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19. Februar 2025, 6:55 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Auf einem Felsen vor der Küste von Bali thront der beeindruckende Tempel Tanah Lot. Er ist einer von sieben heiligen Schreinen im Meer rund um die Insel und hat sich zu einem besonderen Touristenmagneten entwickelt. Das liegt vermutlich an der Legende, die den heiligen Ort umgibt. Und die hat einen ziemlich realen Hintergrund, der wohl so manchem Besucher einen kalten Schauer über den Rücken jagen dürfte. Auf einer kürzlichen Reise hat unser Autor den Tempel für Sie besucht.
Als meine Freundin kürzlich vorschlug, den Beginn des neuen Jahres einfach mal auf Bali zu schwänzen, war ich aus verschiedenen Gründen sofort begeistert. 30 Grad und Inselfieber statt dem zu dieser Jahreszeit normalerweise dauergrauen Berlin. Jeden Tag frischer Fisch und Saft von exotischen Früchten. Traumhafte Strände, tiefgrüner Dschungel, und, nicht zuletzt, ehrwürdige, jahrhundertealte Tempel. Von denen gibt es auf dem vorwiegend hinduistisch geprägten Bali unzählige, doch mich interessierte vor allem ein ganz besonderer: Ein im Meer auf einem Felsen gelegener heiliger Ort namens Tanah Lot. Und wie es der Zufall, beziehungsweise das Schicksal, wollte, lag genau dieser Tempel nur unweit von Canggu, unserer ersten Station auf der Reise.
Übersicht
Tanah Lot faszinierte mich schon, seit ich bei TRAVELBOOK vor einigen Jahren darüber das erste Mal geschrieben hatte. Ein von den Hindus verehrter Tempel, der genauso gut als glaubwürdige Kulisse in einem „Indiana Jones“-Film auftauchen könnte. Nachdem ich nun tatsächlich im Januar 2025 dort war, kann ich sagen: Der Anblick im echten Leben ist noch viel verblüffender und erstaunlicher als auf den zahlreichen Bildern, die von Tanah Lot im Netz kursieren. Und dann ist da noch eine Legende um einen heiligen Mann, der den Tempel erbaut haben soll. Und diese hat mit Schlangen zu tun. Mit sehr, sehr giftigen Schlangen. Und genau diese Tiere „bewachen“ das Heiligtum bis heute.
Jahrmarkt statt Besinnlichkeit
Doch der Reihe nach. Nur wenige Tage nach unserer Ankunft machte ich mich also mit meiner Freundin auf den Weg zum Tempel Tanah Lot. Je nach Verstopfungsgrad der in dieser Region quasi dauerhaft verstopften Straßen braucht man dorthin mit dem Taxi oder Motorroller zwischen 25 und 40 Minuten. Ersteres kann man sich in jeder größeren balinesischen Stadt dank der Apps „Grab“ oder „Gojek“ bestellen. Es dauert mitunter weniger als eine Minute, bis die Fahrer da sind, und zumindest in Canggu schien eigentlich jeder für einen der beiden Dienste zu arbeiten. Ein weiterer Vorteil: Die Taxista bieten sich nicht selten noch während der Fahrt als Privat-Chauffeure an, die man überaus günstig auch tageweise buchen kann.
Bei der Ankunft erlitten wir aber erst einmal einen mittelschweren Schock. Denn statt eines ruhigen Ortes mit andächtiger, heiliger Stimmung erwartete uns eine Art skurriler Jahrmarkt. Auf dem riesigen Parkplatz, auf dem Reisebusse ganze Ladungen von Touristen entließen, reihte sich eine Souvenirbude an die andere, die genau dieselben beliebigen Andenken verkaufen wie auf dem Rest der Insel auch. Restaurants, in denen das angebotene Essen auf Bildern dargestellt war (Alarmstufe Rot, unbedingt meiden, egal wo auf der Welt), komplettierten das traurige Zerrbild von Tanah Lot, dass ich mir in der Blaupause meiner Gedanken vorher als so inspirierend angelegt hatte.
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Biblischer Wolkenbruch
Das Meer und der Tempel selbst waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in Sichtweite, und so kauften wir etwas missmutig die Eintrittskarten, mit 75.000 Indonesischen Rupien pro Person (gut 4,40 Euro) immerhin sehr erschwinglich. Die Stimmung stieg dann aber, als wir zu dem eigentlichen Tempel-Komplex gelangten, denn Tanah Lot ist nur eine Anlage unter vielen hier, wenn auch die mit Abstand bedeutendste. Ein wunderschöner, gepflegter Küsten-Landschaftspark erwartete uns. Auf schroffen Felsen im Meer mehrere kleinere und größere Schreine, der Ausblick auf die Brandung vor dem mit dunklen Regenwolken verhangenen Himmel dramatisch.
Leider war die einzige Information, die man zu Tanah Lot und dem gesamten Komplex finden konnte, eine sehr dünne Broschüre. Und diese gibt eigentlich auch nur Auskunft über den Standpunkt der Sehenswürdigkeiten am Ort. Zum Glück gelang es uns, einen etwas unmotivierten Local Guide einzufangen, der eigentlich gerade Feierabend machen wollte. Zu diesem Zeitpunkt nieselte es bereits bedrohlich. Nur ein Vorgeschmack auf den biblischen Wolkenbruch, der noch kommen sollte. Was der Mann uns in der Folge erzählte, deckte sich mit den Informationen, die ich bereits für meinen TRAVELBOOK-Artikel über Tanah Lot recherchiert hatte.
