17. Juli 2022, 15:05 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Isla de Perejil ist ein fast komplett kahler Felsen vor der Küste von Marokko. Menschen leben dort nicht, nur ab und zu ließen früher Bauern ihre Ziegen auf der Insel weiden. Trotzdem entbrannte in der Vergangenheit zwischen Spanien und Marokko ein erbitterter Streit um die Herrschaft über das Eiland. Dieser gipfelte sogar schon in einer militärischen Auseinandersetzung.
Wenn man ein gutes Beispiel dafür suchen würde, wozu menschliche Sturheit führen kann, muss man nur einen Blick auf die Straße von Gibraltar werfen. Die Meerenge liegt zwischen Spanien und Marokko, und hier wiederum befindet sich ein kleiner, völlig unbedeutender Felsen, die Isla de Perejil, auf Deutsch: Petersilieninsel. Nie war dieses kleine Eiland bewohnt, trotzdem entbrannte vor genau 20 Jahren ein erbitterter Streit, der sogar in einer militärischen Auseinandersetzung gipfelte.
Die Isla de Perejil ist ein nahezu vegetationsloser, etwa 500 Meter langer nackter Felsen. Sie liegt gut 200 Meter entfernt von der marokkanischen Küste, die autonome spanische Stadt Ceuta befindet sich in einer Distanz von acht Kilometern. Wegen ihrer geologischen Beschaffenheit kam sie laut der spanischen Zeitung „El Plural“ nie für eine Besiedlung infrage. Einzig in paar Bauern nutzten in der Vergangenheit die Insel, um ihre Ziegen hier weiden zu lassen. Doch seit dem Jahr 2002 darf niemand mehr die Isla de Perejil betreten.
Wie ein Kinderstreit um ein Spielzeug
Denn genau vor 20 Jahren eskalierte zwischen Spanien und Marokko ein bereits lange schwelender Streit um die Frage, welcher Staat denn nun die Herrschaft über die Isla de Perejil, diesen kahlen Stein im Meer, habe. Beide Länder beanspruchten die Souveränität lautstark für sich, bis der Disput in einer bewaffneten Konfrontation eskalierte. Und das alles wegen einer Insel, die für keine der Nationen irgendeinen strategischen Wert hat.
Um die absurde Geschichte genauer zu erklären, greift „El Plural“ ein paar Jahre zurück. 1999 verschlechterten sich die diplomatischen Beziehungen zwischen Spanien und Marokko, als König Mohamed VI im Juni den Thron bestieg. Die beiden Länder lagen in zahlreichen Fragen bereits länger im Clinch, unter anderem über die Fischereirechte in der Straße von Gibraltar. Schon 1995 hatte Spanien zudem Anspruch auf die Isla de Perejil erhoben und behauptet, sie gehöre zum Territorium der Stadt Ceuta. Diese ist ihrerseits wiederum eine autonome spanische Stadt auf afrikanischem Boden.
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Die Situation eskaliert
Die zunehmend offene Auseinandersetzung der beiden Länder führte schließlich dazu, dass Marokko im Oktober 2001 seinen Botschafter aus Spanien abzog. In diesem aufgeheizten Klima spitzte sich der Konflikt am 11. Juli 2002 schließlich dramatisch zu, als 12 Angehörige der marokkanischen Marine die Isla de Perejil besetzten. Offiziell handelte es sich dabei um eine Aktion gegen Drogenschmuggler. Doch die Soldaten hissten als Zeichen ihres Anspruches auch die marokkanische Flagge auf dem nackten Felsen.
Die Situation eskalierte endgültig, da ein spanisches Patrouillenboot die Aktion beobachtete. Die Soldaten betraten nur ihrerseits die Isla de Perejil, um ihre marokkanischen Gegenüber zum Rückzug aufzufordern. Diese weigerten sich nicht nur, sondern bedrohten die Spanier mit Waffengewalt, und zwangen sie so zum Rückzug. Es dauerte nicht lange, bis die spanischen Soldaten Meldung an ihre Basis gemacht hatten, und sich die Nachricht der Besetzung der Isla de Perejil wie ein Lauffeuer bis in die spanische Regierung verbreitete.
Unblutige Besetzung
Es folgten Tage zäher verbaler Verhandlungen, in denen Spanien Marokko immer wieder aufforderte, sich von der Insel zurückzuziehen. Am 16. Juli 2002, also fünf Tage nach der Besetzung, startete laut der Seite des Radionsenders „Cope“ die Militäroffensive Romeo-Sierra. Unter anderem wurden die Städte Ceuta und Melilla mit Truppen verstärkt und mehrere Kriegs-Fregatten in die Gewässer vor der Isla de Perejil beordert. Am 17. Juli dann kam es zu einer „Rückeroberung“ durch Spanien, als aus der Luft und vom Wasser aus spanische Soldaten die Insel angriffen. Ob der Übermacht der Invasoren kam es jedoch zum Glück nicht zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.
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Ein Symbol menschlicher Sturheit
Die marokkanischen Soldaten nahm man zunächst fest, und brachte sie noch am selben Tag in ihre Heimat zurück. Was folgte, war ein mehrtägiges zähes Ringen um das zukünftige Schicksal der Insel, in dem sogar die USA als Vermittler eingeschaltet wurden. Das Ergebnis fiel absolut bizarr aus: Man entschied sich, zum status quo ante bellum zurückzukehren. Hieß im Klartext, alles blieb so, wie es vorher war. Beide Länder sahen sich also weiterhin jeweils als rechtmäßige Besitzer der Isla de Perejil. Aber sie verpflichteten sich in einem gemeinsamen Friedensvertrag, dass ab sofort niemand mehr die Insel betreten dürfe.
Was auf der Weltbühne als diplomatischer Erfolg gefeiert wurde, hatte aber ganz reale Auswirkungen auf zahlreiche Menschen in dem marokkanischen Dorf Bel Yunech. Seitdem dürfen sie nicht mehr, wie seit vielleicht Jahrhunderten, ihre Ziegen auf der Isla de Perejil weiden lassen. Die Insel bleibt unterdessen, was sie immer schon war: ein nahezu kahler, strategisch völlig unbedeutender Felsen im Meer. Doch seit 2002 ist sie auch ein Symbol dafür, wozu menschliche Sturheit führen kann.