5. Februar 2016, 13:27 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
Vier Tage Dauerregen, gesperrte Straßen und ein Zyklon – unser Autor hat auf den Azoren eine Woche Abenteuer pur erlebt. Zu den Höhepunkten zählten Badestopps in Wasserfällen, Walsichtungen – und Essen aus einem Vulkan.
Wenn ein Urlaub mit einer Enttäuschung beginnt, dann hat das zumindest ein Gutes: Es kann quasi nur noch besser werden. So geht es mir, als ich in Ponta Delgada lande, auf dem Flughafen der Azoren-Hauptinsel São Miguel. Mein Plan, das gesamte Azoren-Archipel in nur einer Woche zu besuchen, wird sich nicht verwirklichen lassen, denn zwischen den neun Inseln fahren im Winter kaum Boote, und fliegen ist so kurzfristig einfach zu teuer für mein eher knappes Budget. Also sieben Tage São Miguel, denke ich leicht frustriert und steuere mit meinem Mietwagen die nahegelegene Hauptstadt Ponta Delgada an.
Die Internationale Jugendherberge in der Rua São Francisco Xavier war früher mal ein Herrenhaus, ein beeindruckender Bau, und die Nacht für 14 Euro im sauberen Schlafsaal ist mehr als erschwinglich. Außerdem ist es ein wunderbarer Ort, um nette Menschen aus aller Welt kennen zu lernen, wobei die Deutschen die Insel zu dieser Jahreszeit fest im Griff zu haben scheinen.
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Auf den Azoren bestimmt das Wetter jedes Programm
Frisch ausgeruht und nach einem leichten Frühstück (im Preis mit drin) geht es dann am nächsten Morgen auf Entdeckungstour Richtung Mosteiros, dem nordwestlichsten Punkt der Insel. Die offizielle Tourismus-Webseite der Azoren wirbt mit unzähligen Aktivitäten, die man hier unternehmen kann, unter anderem Kanu und Kayak fahren, Mountainbiking, Gleitschirmfliegen, Golf, Segeln, Surfen oder auch Hochseeangeln – eines sollte jeder Reisende vor einem Azoren-Urlaub aber wissen: Das Wetter bestimmt hier das Programm, und bei meinem Besuch im Januar war das meist Regen und teilweise extrem dichter Nebel. So gibt es zwar an den Natur-Highlights, nämlich den Lagunen bei Sete Cidades, der Lagoa do Fogo und der Lagoa das Furnas wunderbare Aussichtspunkte, doch diese liegen wegen ihrer Höhe im portugiesischen Winter meist ertränkt in einer undurchdringlichen Nebelsuppe. Auch Wanderwege, die es an allen drei Seen gibt, machen dann wenig Sinn, und können wegen des Dauerregens sogar rutschig und gefährlich sein. Festes Schuhwerk ist auf der Insel in jedem Fall Pflicht.
Ganz anders die niedriger gelegenen Teile der Insel: Wunderbar grüne Hügel und eine raue urtümliche Landschaft begleiten mich auf meinem Weg, überall grasen gemächlich Kühe – von der Ilha Verde, also der grünen Insel, wie São Miguel auch genannt wird, kommt die beste Milch ganz Portugals. Ein weiterer ständiger Begleiter ist wie gesagt der Regen, der im Winter und Frühjahr in Portugal einfach mit zum Leben auf den Azoren gehört – ab spätestens Mai wird das Klima dann aber freundlicher. Beständig peitscht mir salzige Luft ins Gesicht, während das kristallblaue Meer mit einer unbeschreiblichen Urgewalt gegen die Küste brandet.
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Ein Cowgirl als Retterin
In den Städten Ferraria und Mosteiros gibt es faszinierende natürliche Schwimmbecken im Meer, die sich durch die vulkanische Aktivität gebildet haben, durch die auch die Azoren insgesamt entstanden. Je nach dem Stand der Gezeiten kann man dort bei entsprechendem Wetter baden, aber ich gehöre nicht zu den Hartgesottenen, die sich das im Januar getraut hätten. Als ich auf einer unbefestigten einsamen Bergstraße an einer besonders steilen Stelle am Hang das Auto nicht mehr gewendet bekomme, mache ich zum ersten Mal Bekanntschaft mit der portugiesischen Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit: Wie durch ein Wunder treffe ich auf eine Truppe Bauern, die gerade ihre Kühe verladen. Cowgirl Sofia versteht als einzige ein wenig Englisch und wendet mit ihren regennassen Gummistiefeln das Auto derart selbstverständlich und souverän, dass man für die Schamesröte auf meinem Gesicht wohl eine neue Farbskala einführen müsste.
