9. Juli 2019, 7:51 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die Insel Eigg gehört seit mehr als 20 Jahren ihren etwa 100 Bewohnern. Wie es dazu kam, was ein despotischer Vorbesitzer damit zu tun hatte, und warum Eigg heute ein internationales Vorzeigemodell in Sachen Energiegewinnung ist – TRAVELBOOK erzählt die Geschichte.
Es war der 4. April 1997, als die Bewohner der kleinen schottischen Insel Eigg unbemerkt vom Rest der Welt Geschichte schrieben – und zwar ihre eigene Geschichte, denn sie hatten soeben in einer Auktion den Zuschlag für das nur 31 Quadratkilometer große Eiland bekommen. Die Folge: Seitdem gehört Eigg Island seinen etwa 100 Bewohnern. Die Geschichte beginnt aber schon viel früher und zwar im Jahr 1966.
Damals verkaufte laut „Guardian“ der britische Lord Runciman die Insel Eigg Island an einen walisischen Farmer. Dieser veräußert sie schon fünf Jahre später seinerseits wieder, und so hinterließen wechselnde Besitzer ihre Spuren auf der Insel – und an deren Bevölkerung. Das dunkelste Kapitel von Eigg begann wohl 1975 unter seinem damals neuen Besitzer Keith Schellenberg, einem Geschäftsmann und ehemaligem olympischen Bob-Fahrer.
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Vom Retter zum Despoten
Schellenberg wird zunächst als Heilsbringer gefeiert, setzt zahlreiche Häuser wieder instand, schafft Arbeitsplätze, holt Touristen auf die Insel. Aber er zeigt auch schon früh seine Marotten, betrachtet Eigg als eine Art Privat-Spielplatz, wo er mit Vorliebe in seinem Rolls Royce herumfährt und seine aristokratischen Freunde bewirtet – derweil lebt immer noch die Mehrheit der Inselbewohner in Armut und ohne Strom.
1980 jedoch wurde Schellenberg von seiner zweiten Frau geschieden, die für einen Großteil des Geldes verantwortlich war, das er auf Eigg investieren konnte. Arbeit wurde fortan völlig nach der Willkür Schellenbergs vergeben und wieder gekündigt, so dass die Bewohner keinerlei Sicherheit mehr hatten. Schon bald tat sich eine tiefe Kluft zwischen ihm und den Insulanern auf: Er bezeichnete sie als Hippies, sie betrachteten ihn zunehmend als Despoten.
Ein Spendenaufruf und ein Brand
Geplante Golf- und Tennisplätze wurden niemals gebaut, der zart aufkeimende Tourismus kam wieder zum Erliegen. 1991 schließlich wurde der „Isle of Eigg Heritage Trust“ gegründet, mittels dem die Inselbewohner einen öffentlichen Spendenaufruf starteten: Sie wollten ihre Insel dem ungeliebten Tyrann Schellenberg abkaufen. Der hielt zunächst aber weiterhin an Eigg fest, im Januar 1994 schließlich brannte unter niemals geklärten Umständen ein Schuppen ab, in dem sich sein geliebter Rolls Royce befand.
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Der Aufruf zur Spende für Eigg und die ungewöhnliche Geschichte um den Inselstreit sorgten derweil für ein gewaltiges Medienecho, und so kam tatsächlich genügend Geld zusammen, das Eiland schließlich zu kaufen. In den Jahren dazwischen hatte noch ein weiterer unbeliebter Besitzer seine Spuren auf Eigg hinterlassen, ein obskurer deutscher Künstler und angeblicher Professor, der sich selbst Maruma nannte und die Insel 1995 von Schellenberg erworben hatte.
Zurück in die Zukunft
Seit dem schicksalhaften Tag im Jahr 1997 nennen die Einwohner ihre Heimat manchmal selbst scherzhaft „Volksrepublik von Eigg“, denn seit nunmehr gut 20 Jahren treffen sie alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam, verwalten die Insel zusammen. Die wohl bedeutsamste fiel 2008, als man sich entschied, das laut „Zeit“ damals weltweit erste Energienetzwerk zu installieren, das komplett mit Ökostrom aus Wind-, Wasser- und Sonnenenergie arbeitet.
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Heute blüht auf Eigg wieder ein zarter Tourismus auf, es kommen tausende Besucher jährlich. Es gibt eine eigene Mikrobrauerei, ein Hotel und sogar ein Musikfestival: das „Howlin‘ Fling“. Naturfreunde kommen wegen der spektakulären Landschaft, gekrönt vom Berg An Sgùrr, sowie der zahlreichen Seevögel, die man hier beobachten kann. Viele zieht auch einfach die Ruhe hierher, wie den Fotografen Danny North, der die Insel 2016 besuchte, wobei die bewegende Bilder-Serie „As I found her“ entstand.
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Der Doktor kommt einmal die Woche
Nicht wenige, die einst zu Besuch kamen, sind sogar für immer geblieben. In einem Interview mit „CBS“ sagte einer zu den Gründen unter anderem, dass es hier keinerlei Verbrechen gäbe – auf einer Insel mit nur etwa 100 Einwohnern kenne man eben jeden. Eigg muss übrigens vollständig durch Versorgungsschiffe verpflegt werden, beim Entladen der Boot helfe dann die gesamte Insel mit. Der Doktor kommt ebenfalls per Schiff, und zwar einmal die Woche von der Nachbarinsel Skye – sofern das Wetter es erlaubt.
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Um die Menschen von Eigg zu unterstützen, kann übrigens jeder jederzeit eine Spende über die Insel-Webseite machen. Damit sollen unter anderem vier neue Häuser entstehen, das Gemeindezentrum renoviert sowie die Versorgung mit Feuerholz für alle Bewohner gesichert werden. Besucher können auf Eigg unter anderem Fahrrad oder Kayak fahren und natürlich wandern.