16. Oktober 2014, 17:43 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Herrliche Bergpanoramen, saftige, grüne Wiesen, heimelige Atmosphäre: Schon immer war der Schwarzwald in Deutschlands sonnigem Südwesten beliebtes Reiseziel bei ausländischen Touristen. Doch es kommen nicht mehr nur Amerikaner, Schweizer oder Briten. Inzwischen haben auch Chinesen, Inder und Araber die Region zwischen Karlsruhe und Freiburg für sich entdeckt – und besonders Israelis. TRAVELBOOK fragte nach, warum sich die ganze Welt jetzt im Schwarzwald trifft.
Für Touristen hat Deutschland viel zu bieten: Hippe junge Leute aus alter Welt strömen in die Party-Metropole Berlin, andere zieht es nach Bayern, Köln oder Heidelberg. Doch in den vergangenen Jahren ist ein Ziel bei Besuchern immer beliebter geworden: der Schwarzwald. Immer neue Zuwächse verzeichnet die Branche in der Region: Nach den Rekordjahren 2012 (7,34 Millionen Besucher) und 2013 (7,4 Millionen) reisten von Januar bis Juni 2014 insgesamt schon 3,36 Millionen Urlauber in den Südwestzipfel Deutschlands. Tendenz: steigend.
Die deutschen Gäste stellen dabei zwar immer noch den Großteil (63 Prozent) – allerdings haben die ausländischen Besucher mit einem Anteil von 27 Prozent mächtig aufgeholt. Tatsächlich, so meldet die Schwarzwald Tourismus GmbH, sind die Zahlen ausländischer Touristen in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 60 Prozent gestiegen. Die Top 10 wird von den Schweizern angeführt, gefolgt von den Niederländern und Franzosen. Die übrigen Gäste kommen aus Belgien, dem Vereinigten Königreich, Italien, Russland, USA, Österreich und Luxemburg.
Mittlerweile haben die Tourismus-Manager allerdings ganz andere Länder im Blick: Asien mit China, den arabischen Golfstaaten und vor allem Israel. „Die Besucherzahlen von dort haben sich in den vergangenen Jahren verdreifacht“, sagt Wolfgang Weiler, Pressesprecher der Schwarzwald Tourismus GmbH, zu TRAVELBOOK. Mit 38.965 Gästen (ein Plus von 30,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) gelte Israel inzwischen als wichtigster Markt. Aus China kamen 36.712 Besucher (Zuwachs: 22,2 Prozent), aus den arabischen Golfstaaten 29.613 (Zuwachs: 45,4 Prozent).
Die ganze Welt trifft sich also im Schwarzwald – doch warum bloß? Für Wolfang Weiler keine Frage: „Der Schwarzwald ist eine der bekanntesten Destinationen. Filme wie ,Schwarzwaldmädel’ sind weltweit bekannt, die ,Schwarzwaldklinik’ ebenso. Und bei den Gebrüdern Grimm und ihren Märchen denken viele auch gleich an den Schwarzwald – obwohl sie aus Hanau in Südhessen stammen. Außerdem liegt der Schwarzwald einfach günstig, ist für europäische Besucher gut erreichbar.“
„Wir profitieren ganz klar vom Klischee“
Doch nicht nur das wissen die Gäste zu schätzen, weiß Weiler: „Der Schwarzwald steht für die Sehnsucht nach der heilen Welt, intakter Natur, herrlichen Landschaften und einem ausgeprägten Brauchtum.“ Will heißen: Bollenhut, Trachtenkleidern – und natürlich Kuckucksuhren. Weiler: „Wir profitieren ganz klar vom Klischee.“
Und das lieben die Touristen: Sie pilgern zum Titisee („ein Muss für Araber“) oder zum Schluchsee und decken sich mit Kuckucksuhren ein. Doch Vorsicht ist geboten: Wer sich keine Billig-Kopie „Made in China“ für 20 Euro an die Wand hängen will, sollte auf die Herkunft achten: „Der Preis für eine echte, kleinere Kuckucksuhr aus dem Schwarzwald fängt bei 100 Euro an. Größere, handgeschnitzte kosten auch schon mal bis zu 2000 Euro.“
Araber in die Klinik, Russen ins Casino
Neben dem Klischee und der Natur lockt der Schwarzwald auch mit anderen Trümpfen: „Die Russen lieben die Thermalbäder von Baden-Baden und begeben sich auf die Spuren russischer Zaren und Dichter wie Fjodor Dostojewski, Iwan Turgenjew, Lew Tolstoi.“ Prominenz aus Russland kam im 19. Jahrhundert gern in die kleine Stadt – allerdings nicht nur der Bäder wegen, sondern auch wegen der Spielcasinos.
