24. November 2017, 10:50 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die Isla Coiba vor der Küste von Panama ist scheinbar eine wahre Trauminsel – aber blickt zurück auf eine schreckliche Vergangenheit. Unzählige Menschen wurden hier mutmaßlich von der ehemaligen Militärdiktatur ermordet. Noch heute fehlt von den meisten Opfern jede Spur, weshalb man sie nur „Los Desaparecidos“ nennt – „Die Verschwundenen“.
Etwa 50 Kilometer vor der Küste von Panama liegt im Golf von Chiriquí die Insel Coiba, die gemeinsam mit 38 Inseln den Coiba Nationalpark bildet – auf den ersten Blick ein wahrhaft paradiesischer Ort mit weißen Puderzuckerstränden und Palmen, umgeben von kristallblauem Wasser. Und nicht nur das, Coiba beheimatet auch den größten unberührten Regenwald von ganz Zentralamerika, von dem etwa 80 Prozent vom Menschen bisher völlig verschont geblieben sind.
Aber Coiba birgt auch ein dunkles Geheimnis, denn von 1919 bis 2004 war die Insel Heimat für Panamas berüchtigtstes Gefängnis. Wie auf der Webseite des „Coiba National Park“ nachzulesen ist, waren hier mehr als 85 Jahre phasenweise die gefährlichsten Kriminellen des Landes eingesperrt. Und auch in einem noch viel düstereren Kapitel hat Coiba eine Hauptrolle gespielt. Während der Millitärdiktaturen von Omar Torrijos (1968-81) und Manual Noriega (1983-1989) wurde der Inselknast zum Lager für politische Gefangene umfunktioniert, die bald nur noch einen Namen hatten: „Los Desaparecidos“ – „Die Verschwundenen“.
Mutmaßlich wurden viele dieser Menschen hier ermordet, nachdem man sie in den 30 über die Insel verstreuten Camps interniert hatte. Laut „Coiba National Park“ wurden wohl nicht wenige Opfer eines besonders grausigen Schicksals: Man warf sie den Haien zum Fraß vor, die die Gewässer rund um Coiba zahlreich bevölkern. Die anderen wurden in unmarkierten Gräbern anonym bestattet, und noch heute kämpfen viele Angehörige darum, wenigstens zu erfahren, was mit ihnen damals passierte.
Wie die Zeitung „Crítica“ berichtet, sei die Regierung von Panama aber wenig an einer Aufklärung interessiert. Das Einzige, was man zugesagt habe, sei der Bau eines Monuments für die Verschwundenen sowie die Aufnahme des entsprechenden Lehrstoffs in die Schulbücher des Landes. Ricardo Santiago Morales, ein Sprecher der angehörigen Familien, sagte der Zeitung: „Im Leichenhaus der Gerichtsmedizin und Forensischen Wissenschaften haben wir 60 Kisten mit Überresten von Menschen, die in der Provinz von Chiriquí und auf der Isla Coiba gefunden wurden. Wir hoffen, damit einige Opfer zu identifizieren.“
Nach dem Ende der Schreckensherrschaft des Militärs wurden die Anlagen wieder als Gefängnis genutzt, bis 2004 der Inselknast geschlossen wurde und man die verbliebenen Gefangenen in andere Anstalten verlegte. 2005 erklärte man die Insel dann laut „BBC“ zum UNESCO-Welterbe – nicht wegen des Gefängnisses natürlich, sondern aufgrund der urspünglichen Regenwälder, die zum Beispiel Heimat für fast 100 Vogelarten sind – 20 davon kommen sogar weltweit nur hier vor, wie auf der Webseite des „Coiba National Park“ nachzulesen ist. So hat die Isolation der Insel während der Existenz des Gefängnisses zumindest der Natur genutzt.
Die alten Gefängnisgebäude verfallen derweil immer mehr, und so ranken sich mittlerweile zahlreiche Legenden und Geistergeschichten um den ehemaligen Insel-Knast im Paradies. Wie die Webseite „Misterios“ berichtet, habe einmal ein Häftling versucht, von Coiba zu fliehen, weil er während seines Aufenthalts dort permanent von Geistern heimgesucht worden sei. Eine Heimsuchung ganz anderer, realer Art seien heute aber laut „BBC“ die zahlreichen Kreuzfahrtschiffe, die die Isla Coiba wegen ihrer Unberührtheit mittlerweile ansteuern. Auch Übernachtungen sind dort möglich, wenn auch bisher nur in der Rangerstation der Insel.
Auf der Webseite des Nationalparks sind deshalb auch für jedermann lesbar Verhaltensregeln aufgeschrieben, die bei einem Besuch zu beachten sind. Coiba mag zwar eine dunkle Vergangenheit haben, aber man will offenbar alles dafür tun, dass die Zukunft der Insel strahlend sein wird.