Das nächste Reiseziel ist Furnas, quasi die Thermenhauptstadt der Insel mit mehreren heißen Quellen. Smaragdgrüne Wälder und tiefe Schluchten sind weitere Wahrzeichen der Insel, sowie auch ein bizarrer Mix aus Bäumen, Farnen und Palmen, der überall die Wege säumt. Die Terra Nostra-Therme in Furnas bietet neben den heißen Quellen auch noch einen wunderbaren botanischen Garten mit teilweise Jahrhunderte alten Pflanzen. Übrigens: Die Therme können Sie nach Betreten so lange nutzen, wie Sie möchten – gerade für Pärchen ist die Abendstimmung wohl eine romantische Möglichkeit zur gemeinsamen Entspannung (Eintritt: 6 Euro). Duschen kann man anschließend im Terra Nostra Garden Hotel – und mit entsprechend gefülltem Geldbeutel auch übernachten.
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Essen aus einem Vulkan
Der zweite Tag beginnt am Lagoa das Furnas, denn hier befindet sich ein Naturwunder, die Fumaroles: kleine dampfende Vulkankrater, in denen schwefelhaltiges kochendes Wasser lautstarkt blubbert – hier spürt man die Macht der Natur. Einzigartig ist der Cocido, ein Eintopfgericht, dass die Einheimischen in eben diesen heißen Quellen zubereiten, so etwas wie das Nationalgericht auf São Miguel. Eine weitere Azoren-Spezialität, die ich mir nach einem regennassen Spaziergang um die Lagoa das Furnas zum Frühstück gönne, sind Bolos Levedos: Süße Hefeteigfladen, die man nach Herzenslust belegen lassen kann – meine Empfehlung ist die Variante mit Thunfisch aus der Bäckerei von Gloría Moniz.
Dann geht es auch schon wieder baden, in der wohl schönsten aller Thermen, am Lagoa do Fogo, dem Feuersee. Wenn der Nebel einen um die schöne Aussicht bringt, ist die Caldera Velha eine großartige Alternative zu einer Wanderung: Gelegen in einem wunderbaren Stück Regenwald, findet man hier für nur zwei Euro Eintritt zwei heiße Quellen, von denen die obere von einem natürlichen Wasserfall gespeist wird.
Während meines Bades in eben dieser Quelle kommt eine geführte Touristengruppe in Winterjacken vorbei, und schon klicken die Kameras. Ich posiere bereitwillig wie ein domestizierter Seelöwe – dafür gibt es zwar keinen Fisch, aber bestimmt hänge ich jetzt in einigen Wohnzimmern. Ein paar Einheimische warnen mich dann noch, ein Zyklon namens „Alex“ sei im Anmarsch und werde die Insel in den nächsten Tagen treffen – auch solche Wetterkapriolen sind im Azoren-Winter leider nicht auszuschließen.
Vor Ausflügen immer die Wetteraussichten checken
Die Fahrt geht jetzt weiter geht nach Ribeira Grande, wo mit „Mulher de Capote“ eine berühmte Likörmanufaktur sitzt. Die Führung in dem Familienunternehmen ist kostenlos, und man kann beispielsweise dabei zusehen, wie Etiketten noch per Hand auf die Flaschen geklebt werden. Natürlich darf man auch sämtliche edlen Tropfen verkosten, während der sympathische Guide Tiago erzählt, mit dem inseleigenen Sahnelikör „Queen of the Islands“ werde man schon bald alle anderen Sahneliköre vom portugiesischen Markt verdrängen. Und das Tröpfchen schmeckt tatsächlich ziemlich lecker.
Obwohl der Regen das Auto regelrecht verprügelt und der Wind es heftig durchschüttelt, geht es am dritten Tag nach Nordeste, dem nordöstlichsten Punkt der Insel. Überall sieht man das Zerstörungswerk vom Zyklon „Alex“: umgeknickte Bäume, von Erdrutschen zerstörte Natur, sogar große Steine liegen ab und zu mitten auf der Straße, teilweise sieht man selbst mit Nebelscheinwerfern kaum 20 Meter weit. Informieren Sie sich vor jedem Ausflug am besten über die Wetteraussichten, denn es ist keine Seltenheit, dass Straßen aufgrund von Wetterumbrüchen gesperrt werden, weil das Passieren zu gefährlich wäre.
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Ein Hippiedorf ohne Strom und Wasser
Auf der Bergstraße nach Nordeste passiert dann auch genau das, und so entscheide ich mich für einen Cocido zu Mitagessen. Diese Art Eintopf besteht aus verschiedenen Sorten Fleisch und Wurst, Kartoffeln, Kohl und anderem Gemüse, das stundenlang gegart und anschließend in einer absurd großen Portion serviert wird. Wahrscheinlich sind die Portugiesen deshalb so unheimlich freundlich, weil sie stets so gut essen. An einem solch gnadenlosen Regentag empfiehlt sich dann beispielsweise ein Besuch in der faszinierenden vulkanischen Höhle „Gruta de Carvão“. Ein kilometerlanges Höhlensystem erstreckt sich unter der Insel, von dem längst nicht alles Teile erschlossen sind, doch für 5 Euro Eintritt bekommt man einen guten Eindruck – natürlich gesichert mit Helm und Taschenlampe. Wer mutig ist und eine längere umfassende Führung machen möchte, kann diese im Voraus buchen, bei meinem Besuch lag der Preis dafür bei 15 Euro.
