24. April 2019, 17:56 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Hohe Berge, tiefe Täler und wilde Schluchten – im Allgäu spielt die Natur groß auf. Wanderfreunde können sich das ganze Jahr auf spektakuläre Touren freuen. Zu entdecken gibt es dabei auch Dörfer wie aus dem Postkarten-Panorama und eine vielseitige Küche, die voll auf hochwertige regionale Zutaten setzt.
Schon ein kleiner Schluck der herrlich frischen Milch bringt schöne Erinnerungen an Wander-Urlaube zurück – ich stehe in dem winzigen Dorf Gunzesried im Allgäu und habe soeben mehr oder weniger die komplette Käserei leer gekauft. Die Sonne strahlt hier, auf etwa 900 Metern über dem Meeresspiegel, ziemlich kräftig vom Himmel, auf den zahlreichen Bergkuppen in der Ferne liegt noch Schnee, obwohl der Winter schon bald nicht nicht mehr als eine Erinnerung sein wird. Die Luft hat schon lange nicht mehr so frisch geschmeckt, und erst nach und nach realisiert man das Fehlen jeglicher Geräusche, oder, anders ausgedrückt, eine himmlische Stille, die über dem Land liegt.
Willkommen im Allgäu, einer der wohl schönsten Regionen Deutschlands! Die Zugfahrt hat zunächst nach Sonthofen geführt, in die südlichste Stadt Deutschlands, eingerahmt von dem beeindruckenden Panorama der Allgäuer Alpen, an denen jeder Blick hängen bleibt. Mitten im grünen saftigen Tal, durch das sich die Flüsse Iller und Ostrach winden, thront der 1738 Meter hohe Grünten, der von den Einheimischen auch liebevoll „Wächter des Allgäu“ genannt wird. Von wohl kaum einem anderen Gipfel hat man einen so spektakulären Rundum-Blick auf das Land und seine Berge, und egal wo man ist, man sieht den Grünten quasi immer.
Entspannt ohne Empfang
Das Allgäu ist eines der beliebtesten Wanderreviere Deutschlands: Ob anspruchsvolles Gipfelstürmen, gemütliche Entdeckungstouren in den zahlreichen Tälern oder Adrenalin-Märsche entlang rauschendem Wasser durch eine der Allgäuer Schluchten, hier findet wirklich jeder Naturfreund etwas für seinen Geschmack. In der kalten Jahreszeit gibt es zahllose Strecken zum Skifahren oder Schneeschuh-Wandern, ob nun rund um den weltbekannten Wintersport-Ort Oberstorf oder in einer der einsamen Regionen im Naturpark Nagelfluhkette – die Schneegarantie im Winter ist hier, nahe der Grenze zu Österreich, dabei quasi inklusive.
Wer in seinem Urlaub Ruhe und Erholung sucht, dem kann ich eine wirklich einmalige Übernachtungsmöglichkeit empfehlen: Die Buhl’s Alpe, seit über 50 Jahren im Besitz derselben Familie, gelegen in einem einsamen Tal hinter dem eingangs erwähnten Gunzesried. Das gemütliche Gasthaus liegt malerisch mit Blick auf den Berg Riedberger Horn, eingebettet in tiefen Nadelwald, durch den oft nicht einmal die Strahlen der Handymasten dringen – ich hatte hier tagelang kaum Empfang und wiederum eine wunderbare Ruhe vor dem Alltag. Die Buhls bereiten die Mahlzeiten für ihre Gäste stets frisch und liebevoll zu und setzen dabei durchweg auf regionale Zutaten, zum Beispiel aus dem eigenen Kräutergarten. Reservieren kann man nur telefonisch. „Die Buhls machen das nicht online“, erklärte Chefin Elvira bei meinem Besuch lachend.
Wandern mit Ausblick
Kleiner Nachteil: Die Alpe liegt so einsam, dass man, zumindest mit Gepäck, auf jeden Fall mit dem Auto anreisen sollte – was sich aber ohnehin empfiehlt, denn das öffentliche Verkehrssystem im Ober-Allgäu war zumindest in den von mir besuchten Orten quasi non-existent, was in kleineren Dörfern in etwa einen Bus alle vier Stunden bedeutete. Wanderer werden aber sicher die oft kurzen Fußwege von ein paar Kilometern zwischen vielen Orten nicht scheuen, zumal es überall Feld- und Waldwege abseits der kleinen und großen Straße gibt.
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Von der Buhl’s Alpe aus verlaufen zahlreiche Wanderrouten, die durch die umliegenden Wälder hinauf zu vielen Gipfeln führen. Eine tolle Tagestour, die man im Winter auch sehr schön mit Schneeschuhen gehen kann, ist der Ausflug zum Höllritzereck. Zunächst einmal geht es recht steil hinauf zur Alpe Birkach, wo man bei einer Holzhütte rasten kann, von der aus der Ausblick auf das weite Land und den Grünten weit hinten im Tal schon jetzt ziemlich spektakulär ist.
