8. Februar 2025, 7:25 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
In dem Dorf Vrontados auf der griechischen Ägäis-Insel Chios ist jedes Jahr zum orthodoxen Osterfest die Hölle los. Und das ist für viele Bewohner wörtlich zu nehmen, denn aufgrund einer skurrilen Tradition beschießen sich dann zwei benachbarte Kirchen mit zehntausenden Feuerwerksraketen – während die Messe stattfindet. Immer wieder gibt es dabei Verletzte oder gar Tote. Doch da das Spektakel Touristen in Massen anzieht, lebt der sogenannte „Rouketopolemos“, der „Raketenkrieg“, weiter.
Ganz klar, das Osterfest gehört weltweit zu den Höhepunkten im Kalender christlicher Feiertage. Doch auf der nordägäischen Insel Chios, die zu Griechenland gehört, gibt es einen Ort, an dem sich viele Menschen nicht gerade darauf freuen dürften. Denn pünktlich zum orthodoxen Ostern bricht in dem Dorf Vrontados die Hölle los. Alle Jahre wieder wird hier eine besonders skurrile und besonders gefährliche Tradition zelebriert. Gemeint ist der „Rouketopolemos“, was man wohl in etwa mit „Raketenkrieg“, übersetzen könnte. Der Name ist Programm, denn dann beschießen Anhänger zweier benachbarter Gotteshäuser den Kirchturm des „Gegners“ mit zehntausenden, zum Teil selbst gebauten Feuerwerkskörpern.
Übersicht
Laut „Atlas Obscura“ geht der Brauch des Rouketopolemos wohl zurück bis in das 19. Jahrhundert, als Griechenland sich noch unter der Herrschaft des Ottomanischen Reichs befand. Besonders bizarr: Wo heute Raketen fliegen, wurden demnach bis 1889 echte Kanonen benutzt. Wo der Ursprung der gefährlichen Tradition liegt, lässt sich heute nicht mehr klar nachvollziehen. Die „Regeln“ des Raketenkrieges, sofern es überhaupt welche gibt, lassen sich recht einfach zusammen fassen: Mitglieder der beiden Kirchen Aghios Marko und Panaghia Erithiani, die etwa 400 Meter voneinander entfernt liegen, beschießen den jeweils anderen Kirchturm mit Raketen – und das, während in den Gebäuden selbst gerade die Messe gefeiert wird.
Ziel des Rouketopolemos: Die „gegnerische“ Kirchenglocke
Ziel des Rouketopolemos ist des, die „gegnerische“ Kirchenglocke möglichst oft zu treffen und damit zum erklingen zu bringen. Während der absurden Prozedur feuern beide Parteien insgesamt bis zu 80.000 Raketen ab. Für viele Bewohner von Vrontados, die nicht von dem Spektakel begeistert sind, ist das jedes Jahr aufs neue ein Horror. Denn immer wieder kommt es im Zuge des Raketenkrieges zu Verletzungen oder gar Todesfällen. Menschen, die in der Nähe einer der beiden Kirchen wohnen, versuchen zudem, ihre Häuser notdürftig vor Kollateralschäden durch verirrte Feuerwerkskörper zu schützen. Der Seite „Euronews“ zufolge wurde das Fest in der Vergangenheit daher mitunter schon offiziell verboten.
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Von Behörden untersagt
So untersagten örtliche Behörden im Jahr 2016 den Rouketopolemos, der Effekt hielt sich jedoch in Grenzen. Demnach seien auch in diesem Jahr noch mindestens 20.000 Raketen zwischen den beiden Kirchtürmen hin- und hergeflogen. Besonders skurril: Beim Raketenkrieg auf Chios geht es vielen Teilnehmern offenbar tatsächlich um ein gewisses Vergnügen. Denn es gibt in dieser Schlacht niemals einen offiziellen „Sieger“. Beide Seiten erklären sich alle Jahre wieder selbst zum Gewinner. Nur um sich dann auf die nächste Konfrontation vorzubereiten. Auch 2024 fand der Rouketopolemos wieder statt, und im Netz wird für 2025 schon jetzt der 19. April als Datum des „Feiertages“ genannt.
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Kein Ende der skurrilen Tradition in Sicht
Was für viele Bewohner von Chios und besonders Vrontados ein absurder und gefährlicher Brauch ist, spült Jahr für Jahr wieder ordentlich Geld in die Kasse anderer. Denn natürlich ist der Rouketopolemos auf Griechenlands fünftgrößter Insel ein Besucherhighlight, das jedes Mal wieder Touristen sowie Fernsehteams aus aller Welt in Scharen anzieht. Doch auch die örtliche Feuerwehr steht dann bereit, um die Schäden für das Dorf an sich so gering wie möglich zu halten. Der Raketenkrieg findet nun schon seit mindestens 135 Jahren immer wieder in der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag statt. Und wird wohl auch in Zukunft weiter toben.