10. Mai 2019, 7:45 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Vor 200 Jahren wurde Wyk auf Föhr zum Seebad. Heute setzen die Einheimischen auf der Nordseeinsel auf friesische Traditionen ebenso wie auf neue Angebote.
Nur 82 Quadratkilometer groß ist die Insel vor Schleswig-Holsteins Westküste. Breite Strände, salzige Luft und das Wattenmeer: Das sind die Dinge, die Urlauber anlocken. Im Windschatten von Sylt und Amrum gelegen, ist die Nordsee bei Föhr ruhiger als anderswo, das zieht vor allem Familien an, sagt Walter Stubenrauch vom Nationalpark-Haus Föhr. Seit mehr als 30 Jahren führt der Biologe Besucher ins Watt.
Genau 200 Jahre ist es her, dass der Land- und Gerichtsvogt Hans Friedrich Carl von Colditz die Inselhauptstadt Wyk zum Seebad erklärte. Im Frühjahr 1819 gründete Colditz mit wohlhabenden Mitstreitern eine Aktiengesellschaft. Mit deren Startkapital wurden ein Haus mit vier Badewannen für Warmbäder sowie drei Badekarren angeschafft. „Ein frühes Start-up, wenn man so will“, sagt Ulrike Wolff-Thomsen, Direktorin des Museums Kunst der Westküste.
Namhafte Gäste badeten schon hier
Föhr gehörte damals zu Dänemark, dessen erstes Seebad Wyk war. König Christian VIII. reiste an, mit ihm sein Hofstaat, und mit dem Adel kamen auch Künstler: die Schriftsteller Theodor Fontane und Theodor Storm und der Komponist Johann Strauß zum Beispiel. „Ich habe jeden Tag gebadet, und ich muss sagen, dass es das unvergleichlichste Wasser ist“, schwärmte Märchendichter Hans Christian Andersen.
Im Museum Kunst der Westküste im Dorf Alkersum zeigt eine Ausstellung noch bis Mitte Juli Werke aus der 200-jährigen Seebadgeschichte – und bietet Raum für Fragen: Welche touristischen Wege will Föhr gehen?
Föhr ist einzigartig
„Es ist wichtig, das Einzigartige von Föhr hervorzuheben“, sagt Marion Koziol, die vor ein paar Jahren ein Friesenhaus auf der Insel gekauft und renoviert hat. Blau-weiße Kacheln zieren das Esszimmer, es gibt Badewannen statt Duschen, „weil das früher halt so war“. Man könne Traditionen zwar modifizieren, damit sie dem Geschmack heute entsprechen, so Koziol. „Aber es darf nicht alles Mainstream werden.“
Mit Traditionen kennen sich die Föhrer aus. Viele Einheimische sprechen Platt oder Fering, wie die friesische Sprache auf der Insel genannt wird. Frauen tragen bei Feiern ihre Trachtenkleider und silbernen Brustschmuck. Die Dörfer schmücken sich mit Windmühlen, Reetdachhäuschen und ganz besonderen Friedhöfen.
Südlich von Süderende, im Schatten der backsteinernen St. Laurentii-Kirche, stehen zum Beispiel „sprechende Grabsteine“, wie Markus Thiessen sie nennt. „Schon vor Jahrhunderten war es üblich, in Inschriften und symbolischen Motiven etwas über den Verstorbenen zu erzählen“, sagt der Steinmetz, der an diese Tradition anknüpft. „Wer etwas von sich hielt, gab schon zu Lebzeiten Grabsteine in Auftrag, die prächtigsten hatten den Gegenwert eines ganzen Hauses.“ Auch neue symbolträchtige Grabsteine schmücken deshalb nun die alten Friedhöfe. Oft zeigen sie das, was Föhrer und Urlauber gleichermaßen schätzen: das Meer, die Küste und den weiten Horizont.
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Bierbrauer auf der Insel
Lange geheim halten konnte Volker Martens sein Hobby nicht. Als der gelernte Tischler damit anfing, Bier zu brauen, sprach sich das auf Föhr rasch herum. „Zunächst wollten Freunde mein Bier testen, dann kamen Anfragen von Gastronomen und Hofläden“, erzählt Martens. Anfang 2019 ging sein „Biar Brauhüs“ an den Start. „Regionalität und lokale Produkte werden den Menschen immer wichtiger, Einheimischen und Touristen“, sagt er.
Seine Heimatverbundenheit drückt Martens schon auf dem Etikett aus. „Hünjmots“ soll sein Bier heißen, friesisch für Pilz. Ein Bild zeigt den Strand im Südwesten Föhrs: die Wellen der Nordsee, den Himmel, an dem sich Wolken zusammenbrauen, Dünengras im Wind.