1. August 2020, 12:58 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Es ist eine kleine, eigentlich unscheinbare Inselgruppe im Südatlantik, doch seit ihrer Entdeckung war sie Anlass für Streit und sogar einen Krieg: TRAVELBOOK erzählt die Geschichte der Falklandinseln, auf denen mehr Schafe als Menschen leben.
Rund 500 Kilometer vor der Südspitze Südamerikas liegt eine Inselgruppe mit einer großen Geschichte: die Falklandinseln oder Malwinen, wie manche sie auch nennen. Insgesamt umfasst das Archipel circa 200 Inseln, wovon die östliche und westliche Hauptinsel die größten sind. Auf einer Fläche von gerade einmal 12.000 Quadratkilometern leben hier etwa 2500 Menschen an einem Ort, an dem ursprünglich nicht einmal Bäume wuchsen – und der doch im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Anlass zu Streit und sogar kriegerischen Auseinandersetzungen gab.
Der niederländische Kapitän Sebald de Weerdt ist laut „Encyclopedia Britannica“ im Jahr 1600 der Erste, der eine Sichtung der Falklandinseln zweifelsfrei belegen kann, doch erst 90 Jahre später erhalten die beiden Eilande ihren Namen, als der britische Kapitän John Strong die erste nachgewiesene Anlandung unternimmt und die Inseln zu Ehren eines hochrangigen Royal Navy-Mitglieds auf dessen Namen tauft.
Die Falklandinseln unter britischer Herrschaft
In den Jahren 1764 und 1765 entsteht zunächst auf der östlichen Insel eine französische Kolonie, dann auf der westlichen eine britische. Nur fünf Jahre später jedoch werden die Briten von den Spaniern vertrieben, kehren 1771 zurück, doch verlassen schon 1774 die Falklandinseln aus eigenen Stücken wieder – zunächst jedenfalls.
1820 erklärt der gerade erst gegründete Staat Argentinien seine Souveränität über das Archipel, doch auch Großbritannien pocht plötzlich wieder auf seine vorher aufgegebenen Ansprüche. So übernehmen die Briten dank militärischer Unterstützung der US-Marine 1833 erneut die Herrschaft über die Inseln.
1885 leben fast 2000 Siedler hier, die meisten von der Schafzucht und dem Verkauf der tierischen Produkte. Diese frühen Siedler teilen sich die Inseln mit Millionen von Pinguinen und insgesamt etwa 65 Vogelarten, in den Gewässern schwimmen Wale und Delfine, Seelöwen und See-Elefanten.
Der Falklandkrieg kostete 1000 Menschen das Leben
Der Streit zwischen Argentinien und Großbritannien ruht bis 1964, als die Südamerikaner erneut Besitzansprüche an den Falklandinseln anmeldete. Sogar die UNO versuchte zu vermitteln – leider jedoch ohne definitiven Erfolg.
So wagt die argentinische Militär-Junta 1982 einen äußerst unüberlegten Schritt und besetzt die Falklandinseln – Großbritannien erklärt dem Land daraufhin unter der „Eisernen Lady“ Margaret Thatcher den Krieg und erobert die Inseln 74 Tage später „zurück“. Laut der offiziellen Webseite der Inseln verlieren im Falklandkrieg nahezu 1000 Menschen ihr Leben. Und obwohl beide Länder 1990 ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufnehmen, ist diese Zeit ein Thema, das dem argentinischen Volk bis heute auf der Seele brennt.
