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Verlassener Ferienort auf Mittelmeerinsel

Die tragische Geschichte von Zyperns Geisterstadt Varosha

Varosha auf Zypern
Hinter der Barrikade liegt Varosha – Menschen dürfen nur mit einer Genehmigung das militärische Sperrgebiet betreten Foto: Getty Images
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TRAVELBOOK Redaktion

5. August 2021, 14:30 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Bis 1974 Jahren war Varosha das größte Urlaubsparadies von Zypern. Sogar Elizabeth Taylor lag hier schon am Strand. Doch dann marschierten türkische Truppen in den Norden der Insel ein – und aus dem einst blühenden Ferienort wurde eine verlassene Geisterstadt, abgesperrt von einem Stacheldrahtzaun. Vor Kurzem gelangte Varosha wieder in die internationalen Schlagzeilen, wenn auch aus einem unschönen Anlass. TRAVELBOOK erzählt die Geschichte der einstigen Blütestadt.

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Zypern ist die Insel der Aphrodite. Die Schöne entstieg hier dem schäumenden Meer, weshalb sie die „Schaumgeborene“ genannt wird. Auch Zeus verbindet man mit Zypern, sowieso manchen anderen großen Namen der griechischen Götterwelt. Wer schon einmal auf der Insel war, kennt all die Mythen und Märchen, denn diese werden hier sehr gut gepflegt. Weil es nun mal wunderschöne Geschichten sind. Und vielleicht auch, weil die jüngere, sehr bewegte Geschichte der Insel so wenig Erfreuliches zu bieten hat – und man lieber die Bilder einer Schaumgeborenen heraufbeschwört als die von Stacheldraht.

Um den kommt man auf der Insel indes kaum herum. Zumindest nicht, wenn man sich in den Norden begibt. In Nikosia, der letzten geteilten Hauptstadt der Welt, fühlt man sich ein bisschen wie im Berlin zur Zeit der Mauer, sobald man die Seiten wechselt: vom griechischen in den türkischen Teil – vorbei an Polizisten und Maschinengewehren, an Sandsäcken und Stacheldraht, an Graffitis und kaputten Fassaden.

Sophia Loren hatte in Varosha eine Villa

Doch während man in Nikosia den Grenzstreifen seit einigen Jahren passieren kann, geht es in Varosha (auch Varosia oder Maraş) am Stadtrand von Famagusta (Gazimagusa) keinen Schritt weiter. Was wird hier, wenige Kilometer östlich der Hauptstadt an der Küste so gut geschützt? Eine gespenstische Ferienanlage gigantischen Ausmaßes, die seit der türkischen Invasion des nördlichen Teils der Insel den Dornröschenschlaf schläft.

Varosha auf Zypern
Wann der Stacheldraht entfernt und Varosha wiederbelebt wird, ist ungewiss Foto: Getty Images

Gebaut wurde die Anlage in den 1960er-Jahren. Damals entwickelte sich gerade der Massentourismus auf der Insel. Am konsequentesten tat er das in Varosha, wo der Sand besonders fein und das Wasser besonders warm und azurblau war. Mehr als 100 Hotels und Apartmenthäuser, 21 Banken, 24 Theater und Kinos sowie rund 3000 kleinere und größere Läden zählte der Ort in seinen besten Tagen. Es war die Côte d’Azur Zyperns: Elizabeth Taylor saß hier unterm Sonnenschirm, Sophia Loren hatte eine Villa am Strand.

45.000 Menschen flüchteten aus Varosha

Im Jahr 1973 erwirtschaftete Varosha mehr als die Hälfte der Gesamteinnahmen des Tourismusgewerbes auf der Insel. Tendenz steigend: 380 neue Gebäude – Hotels, Restaurants, Geschäfte – waren bereits in Bau. Allerdings sollten sie nie Urlauber begrüßen und beherbergen dürfen.

Denn wenige Monate später marschierten türkische Truppen im Norden der Insel ein. Der Zypernkonflikt eskalierte – und aus Varosha flüchteten 45.000 Menschen. Noch heute sieht man an den Fassaden die Einschusslöcher aus den Kämpfen von damals. Doch im Gegensatz zu anderen Gebieten des Nordens, wo sich vertriebene türkische Zyprer und Einwanderer aus der Türkei ansiedelten, blieb Varosha unbewohnt.

