6. September 2024, 17:42 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Japan ist ein Land, das sich zunehmend zu einem echten Trendreiseziel entwickelt. 2023 haben mehr als 25 Millionen Menschen Japan besucht, 2024 könnten es mehr als 30 Millionen werden. Das außergewöhnliche Essen, die spektakulären Landschaften und die einzigartigen Shopping-Welten locken die Besucher an. Aber vor allem die kleinen, alltäglichen Überraschungen machen Japan zu etwas ganz Besonderem, meint unsere Autorin.
Ich wollte gut vorbereitet sein auf meinen ersten Japan-Trip, und so habe ich vor dem Abflug ein paar grundlegende Vokabeln gelernt (Konnichiwa = Guten Tag, Arigato gozaimasu = Vielen Dank) und mich über die wichtigsten No-Gos im „Land der aufgehenden Sonne“ informiert. Aber auf meiner Reise nach Japan sollte ich trotzdem häufiger überrascht werden.
1. Es gibt Gebrauchsanweisungen für alles
Schon als ich von Zuhause aus meine ersten Unterkünfte gebucht habe, wurde ich mit ausführlichsten Instruktionen versorgt. Grundrisse der Wohnung, detaillierte Gebrauchsanweisung für alle Elektrogeräte, exakte Fotos der Ausstattung (bis hin zur Shampooflasche im Bad), Ruhezeiten in den Wohngegenden, Mülltrennung, Shopping- und Essensmöglichkeiten. Ein Apartment schickte mir sogar einen QR-Code, der zu einem Video führte, auf dem gezeigt wurde, wie ich das Zahlenschloss an der Tür öffnen kann.
Aber das war erst der Anfang. Angekommen in Japan war ich dann doch überrascht, wie ausführlich man überall auf Dinge hingewiesen wird. An Waschbecken finden sich Hinweise, welches Reinigungsmittel zu verwenden ist, an der Theke eines Schnellimbiss las ich die Bitte, man solle sein Essen gut kauen, um sich nicht zu verschlucken. (Gebrauchs-)Anweisungen sind allgegenwärtig in Japan. Hintergrund dieser Hilfestellungen ist, dass niemand in die Verlegenheit geraten soll, sich nicht zurechtzufinden oder Fragen stellen zu müssen. Doch als ich dann auf dem stillen Örtchen las, dass man bitte erst die aktuelle Toilettenpapierrolle aufbrauchen sollte, bevor man eine neue auflegt, konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.
2. Erdbeben passieren häufiger, als man denkt
Es geschah am zweiten Abend während meines Aufenthalts in Tokio. Ich war gerade von meinem ersten Bummel durch die Stadt zurückgekommen und ließ mich in den Sessel plumpsen, da begann plötzlich der Tisch vor mir zu wackeln. Die Gläser im Schrank klirrten und die Hängelampe an der Decke tanzte hin und her. Nur wenige Sekunden lang dauerte das Beben, aber mein Herz klopfte wie wild! „Sollten wir nicht sofort rausgehen?“, schoss es mir durch den Kopf. Etwa 5000 Erdbeben gibt es laut „Japan Travel“ pro Jahr in Japan, und die japanische Fremdenverkehrszentrale empfiehlt Touristen, sich im Fall des Falles an dem zu orientieren, was die Einheimischen machen. Also schaute ich aus dem Fenster: Nichts, niemand war auf der Straße. Als ich in Shikoku, wenige Wochen später, mein zweites Erdbeben erlebte, war ich schon etwas ruhiger, aber längst nicht so cool wie die Einheimischen, für die das Rumpeln scheinbar der Regelfall ist.