Ganz besondere Tempelwächter
Demnach scheint Tanah Lot etwa im 15. Jahrhundert entstanden zu sein. Das berichtet auch die offizielle Tourismusseite von Bali. Demnach kam zu dieser Zeit ein heiliger Mann namens Dang Hyang Nirartha von der Insel Java nach Bali. Sein Ziel war es, den Hinduismus zu verbreiten, und damit machte er sich nicht nur Freunde. Denn als er Beraban erreichte – das Dorf, wo Tanah Lot schließlich entstand – verbannte ihn der Dorf-Oberste Bendesa Beraban schon nach kurzer Zeit wieder. Er war zerfressen von Eifersucht, denn „seine“ Bürger ließen sich sehr schnell von den Lehren des Priesters überzeugen.
Der friedliche Prediger folgte der Anweisung und verließ Beraban tatsächlich. Allerdings nicht so, wie es sich der „Bürgermeister“ vorgestellt hatte. Denn anstatt zu verschwinden, versetzte Nirartha einfach kurzerhand einen Felsen in das Meer vor dem Ort – und baute sich dort einen Tempel: Tanah Lot. Er ist einer von insgesamt sieben Tempeln, die man heute noch vor Balis Küste findet. Und doch ist Tanah Lot der wohl meistbesuchte Tempel Balis und eine der größten Touristenattraktionen der Insel. Denn Nirartha baute sich der Legende nach nicht einfach nur ein Heiligtum, er legte sich auch ganz besondere Wächter zu.
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Missachtung durch Touristen
Mittlerweile schüttete es wie aus Kübeln, und wir waren endlich am Ziel unseres Ausflugs angekommen. Jedoch blieb es bei unserem Besuch bei einem Foto-Termin aus der Distanz, denn die Flut klang gerade erst ab, und Tanah Lot ist nur bei Ebbe überhaupt zu erreichen. Dann kann man als Besucher den Felsen, auf dem der Tempel steht, umrunden. Auswärtigen ist das Betreten balinesischer Heiligtümer generell untersagt. Das sei nicht immer so gewesen, sagte uns später ein Taxifahrer. Doch dank des ungebührlichen Verhaltens einiger weniger Touristen habe man sich schließlich zu diesem Schritt entschlossen.
Und genau dieses Verhalten ließ sich dann mitunter sogar live beobachten. Vor allem in Form doch sehr freizügig gekleideter Damen, die vor der Kulisse von Tanah Lot eigentlich nur sich selbst möglichst spektakulär in Szene setzen wollten. Und das, obwohl sowohl im Netz als auch am Eingang unzweideutig darum gebeten wird, dem heiligen Ort angemessene Kleidung zu tragen, und in jedem Fall Schultern und Knie zu bedecken. Dass wir allerdings dem Tempel nicht betreten konnten, stimmte mich nicht etwa traurig, sondern beruhigte mich. Denn ich weiß nicht, wie nahe ich den Wächtern von Tanah Lot im Zweifelsfall gerne gekommen wäre.
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TRAVELBOOK-Autor vor Ort Lohnt sich ein Besuch in Balis angesagtem Urlaubsort Canggu?
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Übersicht Bali – die schönsten Reiseziele und besten Tipps
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Auf Bali „Gate of Heaven“ – warum das Fotomotiv ein totaler Fake ist
Schlangen als Touristenmagnet
Gemeint sind damit unzählige Seeschlangen von der Art Bungarus Candidus, zu Deutsch Blauer Krait. Und deren Gift ist in etwa dreimal so gefährlich wie das der Königskobra. Sie leben noch heute in den zahlreichen kleinen und großen Höhlen, die die Gewalt des Meeres über Jahrhunderte in den Fels gegraben hat, auf dem Tanah Lot steht. Von den Einheimischen werden sie als Wächter des Tempels verehrt, die ihn wiederum gegen einen Meeres-Dämon, ebenfalls in Gestalt einer riesigen Schlange, beschützen. Der Sage nach erschuf der heilige Mann sie aus seinem Schultertuch.
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Bei Ebbe liegen auch die Höhlen, in denen die Schlangen leben, über Wasser. Immer beaufsichtigt durch einen einheimischen Schlangenbeschwörer, können Besucher die Tiere dann fotografieren. Und trotz der Tatsache, dass die Tempel-Schlangen potenziell so gefährlich sind, findet man nirgends im Netz Berichte über Angriffe der Tiere auf Menschen. Aber man muss ja nichts riskieren. Ich war auch so zufrieden, hatte meine Bilder im Kasten, auf denen Tanah Lot im Regen aussah wie die dunkle Festung eines Raubritters. Stattdessen sah ich mir nun bei Weltuntergangs-Regen in einem benachbarten Café die niedlichen Musangs an – jene Tiere also, die durch den bloßen Akt ihrer Verdauung den weltweit mittlerweile so begehrten „Katzenkaffee“ produzieren. Oder, wie die Einheimischen etwas abfällig sagen, „Cat-Poo-Cino“.
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Schließlich erfuhren wir von unserem Guide noch, dass Tanah Lot einer Regengottheit geweiht ist. Und plötzlich machte auch der wirklich apokalyptische Wolkenbruch wieder Sinn. Wir wurden sozusagen nur gebührend empfangen, das war alles. Das Ende der Legende um den Hindu-Priester Dang Hyang Nirartha erzählt im Übrigen, dass bald auch sein alter Widersacher Bendesa Beraban sich ihm anschloss. Ein Happy End, das den Weg ebnete für eine der heute größten Touristenattraktionen Balis.