26. Juni 2024, 10:21 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die kleine Insel Sark zwischen Großbritannien und Frankreich gehört rein technisch gesehen bis heute der englischen Krone, ist aber gleichzeitig als unabhängiger Staat nicht Teil des Vereinigten Königreichs. Und es wird noch skurriler: Erst im Jahr 2008 wurde hier die Demokratie eingeführt. Davor verwaltete eine Reihe sogenannter „Seigneurs“ jahrhundertelang die letzte Feudalherrschaft in Europa.
Gut 30 Kilometer entfernt von der britischen Küste liegt Sark, eine der sogenannten Kanalinseln zwischen Großbritannien und Frankreich. Gerade einmal 2,4 Kilometer lang und 4,8 Kilometer breit, ist sie die vielleicht skurrilste Insel in ganz Europa. Und das liegt nicht nur daran, dass hier bis heute keine Autos fahren (dürfen). Nein, die gerade einmal etwa 500 Einwohner von Sark haben erst im Jahr 2008 per Wahl die Demokratie eingeführt. Bis dahin lebten sie jahrhundertelang friedlich unter einer der letzten Feudalherrschaften der Welt.
Der sperrige Begriff bezeichnet laut der „Bundeszentrale für politische Bildung“ ein System, welches in West- und Mitteleuropa bereits etwa seit dem 10. Jahrhundert angewandt wurde. Konkret bedeutet es, dass ein Machthaber Land an ihm getreue Gefolgsleute zur Nutzung weiter gibt. Diese verpflichten sich ihm im Gegenzug dafür zur Loyalität, kämpfen im Ernstfall sogar auch für ihn. Sie selbst verfügen wiederum über Untergebene, meistens einfache Bürger wie Bauern, die ihnen Abgaben leisten müssen. Die Geschichte von Sark und seiner Herrscher beginnt bereits Jahr 1565.
Adlige als Inselherrscher
In diesem Jahr kommt laut der offiziellen Webseite der Insel der Adlige Helier de Carteret mit 40 seiner Gefolgsleute auf Sark an. Von der britischen Königin Elizabeth I. hat er höchstpersönlich den Auftrag bekommen, die Insel zu bevölkern und zu kultivieren. Gleichzeitig bekommt er die Aufgabe, den Außenposten der Monarchie gegen Angriffe von Piraten und französische Invasoren zu verteidigen. Dafür erhält de Carteret von der Queen den Titel des „Seigneur“, also des machthabenden Lehnsherren. Einen Posten, den es bis heute auf Sark gibt.
De Carteret also teilt die Landfläche der Insel unter seinen 40 Anhängern auf. Diese sind zwar selbst keine Hochgeborenen, aber wohlhabende Landbesitzer. Fortan erheben sie auf Sark nach eigener Willkür und Gutdünken Steuern, legen Gesetze fest. Und obwohl ihre Untergebenen bereits ab dem 17. Jahrhundert immer wieder gegen das bereits damals antiquierte System aufbegehren, hält es sich hier so lange wie an keinem anderen Ort in ganz Europa. Nämlich bis zum Jahr 2008, als die Einwohner bei einer offiziellen Abstimmung die Demokratie als neue Regierungsform wählten.
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Demokratie erst seit 2008
Die offizielle Seite von Sark betont aber, dies sei nicht etwa geschehen, „weil das System der Feudalherrschaft zerbrochen wäre“. Vielmehr habe man der Gemeinde damit dienen wollen, sich international geltenden Menschenrechten und „anderen Gesetzen“ anzunähern. Seitdem haben der „Seigneur“ und seine Vasallen, allesamt Nachfolger der ursprünglichen Dynastie, einen Großteil ihrer Macht eingebüßt. So verkleinerte man schließlich das gesetzgebende Inselparlament von 52 auf nur noch 28 Sitze. Wichtiger noch, die Hälfte der Abgeordneten stammt seitdem aus dem „einfachen Volk“.
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Seit der Abstimmung kann sich auch jeder Bewohner der Insel, unabhängig von Status und Abstammung, zur Wahl stellen. Und auch wenn Sark heute keine Feudalherrschaft mehr hat, stellt es einen politischen Sonderfall dar. Denn obwohl es technisch gesehen bis heute der britischen Krone untersteht, ist es kein Teil des Vereinigten Königreiches, sondern ein unabhängiges Überseegebiet. Noch heute zahlt übrigens laut „Terra X“ der „Seigneur“ eine Pacht an das englische Königshaus. Diese wurde nie inflationsbereinigt und beläuft sich daher auf gerade einmal 1,79 Britische Pfund. Umgerechnet entspräche das aktuell 758 Pfund, etwa 900 Euro – auch das eine ziemlich moderate Summe, oder?
Als eine der Kanalinseln war der Flecken jahrhundertelang zwischen Großbritannien und Frankreich umstritten. Während des Zweiten Weltkrieges besetzten dann deutsche Soldaten Sark für fünf lange Jahre. Das Budget der Inselregierung beläuft sich laut dem „Guardian“ auf weniger als eine Million Pfund jährlich. Die Hälfte dieser Einnahmen stammen aus Steuern, die andere aus dem zarten Tourismus vor Ort. Wie auf den anderen Kanalinseln Jersey, Guernsey, Alderney und Herm auch findet man hier einen faszinierenden Mix aus englischer und französischer Kultur. Heute leben nicht einmal mehr 500 Menschen auf Sark.