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3. Nicht alles ist High-Tech in Japan
High-Tech-Einkaufspassagen, Automaten und Roboter – Japan war in meiner Vorstellung ein Land, in dem alles von glitzernder Technikverliebtheit geprägt ist. In vielen Bereichen stimmt das auch: So wird zum Beispiel jeden Abend auf die Fassade eines einfachen Verwaltungsgebäudes in Tokio eine grandiose Gozilla-Laser-Show projiziert. Überrascht hat mich deshalb die Architektur in den Metropolen Japans, die so im Widerspruch zu diesem Bild steht. Die Gebäude sind meist riesige, rechteckige, graue Betonkästen mit lieblos eingestanzten Fenstern – funktional, aber leider nicht besonders schön. Wer eine Skyline wie in New York oder London erwartet, wird enttäuscht. Doch angesichts des Platzmangels in Japan scheint man den funktionalen Ansatz der modernen Architektur der Ästhetik vorzuziehen.
4. Japan ist noch viel höflicher, als man denkt
Japaner gelten als extrem höflich, und so wurde „Arigato gozaimasu“ (vielen Dank) meine meist gebrauchte japanische Redewendung. Aber besonders in den kleinen alltäglichen Situationen fiel mir auf, wie höflich der Umgang in Japan miteinander ist. So bedankt sich jeder Busfahrer bei jedem Fahrgast, der den Bus verlässt, kündigt an, wenn er losfährt, und wenn jemand niest, wird „Gesundheit“ gewünscht. Als ich an der Tankstelle mit der Kreditkartenzahlung nicht zurecht kam, eilten mir zwei Tankwarte zu Hilfe und erklärten mir geduldig (durch meine Übersetzungs-App auf dem Handy), was zu tun ist. Als ich weiterfuhr, blieben sie an der Zapfsäule stehen, lächelten mir zu und winkten mir nach, bis ich außer Sichtweite war. Nach einer Museumsführung in Naoshima begleiteten die Guides alle Besucher bis zur Bushaltestelle und verbeugten sich, bis der Bus abgefahren war. Einfach zauberhaft!
5. Es gibt überall Getränkeautomaten
Eine weitere Sache, die mich in Japan überrascht hat – es gibt überall Getränkeautomaten. Ob Softdrinks oder Kaffee, man findet oft gleich drei bis vier nebeneinander. Selbst im abgelegenen Iya-Tal fehlte es nicht an kaltem Grüntee und Co. aus der Maschine. Was mich besonders beeindruckt hat: Die Automaten sind ausnahmslos in tadellosem Zustand, keine Graffitis, nichts ist kaputt. An den Kaffeeautomaten hat man dann sie Qual der Wahl: mit oder ohne Milch, Sahne, Zucker, heiß oder kalt, in verschiedenen Größen und mit verschiedenen Aromen. Gefühlt sind mehr als 100 Kombinationen möglich. Viele Automaten haben sogar Kameras, die live zeigen, wie der Kaffee gerade zubereitet wird.
6. Es gibt nirgends Besteck
Mir war klar, dass in Japan mit Stäbchen gegessen wird. Doch auf meinen Reisen durch Südostasien war ich gewöhnt, dass in Restaurants dennoch meist sowohl Stäbchen als auch Besteck angeboten werden. Deswegen war ich in Japan überrascht, dass es nirgends Besteck in Restaurants oder Foodhalls gibt, nur Stäbchen und gegebenenfalls einen Suppenlöffel. Es wäre also gut gewesen, meine Stäbchen-Skills vor der Reise etwas zu verbessern. Ein Notfall-Set mit eigenem Besteck ist deshalb in Japan schnell zum unverzichtbaren Teil meiner Handtasche geworden.
7. Züge fahren auch bei Erdbeben fast pünktlich
Pünktlichkeit wird in der japanischen Kultur hoch geschätzt, was sich auf alle Bereiche des Lebens auswirkt. So gilt Japans Zugverkehr als der pünktlichste der Welt: Durchschnittlich haben die Hochgeschwindigkeitszüge laut Daten von „Statista“ gerade mal eine Minute Verspätung. Wie ernst es der japanischen Bahn mit diesem Anspruch ist, hat sich für mich am Kaffeeautomaten gezeigt, den ich am Bahnsteig des Tokioter Shinkansen-Bahnhofs gesehen habe. Eine Aufschrift auf dem Automaten weist darauf hin, dass die Zubereitung etwa 96 Sekunden dauert – das sollte man also mit einplanen, wenn der Zug bald kommt. Auch als während meiner Reise Japans Süden von einem Erdbeben der Stärke 7,1 erschüttert wurde, hatte mein Zug von Kyoto nach Tokio gerade mal 15 Minuten Verspätung.