Berge und Schluchten
Der Weg verläuft im Anschluss sehr ruhig, wobei sich aber zu beiden Seiten der Strecke wiederum sehr schöne Ausblicke bieten, bevor es dann zum Höllritzereck noch einmal kurz sehr knackig nach oben geht. Wenn man dann aber am Gipfelkreuz auf fast 1700 Metern Höhe steht, lässt das Panorama sämtliche Strapazen vergessen, denn der Blick auf die sich bis nach Österreich hinein erstreckenden Berge ist wirklich gewaltig, und so skurrile Gipfel wie der Hochvogel, der dem Matterhorn verblüffend ähnelt, halten das Auge fest.
Meine zweite Station im Allgäu führte mich nach Agathazell, ein Dorf aus etwa 20 Häusern, in den Gasthof Zum Grüntenblick, mitten im Tal gelegen zwischen den zwei etwas größeren Ortschaften Burgberg und Rettenberg. Auch von hier aus kann man einige schöne Wanderungen starten, allen voran natürlich den Aufstieg zum Grünten, der zum Beispiel in Burgberg startet und je nach Kondition durchaus auch den ganzen Tag in Anspruch nehmen kann – leider war es mir aufgrund der Wetterverhältnisse nicht vergönnt, den Wächter des Allgäu zu bezwingen. Mit der Starzlachklamm wartet bei Burgberg zudem auch noch eine beeindruckende Schlucht, die jedoch nur während der wärmeren Monate geöffnet ist, da bei kalten Temperaturen die Gefahr von Steinschlag zu hoch ist.
Bier und tolle Aussichten
Eine schöne Wanderung für die ganze Familie führt direkt von Agathazell aus durch den Wald auf die ungefähr 900 Meter hohe Weinberghöhe, von wo aus man einen tollen Blick auf Burgberg und die umliegende Landschaft hat, insgesamt dauert der Rundweg über Burgberg und durch das Agathazeller Moor etwa zwei bis drei Stunden. Auch ein Spaziergang nach Rettenberg lohnt sich, denn der Ort ist als Brauereidorf bekannt – mit Zötler befindet sich hier sogar die älteste Familienbrauerei der Welt, doch auch Engelbräu hat in Deutschland einen guten Ruf. Das Trio der Gerstensaft-Produzenten rundet die kleine Brauerei Bernardi ab. Versteht sich von selbst, dass man zu all den guten Bieren auch lecker und sehr günstig essen kann, am besten in der „Adler Post“, die zur Zötler-Familie gehört.
Von Rettenberg aus kann man auf den Falkenstein wandern, einen wunderschönen Aussichtspunkt von nur knapp über 1000 Meter. Vom Dorf aus muss man dabei lediglich 300 Höhenmeter überwinden, die jedoch gehen teils ziemlich steil ins Gelände. Zunächst einmal eröffnen sich beim Aufstieg tolle Aussichten auf das Dorf und das weit unten liegende Tal, auf dem Gipfel selbst dann sieht man die andere Seite des Tales, während der Falkenstein an dieser Stelle fast senkrecht in die Landschaft abfällt.
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Der 400-Gipfel-Blick
Dass es nicht immer nur nach oben gehen muss, beweist eine schöne Wanderung durch das bei Oberstorf gelegene Trettachtal von der Stadt aus zum Christlesee. Die Strecke verläuft fast die gesamte Zeit entlang der rauschenden Trettach, in der man jederzeit bedenkenlos seine Wasservorräte wieder auffüllen kann – das gilt übrigens für viele Gewässer im Allgäu, dennoch sollte man sich wohl vorab am besten informieren. Die Strecke selbst ist eher unspektakulär, bis sich kurz vor dem Ziel der Blick auf den Talkessel öffnet, der eindrucksvoll von Bergen begrenzt wird.
Entlang des Weges bieten sich einige Möglichkeiten zur Einkehr an, ich war mit meiner Wahl des Gasthaus Christlesee hochzufrieden, vor allem wegen der wirklich sensationellen Kartoffelsuppe und der urigen bayrischen Jodelmusik. Zurück in Oberstorf bieten sich zahlreiche Möglichkeiten für einen kulinarischen Kaufrausch, denn egal ob Honig, Speck und Würste, Käse, oder frische Milch aus dem Automaten der Molkerei Käufler, hier gibt es für jeden Geschmack etwas. Absolut sehenswert sind auch die Holzkunstwerke der Familie Ohmayer. In der Nähe der Stadt befindet sich mit der Breitachklamm auch eine weitere wilde Schlucht, ebenfalls nur geöffnet in den wärmeren Monaten.
Der sprichwörtliche Höhepunkt hier ist aber wohl eine Fahrt mit der Nebelhornbahn zum gleichnamigen Berg, denn von dort aus hat man bei gutem Wetter einen unfassbaren Ausblick auf bis zu 400 andere Gipfel. Für dieses Privileg muss man allerdings recht tief in die Tasche greifen, so kostet eine Berg- und Talfahrt bis zum Gipfel und zurück für einen Erwachsenen aktuell 37 Euro. Im Sommer kann man auch auf das Nebelhorn wandern, im Winter allerdings ist der Weg eine Skipiste und daher nicht entspannt begehbar. Wem anschließend die Fahrt nach Hause verständlicherweise schwer fällt, dem sei gesagt: Ein kleines Stückchen Allgäu können Sie auch jederzeit zuhause genießen – denn die Käserei in Gunzsried ist zwar traditionsbewusst, aber mit einem Online-Shop durchaus auch modern. Und schon sind sie wieder da, die schönen Erinnerungen.