Bei Sonnenschein besonders lohnenswert und faszinierend ist eine Fahrt entlang der Küste, wo es auch die am besten ausgebauten Straßen auf São Miguel gibt. Gemeinsam mit Jannick aus Köln entscheide ich mich für die nördliche Straße Richtung Mosteiros, wo wir mit spektakulären Ausblicken auf die malerische Steilküste belohnt werden. Wenn Sie Wanderungen mögen, dann laufen Sie den gut ausgeschilderten Weg bei Relva, der allerdings auf einem etwas unscheinbaren Parkplatz mit Aussichtspunkt beginnt. Ein fantastischer Weg führt hier an den Klippen hinab zum Meer, wo das kleine Aussteiger-Nest Rocha da Relva liegt. Kein Strom, kein fließendes Wasser, einfach nur ein paar Menschen, die keine Lust mehr auf die moderne Gesellschaft hatten. Die gesamte Wanderung dauert je nach Tempo knapp drei Stunden, und hier haben Sie dann auch die Chance, einen Bilderbuch-Sonnenuntergang über dem Atlantik zu sehen. Wer anschließend in Ponta Delgada gut essen möchte, dem empfehle ich die fantastischen Burger im „Mercado da Colmeia“ am Hafen.
Am Sonntag wiederum herrscht schönster Sonnenschein, als ich mich mit der Agentur Futurismo auf eine Tour begebe, um Delfine und Wale zu beobachten. Die 50 Euro Gebühr sind natürlich auf den ersten Blick erstmal happig, aber es lohnt sich: In den Gewässern vor den Azoren gibt es an die 30 Walarten und auch verschiedene Gattungen Delfine, die Inseln sind eines der Top-Beobachtungsreviere weltweit. Es gibt auch noch mehrere andere Anbieter, die teilweise günstiger sind, aber Ihren Favoriten finden Sie am besten selbst.
Die beste Jahreszeit, die Tiere zu beobachten, beginnt übrigens im Mai, aber ich habe trotzdem Glück: Schon nach kürzester Zeit taucht wirklich eine Schule fröhlicher Tümmler vor unserem Bug auf, und schon laufen die Kameras heiß, während die Tiere sich mit dem Boot eine Art freundschaftliches Wettschwimmen liefern. Dann eine ganze Weile angespanntes Warten, als plötzlich am Horizont in kurzem Abstand mehrere Wasserfontänen in den Himmel schießen – unverkennbar ein Wal. Der Kapitän dreht den Motor auf Anschlag und peitscht durch das raue Wellenmeer, und gerade sehen wir noch die Finne des Wals, bevor er abtaucht.
Jetzt werde er mindestens 40 Minuten unter Wasser sein, erklärt uns der Tourguide, ein ausgebildeter Meeresbiologe – Futurismo ist auf nachhaltige und artgerechte Tierbeobachtung spezialisiert. Die Wartezeit vertreiben wir und auf fantastische Art, indem wir wiederum eine Delfinschule mit bis zu 100 Tieren aufspüren, die keine Scheu zu kennen scheinen und geradezu für uns posieren. Und dann ist er da, ein wunderschöner Pottwal, den die Guides „Mr. Liable“ getauft haben, weil er so verlässlich immer wieder Touristen mit seinem Auftauchen begeistert. 10 Minuten gewährt er uns seine Gunst, und mit diesem Highlight endet auch die Tour. Den Rest des Tages verbringe ich wiederum in Furnas, in der Therme Poça da Dona Beija, die eher wie ein Spa anmutet. Hier bekommt man für 3 Euro Eintritt Zugang zu den vier Schwimmbecken, die von dem typisch braunen eisenhaltigen Wasser aus den Vulkanquellen gespeist werden. Mit einem Stempel auf der Hand kann man sogar die Therme verlassen, zum Beispiel für ein Essen, und umsonst wiederkommen.
Mein letzter Reisetag versinkt wieder in Regen und Nebel, und die einzige Trockenphase nutze ich in Faial da Terra zu einer Wanderung durch herrlichen Regenwald zu einem wunderschönen Wasserfall, dem Salto do Prego. Der Weg ist hier allerdings teilweise kaum erkennbar und besonders bei Regen nur mit festem Schuhwerk zu meistern, es geht hier sprichwörtlich über Stock und Stein – die Belohnung ist allerdings ein Wandertag vor unübertrefflicher Naturkulisse. Zudem handelt es sich um einen Rundweg, man kommt also bequem wieder bei seinem Auto an.
Irgendwie schaffe ich es dann über Nebenstraßen in stundenlanger Fahrt sogar noch ins sagenumwobene Nordeste – nur, um nach einem fünfminütigen Fotostop vor einer atemberaubenden Aussicht auf das sturmgepeitschte Meer wieder umzukehren. An guten Tagen gibt es hier unter anderem einen botanischen Garten sowie ein Vogel-Sanktuarium zu bewundern. All das werde ich mir bei meinem nächsten Besuch ansehen, denn der kommt sicher. Dieses Mal bestimmt im Sommer.