13. Mai 2019, 7:37 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Koh Rong Sanloem ist eine 24,5 Quadratmeter große Insel im Süden Kambodschas und gilt als die ruhige kleine Schwester der Backpacker-Insel Koh Rong. TRAVELBOOK-Autorin Anna Wengel hat die Trauminsel besucht. Ruhig ist sie – und erschreckend zugemüllt.
Allein sein kann so schön sein. Keiner stört mich hier auf dem Meer. Badewannenwarmes Wasser füllt meine Hängematte für einen Moment. Eine Katze maunzt. Mini-Wellen platschen gegen ein Holzboot. Sonst ist nichts zu hören. Es ist ruhig. Friedlich. Genau so habe ich mir das vorgestellt. Und überhaupt nicht dran geglaubt.
Koh Rong Sanloem sieht tatsächlich aus wie auf Instagram. Nichts mit „Realität für das perfekte Bild zurechtschieben bis es passt“. Nichts mit „warten, bis sich die Menschenmassen irgendwie um einen leeren Fleck herumquetschen“. Da ist kein Mensch, der das Bild stört. Na gut, einer vielleicht.
Kambodschas Koh Rong Sanloem ist eine Trauminsel
Komisch eigentlich. Die Frau an der Bambus-Rezeption meiner Ein-Raum-Strandhütte hat mir Horrorvorstellungen von mit Leibern und Dingen zugemüllten Stränden ins Hirn gemalt. „Total voll” soll es auf der Insel sein. Beim Blick über den Strand der Saracen Bay sehe ich davon nichts. Die Touristenmassen müssen woanders sein – oder ist mein Maßstab für voll einfach ein anderer? Bis auf ein paar verknallte Honeymooner, zwei Kinder, deren wachsamen Eltern und einem Yogi, der sich mit geschlossenen Augen durch seinen Sonnengruß meditiert, kann ich niemanden entdecken. Wenn DAS das südkambodschanische Verständnis von Touristenmassen ist, möchte ich bitte für immer hierbleiben, denke ich, und drücke Koh Rong Sanloem einen gedanklichen Trauminsel-Stempel auf.
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Was auch sonst. Ich darf hier in einer Bambushütte wohnen, die vielleicht 15 Meter vom Meer entfernt ist. Und die ist trotz Inselfülle nicht mal fürchterlich teuer. Mein Bambus-Zuhause steht auf einem weißen Sandstrand. Links und rechts Palmen, Hängematten und Schaukeln, die jedes Hippieherz höherschlagen lassen. Hinter den überschaubaren Resorts und Gästehäusern erstreckt sich ein dichter Dschungel, der fast die ganze Insel einnimmt und anscheinend Heimat giftiger Schlangen ist. Ja, so hab ich mir das vorgestellt. Nur das mit der Sauberkeit nicht. Von Asien Müllmassen gewöhnt erscheint Koh Rong Sanloems Oststrand fast ein bisschen unwirklich. Kann es sein, dass die gehypte Paradiesinsel der einzige Ort Kambodschas ist, der eine Musterlösung für das Müllproblem gefunden hat? Leider nein.
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Müllhalde hinter dem Touristenparadies
Irgendwo führt ein Miniweg vom Strand weg in den Dschungel. Den Kopf voll mit Schlangenwarnungen laufe ich in den dichten Wald, begleitet vom Gezwitscher sicherlich aufregender Vogelarten. Hangaufwärts stolpert es sich hier in den Dschungel, immer wieder durch kleine und große Eidechsen vom Laufen abgelenkt. Und plötzlich ist es still. Der Wald ist weg. Eine riesige fast freie Fläche erstreckt sich links neben mir. Ein Baumfriedhof voll mit tausenden Stümpfen. Hangabwärts laufe ich über und gegen Baumreste und Felsbrocken. Erschrocken und den Gedanken an eine Kulisse für „Game of Thrones“ oder irgendeinen Zombiefilm nicht aus dem Kopf kriegend. Gar nicht mal so paradiesisch hier.
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Das scheint irgendjemand mal anders gesehen zu haben. Vor mir steht ein Haus. Einsam, verwahrlost. Die fensterlosen Rahmen notdürftig mit Fliegengitter abgedeckt, das sich bereits an mehreren Stellen löst. Eine Zigarettenpackung auf dem sonst leeren Boden. Von der breiten Terrasse aus hat der Eigentümer einen traumhaften Blick: Dschungelreste, durch die man das türkisfarbene Meer in der Nähe sehen kann. Wohnen will er hier anscheinend trotzdem nicht. Anders ein paar andere Inselbewohner, die sich ein paar Meter entfernt aus riesigen Tüchern ein kleines Stoffdorf gebaut haben. Unbegeistert, dass ich durch ihren riesigen, baumlosen Vorgarten laufe, reicht schon ein durchdringender Blick eines Bewohners und ich trolle mich. Weiter Richtung Strand, denn insgeheim hoffe ich auf eine kleine Bucht mit Strand und ganz ohne Menschen.
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Die finde ich. Und bin schockiert. Müll. Überall. Die kleine Sandbucht vor mir ist nicht nur ein bisschen vermüllt. Badelatschen, Zahnpastatuben, BHs, Kämme, Puppen – ein Relikt vergangener Urlaube liegt hier auf, neben und unter tausenden anderen, tote Fischen dazwischen. Vom Strand ist wenig zu sehen.
So löst Koh Rong Sanloem also sein Müllproblem. Plötzlich wirkt der, bis aufs letzte Taschentuch gesäuberte, Vorzeigestrand im Osten der Insel gar nicht mehr so paradiesisch. Koh Rong Sanloem gar nicht mehr so sehr Herr über sein Müllproblem. Langsam kratze ich den gedanklichen Trauminsel-Stempel wieder ab und entscheide, dass ich meinen Plastikverbrauch ab sofort drastisch eindämme.