8. DVDs und CDs sind noch beliebt
Ob in Tokios „Electric Town“ (dem Tokioter Stadtteil Akihabara) oder auf großen Plakatwänden mitten im japanischen Hinterland: Überall in Japan habe ich riesige Werbetafeln mit der Aufschrift „DVD & CD“ gesehen. Verwunderlich, geht doch weltweit seit Jahren mit der wachsenden Verfügbarkeit von Streaming-Diensten der Verkauf physischer Medien zurück. Nicht so in Japan: An jeder Ecke finden sich Läden, wo man Filme und Musik auf Silberscheibe kaufen kann. Der Grund: Die japanischen Verbraucher, insbesondere die älteren, haben eine langjährige kulturelle Vorliebe für physische Musik- und Videosammlungen. Mit physischen Medien wird ein Gefühl des Besitzes und der höheren Qualität verbunden, das digitale Formate nur schwer erreichen können.
9. Es gibt tausende „Lichtschwert-Träger“
In Japan begegnet man oft älteren Menschen, meist Herren, die mit kuriosen Leuchtstäben und in Fantasieuniformen gekleidet an Baustellen, Parkplätzen oder Zebrastreifen stehen und geschäftig „regeln“, winken oder Plakate hochhalten. Ich fragte mich, was sie da eigentlich tun – wie schwer kann es sein, aus einem Parkplatz herauszufahren? Später erfuhr ich, dass diese „Jobs“, die mir mitunter als sinnlos erscheinen, in Japan als absolut sinnvoll angesehen werden. Denn „Nichtstun“ ist in Japans Gesellschaft immer noch wenig akzeptiert, Arbeitslosigkeit gilt als Blamage. Und so werden Jobs für Arbeitssuchende oder Rentner „erfunden“: Baustellen sichern, Parkgaragenverkehr regeln, Tankstellenbesucher einweisen. Das hilft, das Einkommen aufzubessern und gibt den Betroffenen das Gefühl, sich für die Gesellschaft nützlich machen zu können.
10. Japaner kleiden sich sehr dezent
Zum festen Bild von Japan gehörte für mich die Fanszene rund um die vielen, knallbunten Anime-Charaktere: Comic-Heldinnen und -Helden in Glitzerkostümen, mit lila Haaren, Schmetterlingsflügeln, so ausgeflippt wie möglich. Umso überraschter war ich, als ich die Outfits sah, die die Menschen in der Regel in Japan tragen. Neon, Glitzer und Aufdrucke? Suchte man vergeblich! Die Kleidung der Japaner ist sehr, sehr dezent – ohne Markenlabels, ohne Schrift, ohne Blingbling. Meist kleiden sich Japaner in sehr gedeckten Farben: schwarz, grau, weiß, beige, hellblau, altrosa. Shirts, Röcke und Hosen sind meist einfarbig, das höchste der Gefühle sind dezente Muster wie kleine Punkte oder feine Streifen. Etwas Anime-Chic sieht man höchstens an den Taschen oder Rucksäcken. Dort baumeln häufiger kleine Anhänger mit Fan-Figuren oder Glücksbringern.
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11. Ramen stammt gar nicht aus Japan
Ramen gehört zu Japan wie Fish’n’Chips zu England und der Burger zu den USA. Aber bei einem Kochkurs in Kyoto erfuhr ich, dass die klassischen Ramen-Nudeln (Mie) tatsächlich aus China kommen. Die Instant-Version wurde allerdings von einem Japaner erfunden, nämlich Momofuku Ando von Nissin Foods. Mittlerweile finden sich hunderte Varianten in den japanischen Supermärkten. In Restaurants in Japan wird Ramen aber in der Regel mit Udon (dicken Weizennudeln) oder Soba (Buchweizennudeln) serviert.