27. Mai 2014, 14:29 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Eine Initiative auf Sardinien wirbt für eine Angliederung der Insel an die Schweiz, als 27. Kanton. Was klingt wie ein Scherz, ist von Initiator Andrea Caruso durchaus ernst gemeint. Der Sarde bekommt sogar regen Zuspruch: Mehr als 12.000 Fans hat seine Facebook-Gruppe „Canton Marittimo“ bereits. Und die Schweizer begrüßen den Vorstoß.
Wenn Italiens Regierung die wirtschaftliche Lage im eigenen Land nicht in den Griff bekommt, gliedern wir uns doch einfach einem anderen, reicheren Land an, wo die Dinge besser funktionieren.
So lautet der Grundgedanke, der den sardischen Zahnarzt Andrea Caruso vor zwei Jahren zur Gründung seiner Bewegung „Canton Marittimo“ trieb. Seine Forderung: Sardinien soll sich von Italien abspalten und zum 27. Kanton der Schweiz ernannt werden. Zusammen mit einem Freund gründete er die gleichnamige Facebook-Seite, die mit einer Mischung aus der Schweizer und der sardischen Flagge und allerlei Posts um Anhänger wirbt.
Zu internationaler Bekanntheit brachte es die Initiative aber erst vor drei Monaten bei den Regionalwahlen in Italien. „Wir haben die Sarden dazu aufgerufen, ihre Stimmzettel mit dem Schriftzug ‘Canton Marittimo‘ ungültig zu machen“, erklärt Initiator Andrea Caruso im Telefonat mit TRAVELBOOK. Dadurch seien italienische und später auch Schweizer Medien auf seine Bewegung aufmerksam geworden. Jüngster Coup von „Canton Marittimo“: Auch bei den Europawahlen am vergangenen Sonntag sollten unzufriedene Sarden den Stimmzettel ungültig machen. Nach Aussage von Caruso sind exakt 16.876 Wähler diesem Aufruf gefolgt – immerhin 1 Prozent der Gesamtbevölkerung Sardiniens.
Die Zahl der Facebook-Fans ist seit Februar sprunghaft angestiegen, inzwischen sind es fast 13.000. Bei einer Online-Petition auf „change.org“ unterzeichneten bereits fast 4000 Menschen für eine Angliederung Sardiniens an die Schweiz.
Caruso wehrt sich gegen Medienberichte, wonach „Canton Marittimo“ lediglich eine „Scherz-Initiative“ sei. Man meine das Ganze durchaus ernst. „Unser Plan ist es, uns vom politischen System Italiens komplett abzuspalten.“ Eine Partei will Caruso deshalb nicht gründen. Man wolle eine Volksbewegung bleiben und Sardinien durch die Abspaltung von Italien auf einen neuen, besseren Weg führen. Die Schweiz sei für das Vorhaben perfekt geeignet, da sie unabhängig und wirtschaftlich stabil sei und eine moderne Marktwirtschaft habe. Beide Länder würden von einer Angliederung der Mittelmeerinsel profitieren – Sardinien vom wirtschaftlichen Aufschwung, und die Schweiz bekäme endlich einen Anschluss ans Meer.
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Und was hält die Schweiz von den Plänen?
Die Schweizer Regierung wollte sich auf TRAVELBOOK-Nachfrage nicht zu der Initiative äußern. Ein Sprecher des Schweizer Kantons Basel erklärte, man habe am Rande von den Plänen gehört, es sei aber fraglich, wie ernst das zu nehmen sei. Schließlich müsste sich Sardinien dann zuerst von Italien lossagen, was ein sehr langwieriger Prozess sei.
Andrea Caruso gab gegenüber TRAVELBOOK zu, dass man zur Schweizer Regierung noch keinen direkten Kontakt aufgenommen habe. „Zuerst muss ein klarer Wille der sardischen Bevölkerung erkennbar sein“, sagt er. Man sei aber in regem Kontakt mit mehreren Schweizer Medien, um auf das Projekt aufmerksam zu machen. Außerdem intensiviere man gerade die wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen zur Schweiz.
Die Schweizer Bevölkerung jedenfalls scheint von dem Gedanken, ein Mittelmeer-Kanton dazuzubekommen, begeistert zu sein. Das Schweizer Online-Portal „bluewin.ch“ startete eine Umfrage unter ihren Lesern. Mehr als 5000 stimmten bisher ab – die überwältigende Mehrheit von 94 Prozent ist dafür, Sardinien in die Schweiz aufzunehmen.
Ob es jemals zu ernsthaften Verhandlungen über eine Angliederung der Insel an die Schweiz kommen wird, ist allerdings mehr als fraglich. Andrea Caruso zeigt sich trotzdem optimistisch. Schließlich geht es ihm bei seiner Aktion auch darum, ein Zeichen zu setzen und auf die Missstände in Italien aufmerksam zu machen.