17. Juni 2018, 9:11 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Auf Lånan im Vega-Archipel vor der Küste Norwegens dreht sich alles um Eiderenten und deren wertvolle Daunen. Seit Jahrhunderten hegen und pflegen die Inselbewohner die Wildtiere. Besucher haben beschränkten Zugang.
Das Lachen kann sich Erik Nordum nicht verkneifen, als er auf die Reihe unscheinbarer Holzkisten zeigt. „Die Ansammlung nennen wir scherzhaft das Entengetto von Lånan.“ Die Verschläge im hohen Gras sind teils windschief – Bruthäuschen der Eiderenten.
Um die Osterzeit flattern sie paarweise auf das Eiland kurz vor dem Nordpolarkreis und suchen sich Brutplätze: Holzverschläge, klein wie ein Umzugskarton oder so groß wie eine Hundehütte. Die Menschen auf Lånan haben diese Nisthäuschen im März vorbereitet.
Bewohner bewachen die Enten
Die Entenweibchen legen bis zu sechs Eier, die sie etwa 28 Tage lang ausbrüten. Sieben Wochen kümmern sich die Enteneltern um ihren Nachwuchs. Die Leute auf Lånan haben ein waches Auge über die Entenfamilien. Seeadler und Nerze sind die natürlichen Feinde.
Um die Mittsommerzeit im Juni verlassen die Enten mit ihrem flugfähigen Nachwuchs die 800 Meter lange und 500 breite felsige Insel im Vega-Archipel, 30 Kilometer nordwestlich von Vega im Nordatlantik gelegen. „Rund 800 Enten hatten wir im vergangenen Jahr, die Population ist relativ stabil“, sagt Hildegunn Nordum, 61, die mit ihrer Familie seit Generationen mit und von den Eiderenten lebt.
Wegen dieser weit über 1000 Jahren bestehenden, einzigartigen Partnerschaft zwischen den wild lebenden Eiderenten und den Menschen wurde das Vega-Archipel mit der Insel Lånan 2004 als erstes norwegisches Kulturlandschaftsgebiet in die Unesco-Liste des Natur- und Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.
„Die Eiderenten sind recht wählerisch. Manchmal dauert es zehn Jahre, bis ein neu gebautes Haus angenommen wird“, sagt Entenvater Nordum, 59. Warum? Das weiß niemand auf Lånan. Rätselhaft bleibt auch, weshalb manche Entenpaare zur Brutzeit ein Einfamilienhaus beziehen, andere aber die Gemeinschaft mit anderen Enten bevorzugen. Wenn die Tiere die Insel verlassen haben, werden die wertvollen Eiderdaunen aus den Nestern gesammelt und zu – im wahrsten Sinne des Wortes – federleichten Daunendecken verarbeitet.
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Wenn die Enten weg sind, kommen die Touristen
Wenn die Enten mit ihrem Nachwuchs Lånan verlassen haben, beginnt die Saison für Touristen. Im Juli und August legt das Passagierschiff „Kingen“ in Nes auf Vega zum Ausflug nach Lånan ab. Während der Wanderung vorbei an den Bruthäuschen berichten die Inselbewohner von ihrem Leben mit den wilden Eiderenten. Kaffee und Waffeln werden zum Abschluss der Tour in der kleinen Museumsscheune aufgetischt.
Auf Vega suchen die Besucher vergebens nach Eiderenten – und sind enttäuscht. „Schon in den 1920er Jahren sind die Enten hier verschwunden“, erzählt Tor-Kristian Lindrupsen, 34, vom Entenmuseum E-Huset. Damals seien amerikanische Nerze auf Vega eingewandert, sie hätten den Entenbestand stark dezimiert.
Heutzutage bietet das E-Huset in Nes viele historische Bilder und Dokumente sowie Gerätschaften aus der Inselwelt vor der Küste Nordnorwegens. Ebenfalls lohnt der Besuch im Unesco-Welterbezentrum Lille Lånan (Klein Lånan), das Besuchern Einblicke in die streng geschützte Tier- und Pflanzenwelt der 6500 Schäreninseln vor der Helgelandküste gibt. Lediglich 80 der kleinen und kleinsten Inseln sind bewohnt, einige wie Lånan nur während der Sommermonate.
Im Sommer komplett ausgebucht
Vega ist die Hauptinsel des 1037 Quadratkilometer großen Archipels vor den beiden Küstenstädten Brønnøysund und Sandnessjøen, rund 900 Kilometer von Oslo entfernt. Nur etwas mehr als 1200 Einwohner leben hier. Milchbauern, Schweinezüchter, Fischer.
„Mit der Ernennung zum Unesco-Weltkulturerbe im Juli 2004 wurden die Inseln auf einen Schlag bekannt“, berichtet Tourismuschefin Hilde Wika. Auf Vega gibt es Übernachtungsmöglichkeiten in Privatzimmern und auf einem Campingplatz. Das „Havhotell“ in Viksås ist das einzige Hotel auf der Insel und im Sommer Wochen im Voraus ausgebucht.
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Angesichts der gestiegenen Gästezahlen auf Vega ist Tourismusmanagerin Wika besorgt um die Zukunft der Insel, einer Zukunft zwischen sensibler Natur und gewinnbringendem Tourismus. Probleme bereiten die Touristen mit Wohnmobilen, die an den schönsten Plätzen Vegas mitunter Müll hinterlassen. Radfahren, Wandern, Hochseeangeln und Kajakfahren in der Welt der Schäreninseln, dafür bietet Vega reichlich Gelegenheiten.
Im Entenmuseum E-Huset hat Tor-Kristian Lindrupsen inzwischen seine Führung mit den Touristen beendet und fragt abschließend: Wie teuer ist wohl eine Daunendecke von Lånan? Niemand kennt die richtige Antwort. Der Museumsleiter: „Ab etwa 4000 Euro aufwärts. Sie sollten jetzt anfangen, dafür zu sparen.“
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Norwegens Vega-Archipel – die Infos
Anreise: Mit dem Flugzeug von Deutschland über Amsterdam, Kopenhagen oder Oslo-Gardermoen bis Trondheim. Von dort mit der Regio-Airline Widerøe bis Brønnøysund. Von dort mit dem Leihwagen zur Autofähre, Route 18-152 Horn-Igerøy auf die Hauptinsel Vega. Die Überfahrt dauert 50 Minuten. Alternativ die Fähre Kiel-Oslo, Kopenhagen-Oslo oder Frederikshavn-Oslo nehmen, und von Oslo in rund 15 Stunden zum Fährhafen Horn bei Brønnøysund. Oder von Trondheim mit dem Hurtigruten-Postschiff bis Brønnøysund und weiter mit Leihwagen.
Reisezeit: Mai bis September. Einige Naturschutzgebiete sind während der Brutzeit (15. April bis 31. Juli) für Besucher gesperrt.
Währung: 1 Euro sind etwa 9,50 Kronen (Stand: 8. Juni 2018). Auch kleine Beträge lassen sich in Norwegen mit Kreditkarte bezahlen.
Unterkünfte: Doppelzimmer im Hotel kosten pro Nacht zwischen 1390 und 1790 Kronen (146 bis 188 Euro). Ferienwohnungen gibt es ab etwa 700 Kronen pro Nacht (74 Euro).