frühstück 3000“ in Berlin-Schöneberg. Die bislang kaum übliche Sitte der Reservierungszeitfenster in Restaurants greift jetzt auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz um sich. Ging es einst beim Ausgehen hierzulande nicht vor allem darum, ohne Anmeldung ausgiebig zu essen, sich festzutrinken und mit unterschiedlichsten Leuten zu reden?
„Buchungen werden regulär in Zeitfenstern von 2 Stunden vergeben“, schreibt das „Trio“ in Berlin-Mitte, eine Gaststätte neuer Generation, von der gerade viele Szenegänger in der deutschen Hauptstadt reden. Ab vier Personen verlängere sich die Zeit um eine halbe Stunde.
Im Münchner Glockenbachviertel verkündet das „Fesch“ (Slogan: „Dein queeres, bayerisches Wirtshaus“): „Unsere generellen Reservierungszeiten sind entweder ab 17.30/18.00 Uhr für zwei Stunden oder ab 19.45 Uhr für den restlichen Abend.“
Nicht nur Restaurants in München und Berlin machen jetzt solche Ansagen – auch gut nachgefragte Gastronomiebetriebe in Wien, Salzburg, Hamburg, Frankfurt, Köln, Leipzig, Stuttgart, Zürich oder in beliebten Urlaubsorten zwischen Sylt und Engadin, Rügen und Tirol.
Andernorts sind Reservierungszeitfenster seit Jahren üblich
Vor allem in besonders teuren Städten sind Time-Slots schon lange üblich, wie Vielreisende zu berichten wissen. In New York, Los Angeles, San Francisco, London, Paris, Kopenhagen und Stockholm sollen manche Restaurants Tische sogar dreimal am Abend besetzen. In den deutschsprachigen Ländern waren Reservierungszeitfenster in Restaurants dagegen bis zum Jahr 2020 eine Ausnahme. Während der Pandemie, als Plätze phasenweise aufgrund der Corona-Regeln begrenzt wurden, wurden sie salonfähig.
Das „893 Ryotei“ in Berlin-Charlottenburg arbeitet zum Beispiel damit. Die Devise lautet: „Online-Reservierungen sind auf zwei Stunden beschränkt.“ Das japanisch inspirierte Restaurant befindet sich hinter einer mit Graffiti besprühten verspiegelten Fassade und ist ganz in Schwarz gehalten. Gäste fühlen sich in dem Laden, in dem früher ein Schlecker-Drogeriemarkt war, wie in einem exklusiven Club.
Für Gäste und Gastronomen ist es zweifellos praktisch, wenn über ein paar Klicks in Online-Reservierungssystemen wie Opentable, Quandoo, Sevenrooms oder Reservision ein Tisch gebucht werden kann.
Wer mit Leuten über zeitlich begrenzte Reservierungen spricht, hört aber schnell Sätze wie „Ich finde das irgendwie unsympathisch“, „Ich fühle mich dann getrieben und wie eine Geldmaschine, die rasch gehen soll“ oder „Ich halte das für den Untergang der Gastfreundlichkeit“.
Es gibt aber auch Verständnis: „Ich brauche eh nie länger als zwei Stunden fürs Essen in einem lauten Restaurant“, „Das ist besser als noch teurere Gerichte und Getränke“, „Bei der Wirtschaftslage ist es logisch, dass Wirte ihre Tische mehrfach besetzen wollen“.
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Sind Time-Slots ein Todesstoß für die Gemütlichkeit?
Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga-Bundesverband), sagt auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Insbesondere mit Blick auf die rasant steigenden Kosten in den Bereichen Energie, Lebensmittel und Personal müssen unsere Betriebe mehr denn je genauestens kalkulieren und Wege finden, um ihre Kostensituation in den Griff zu bekommen.“ Es gebe aber weiterhin viele Restaurants und Wirtshäuser ohne Reservierungszeitfenster, in denen Gäste auch so einen Platz finden.
„Ob der Gastronom sich für Reservierungszeitfenster entscheidet, ist vom Konzept, vom Standort und nicht zuletzt von den Gästen abhängig. So gibt es Familien, die gerne das Zeitfenster 17.30 Uhr bis 20.00 Uhr nutzen, andere Gäste ziehen 22.00 Uhr vor und wollen nach dem Essen noch länger zusammensitzen.“ Zeitfenster in den Abendstunden oder an Feiertagen vorgeben – das machten in erster Linie Restaurants mit sehr hoher Nachfrage, sagt Hartges.
Sie betont, dass es keinen grundsätzlichen Kulturwandel gebe: „Dies ist definitiv nicht das Ende der deutschen Gemütlichkeit. Für nachhaltigen Erfolg sind gutes Essen, freundlicher Service und die Wohlfühlatmosphäre die entscheidenden Faktoren.“
Und auch ein Blick nach Übersee hilft. In Kalifornien beispielsweise ist es in Hotspots gelebte Praxis, dass Gäste, die länger sitzen bleiben und noch ein Glas trinken wollen, von ihrem Tisch weg an die Bar gebeten werden und dort – nun ja – abstürzen können.
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Wie es rechtlich um die Restaurant-Zeitfenster steht
Julia Zeller, Juristin bei der Verbraucherzentrale Bayern, sagt: „Das Reservierungszeitfenster an sich ist rechtlich nicht zu beanstanden.“ Es falle unter die sogenannte Vertragsfreiheit. „Die Gastwirte können daher den Zeitrahmen für einen Besuch der Gäste beliebig festlegen. Um die Gäste nicht zu verärgern, ist es wichtig, dass dies bei der Reservierung bereits klar und deutlich kommuniziert wird. Zudem sollte dann auch der Service zu dem festgelegten Zeitfenster passen.“