„Es war ein Massaker“
So nennt man in Argentinien die Inseln nicht Falklands, sondern Malwinen – wer den anderen Namen benutzt, macht sich schnell unbeliebt. Der in Berlin lebende Argentinier Matias Sempronii erklärt den Konflikt aus seiner Sicht: „Von argentinischer Seite aus war die Besetzung extrem schlecht geplant“, sagt er TRAVELBOOK. „Der damalige Präsident Galtieri schickte fast ausschließlich Kinder von 16 bis 18 Jahren in den Krieg, die keinerlei militärische Ausbildung hatten. Er wollte vom Parlament in seinem Amt bestätigt werden, und Argentinien hatte die Inseln ja immer schon für sich beansprucht. “
Dies wiederum habe Thatcher – auch sie wollte wieder gewählt werden – einen Vorwand geliefert, Stärke zu zeigen, und so entsandte sie mit Unterstützung der USA eine gewaltige Armee: Boote, Flugzeuge, U-Boote und sehr gut ausgerüstete Soldaten, mindestens die doppelte Truppenstärke von Argentiniens Streitkräften. „Was folgte, war im Grunde genommen ein Massaker“, sagt Sempronii.
Die Niederlage besiegelte letztlich auch das Ende von General Galtieri und der Militärdiktatur in Argentinien. „Es war die blutigste Diktatur in der argentinischen Geschichte, und eine der schlimmsten in ganz Südamerika“, erklärt Sempronii. „In dieser Zeit verschwanden 30.000 Menschen, von denen bis heute keiner weiß, wo sie geblieben sind.“ Was man jedoch sehr wohl wisse, sei, dass es unter dem Regime Entführungen, Folter und Mord gegeben habe. „Es war eine Zeit, in der alles, was man tat, verdächtig sein konnte.” Auch wirtschaftlich sei es mit dem Land zu dieser Zeit steil bergab gegangen, die Staatsverschuldung stieg massiv an.
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„Es ist etwas, mit dem man in Argentinien aufwächst“
Warum diese Tage dennoch bis heute die argentinische Volksseele umtreiben, erklärt Sempronii so: „Wir sind ein sehr leidenschaftliches Volk, und das betrifft sämtliche Aspekte unseres Lebens, im Guten wie im Schlechten. Aus der Sicht zahlreicher Menschen wurden uns die Inseln gestohlen. So viele Menschen reden immer noch davon, so viele Generationen, es ist etwas, mit dem man in Argentinien aufwächst.“
Sempronii sagt weiter: „Der Krieg an sich war so ungerecht und grausam, dass sich die Wunden bis heute nicht heilen ließen. So gibt es unter den damals an den Kämpfen Beteiligten in Argentinien eine Suizidrate, die bislang bereits mehr Opfer gefordert hat, als in den eigentlichen Auseinandersetzungen gestorben sind.“ Das Thema Malwinen sei aber auch bis heute ein Trauma, weil die Militär-Diktatur an sich eines gewesen sei. „Dennoch wird Argentinien, oder besser gesagt werden die Argentinier die Inseln immer als argentinisch betrachten.“
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Inselbewohner wollen zu Großbritannien gehören
Der Zorn des Volkes entzünde sich auch daran, dass Großbritannien bis heute mit den Inseln gute Geschäfte macht, zum Beispiel mit der Fischerei oder des vor der Küste gefundenen Erdöls. Besonders geschmerzt haben muss die Argentinier daher ein unter den Inselbewohnern 2013 abgehaltenes Referendum, bei dem sich nahezu sämtliche Einheimische dafür aussprachen, weiterhin ein britisches Übersee-Territorium zu bleiben.
Bis heute zahlt man auf den Inseln mit dem Falkland-Pfund, ein Äquivalent zur „Mutterwährung“, zahlreiche hier hergestellte Produkte werden hauptsächlich nach Großbritannien exportiert. Matias Sempronii glaubt nicht, dass es noch einmal zu kriegerischen Auseinandersetzungen um Südamerikas umkämpfte Inseln kommen wird: „Die Engländer werden ihren Anspruch an den Inseln niemals aufgeben. Dennoch glauben 99,9 Prozent meiner Landsleute immer noch, dass sie rechtmäßig zu Argentinien gehören. Ich persönlich denke, dass jede Form von Kolonialismus schlecht ist.“