Der Tourismus-Manager weiter: „Die Araber lassen sich gern in den Kliniken behandeln. Und die Israelis lieben Wellness und unser gutes Essen.“ Tatsächlich gibt es im Schwarzwald 356 ausgezeichnete Restaurants. Allein Baiersbronn wirbt mit 8 Michelin-Sternen, die höchste Dichte in Europa. Und nicht zu vergessen: die Schwarzwälder Kirschtorte.
Die kennt man sogar in Asien. „Wir freuen uns schon darauf, wollen sie unbedingt probieren“, sagt ein Besucher aus Indien. Und schwärmt weiter: „Wir hatten von den schönen Bäumen und Wäldern im Schwarzwald gehört. Es ist ein angenehm ruhiger Ort, um Urlaub zu machen.“ Als Souvenir wollen sie unbedingt eine Kuckucksuhr mit nach Hause nehmen.
Liat Zoldan ist aus Israel gekommen, zusammen mit ihren Großeltern, Eltern und Brüdern. Die Familie hat zwei Apartments angemietet. „Wir sind sehr, sehr zufrieden“, sagt sie. „Mir gefallen vor allem die kleinen Orte – dies ist eine der besten Reisen, die ich je gemacht habe.“ Auch der Vietnamese Quiquien Myen ist von seinem Urlaubsort begeistert: „Alles ist so grün und sauber.“
Eine weitere Attraktion für alle, die nicht nur auf Natur stehen, sondern sich auch amüsieren wollen, ist der „Europapark“ in Rust: Er ist der größte Freizeitpark im deutschsprachigen Raum und zog im vergangenen Jahr rund 4,9 Millionen Besucher an.
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Broschüre mit Verhaltenstipps
Hoteliers und Gastbetriebe haben sich auf die Besucher aus aller Welt eingestellt. Der Tourismusverband hat sogar eine Broschüre mit Verhaltenstipps für Gastgeber herausgegeben. „Gäste aus einem anderen Kulturkreis haben naturgemäß andere Wohlfühl-Vorstellungen. Der Gastgeber wird mit anderen Erwarnungen und anderen Ansprüchen und oftmals auch mit ihm fremden oder unerwartetem Verhalten zurechtkommen müssen“, schreibt Geschäftsführer Christopher Krull in seinem Vorwort.
Gastbetriebe können mit Hilfe einer Checkliste prüfen, ob sie geeignet sind, ausländische Gäste zu betreuen. Stichworte sind dabei: Aufgeschlossenheit, Vorbehalte, Flexibilität, um sich den Erwartungen anzupassen. Wichtig sind natürlich auch Fremdsprachenkenntnisse der Mitarbeiter. Ziel sei es, eine „Wohlfühlatmosphäre“ für die Besucher aus dem Ausland herzustellen. Empfohlen wird übrigens auch, sich im Vorfeld über den Kulturkreis zu informieren – allein schon, um Vorurteile und Fettnäpfchen zu vermeiden.
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Zimmer Nummer 4 für Chinesen tabu
Denn diese lauern überall. So sind etwa Zimmer mit der Nummer 4 für chinesische Gäste tabu: Die Vier nämlich gelte als „Unglückszahl“. Arabische Großfamilien werden hingegen gern in benachbarten Räumen untergebracht – und nicht getrennt durch lange Flure. Außerdem wichtig: Da arabische Gäste gern mal die Zimmertür offen stehen lassen, sollten sie freundlich darauf hingewiesen werden, sie lieber zu schließen, um Diebstähle zu vermeiden. Denn in solchen Fällen ist eine Haftung des Hotel- oder Pensionsbetreibers ausgeschlossen.
Und last but not least gelte wie sonst auch: Toleranz, Geduld und Verständnis ausstrahlen. Und Freundlichkeit. Denn lächeln ist eine Weltsprache…