Bedrohte Schildkröten brüten am Strand

Stattdessen zog man einen Zaun hoch und erklärte das frühere Urlaubsparadies zum militärischen Sperrgebiet. In den letzten Jahrzehnten wurde die Hotelstadt zwar immer mal wieder als Pfand und potentielles Tauschobjekt gehandelt. Doch andere touristische Zentren hatten sich auf der Insel bereits entwickelt und waren mindestens so erfolgreich wie einst Varosha.

Wer die Stadt heute mit Sondergenehmigung besuchen darf, könnte glauben, eine Atombombe hätte hier einst alles Leben ausradiert. In vielen Häusern sieht man noch, dass sie die Einwohner Hals über Kopf verließen: Kochtöpfe verrosteten auf Herdplatten, Matratzen modern auf Bettgestellen. In einem Autohaus stehen „Neuwagen“ zum Verkauf, Baujahr 1974.

Ein verfallenes Haus in Varosha
Ein verfallenes Haus in Varosha Foto: Getty Images

Zwischen den verfallenden Häusern machen sich derweil Sträucher breit. Schlangen kriechen durchs Gebüsch, die stark gefährdete Grüne Meeresschildkröte hat hier mittlerweile ihre Brutplätze. Kein Wunder, schließlich kommen hier keine Menschen mehr zum Baden hin.

Dieses Amateurvideo zeigt Varosha, wie man es durch den Stacheldrahtzaun sehen kann:

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Erschließung Varoshas würde der Insel Milliarden bringen

Immer wieder fordern Initiativen, Varosha wiederzubeleben – bislang ohne Erfolg. Dabei würde eine Wiederbelebung auch der Wirtschaft der Insel einen Auftrieb geben. Costas Apostolides, früherer Mitarbeiter im Planungsbüro Zyperns, sagte mal der New York Times über Varosha: „Eine Wiedereröffnung könnte die gesamte Ökonomie der Insel regenerieren.“ Allein das Bauland wäre 5 Milliarden Euro wert. Pläne, wie das neue Varosha aussehen könnte, gab es auch schon. Etwa von Architekturprofessor Jan Wampler vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), der mit einem Team von Architekten, Städteplanern, Unternehmern und Friedensaktivisten den Ort in eine modellhafte Ökostadt verwandeln möchte.

Doch Varosha ist ein politisch brisanter Ort. Das zeigte sich erst kürzlich wieder. So hatten die Behörden in Nordzypern etwa im November 2020 einen Teil des Strandes in Varosha für Tagesbesucher geöffnet – ein Schritt, der von der Republik Zypern als erste Provokation gewertet worden war. Und mittlerweile ist die Lage weiter eskaliert.

Die Hotelburgen Varoshas sind seit 1974 leer und verlassen
Die Hotelburgen Varoshas sind seit 1974 leer und verlassen Foto: Getty Images
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Der politische Konflikt bleibt

So kündigten die nordzypriotischen Behörden Ende Juli an, Varosha teilweise wieder zu öffnen und besiedeln zu wollen, wie unter anderem die „Tagesschau“ berichtete. Dies sei allerdings ein Verstoß gegen das UN-Mandat und eine Provokation für die Republik Zypern. Das Problem: Die UN-Resolutionen sehen eigentlich vor, dass Varosha unter die Verwaltung der Vereinten Nationen gestellt und an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben wird. Die Besitzer, die 1974 nach der türkischen Militärintervention aus Varosha geflohen waren.

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Kritiker werteten die Ankündigung der nordzypriotischen Behörden als Versuch der Türkei, auf eine Zweistaatenlösung für die Insel hinzuarbeiten. Der zyprische Präsident Nikos Anastasiades nannte das Vorgehen in Varosha „illegal und inakzeptabel“. Der Rat der Europäischen Union schreibt in einer Pressemitteilung: „Die Europäische Union verurteilt die einseitigen Schritte der Türkei und die inakzeptablen Ankündigungen des türkischen Präsidenten und des Anführers der türkisch-zyprischen Gemeinschaft vom 20. Juli 2021 über die weitere Wiederöffnung der abgesperrten Stadt Varosha auf das Schärfste.“ Die EU rufe dazu auf, die „Maßnahmen unverzüglich zurückzunehmen und alle Schritte, die seit Oktober 2020 bezüglich Varosha unternommen wurden, rückgängig zu machen.“

Es ist aktuell also unwahrscheinlicher denn je, dass sich Varosha zeitnah wieder dem Tourismus öffnet. Und so bleibt die Zeit in der geteilten Stadt weiter stehen.

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