13. Mai 2021, 15:52 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Für viele ist es ein Lebenstraum: einmal Wale in freier Wildbahn erleben. Und für mehr als 13 Millionen Menschen im Jahr erfüllt er sich – mit Kamera und Fernglas starten sie zum Whale Watching auf den Gewässern der Welt. TRAVELBOOK erklärt, wo man den riesigen Meeressäugern am besten begegnen kann, welche Arten es gibt und warum Organisationen wie Greenpeace eigentlich gar nicht gegen Whale Watching sind.
Drei Grauwale schwimmen dicht an der Wasseroberfläche – sie schweben durch den Ozean, die Kamera schwebt über ihnen, hält fest, wie sie graziös ihre Schwanzflossen bewegen und aus ihren Luftlöchern pusten. Sie schweben weiter und immer weiter. Eine Buckelwal-Kuh mit ihrem Kalb, das zum Atmen die Schnauze aus dem Wasser streckt. Das Kalb dreht sich im Wasser, schmiegt sich an seine Mutter, reibt sich an ihrem wuchtigen, glatten Körper. Das Meer ist ganz still. Schnitt.
Das sind Szenen aus dem meistgesehenen Youtube-Video zum Stichwort „Whale Watching“ (deutsch: Walbeobachtung). Fast 15 Millionen Menschen haben dieses mit einer Drohne gefilmte Video bereits angeschaut. Es fasziniert und weckt den Wunsch nach einem vergleichbaren Naturerlebnis.
„Wer jemals Delfine oder sogar Großwale in freier Wildbahn – in unmittelbarer Nähe – erleben durfte, ist ergriffen. Das ist ein intensives Lebensgefühl, ein großartiges Naturerlebnis“, sagt Thilo Maack, Meeresbiologe bei Greenpeace, zu TRAVELBOOK. Per Boot, Helikopter oder zu Fuß kann man auf Wal-Safari gehen und mit ein bisschen Glück gigantische Meeressäuger in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten. Mehr als 13 Millionen Menschen unternehmen jährlich weltweit solche Whale-Watching-Touren.
Übersicht
Wo Wale wohnen und wandern
Aber wo kann man weltweit am besten Wale beobachten? „Letztendlich kann man überall auf dem Planeten Whale Watching betreiben“, sagt Meeresbiologe Maack. Die USA, Australien und Kanada locken jährlich am meisten Touristen zu Walbeobachtungen ins Land. Aber auch Südafrika und Neuseeland sind weltberühmt für ihre Whale-Watching-Spots. Entlang der Wildcoast in Südafrika kann man bei einer Wanderung beinahe das ganze Jahr über von Land aus Wale beobachten.
In Europa sind die Kanarischen Inseln, die portugiesischen Inseln der Azoren, das Festland und Madeira sowie die nördlichen Gebiete um Island, Irland und Schottland beliebte Ziele für Walbeobachter. Rund 45.500 Hartgesottene tun sich jährlich die Minusgrade der Antarktis an, um einzigartige Einblicke in die Natur der nördlichen Hemisphäre zu erlangen: Pinguine, Robben und die meisten Großwale können auf Expeditionen beobachtet werden.
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Aber wer sich schon mit Kleinwalen wie Delfinen oder den einzigen in Deutschland heimischen Walen, den Schweinswalen, zufrieden gibt, braucht gar nicht so weit zu verreisen: Zwischen Juni und September kommen die Mutter-Kind-Paare häufig ganz dicht an die Küste vor Sylt heran. „Es gibt auch immer wieder friedliche Begegnungen von Schwimmern und Schweinswalen in der Nordsee“, sagt Maack zu TRAVELBOOK. Und für friedliche Begegnungen von Whale-Watchern und Tieren wird er sich auch in Zukunft einsetzen.
Einen Überblick über die Whale-Watching-Destinationen und -Spots der Welt gibt unsere Karte und die Auflistung darunter.
Wale beobachten – die besten Orte weltweit
Deutschland (Sylt)
- Beste Reisezeit: Spätsommer bis Frühjahr
- Häufigste Walarten: Schweinswal
Portugal
- Beste Reisezeit: Mai bis Oktober (Azoren)
Ganzjährig (Madeira) - Häufigste Walarten: Pottwal, Grindwal, Blauwal, Seiwal, Brydewal, Finnwal
Kanarische Inseln (Teneriffa, La Gomera)
- Beste Reisezeit: Ganzjährig
- Häufigste Walarten: Grindwal, Brydewal
Irland
- Beste Reisezeit: Juli bis November
- Häufigste Walarten: Zwergwal, Finnwal, Buckelwal
Schottland
- Beste Reisezeit: Juni bis September
- Häufigste Walarten: Zwergwal, Finnwal, Buckelwal, Orca
Island
- Beste Reisezeit: Sommer und Frühherbst
- Häufigste Walarten: Blauwal, Finnwal, Orca, Zwergwal, Buckelwal, Pottwal, Grindwal
Norwegen (Lofoten, Vesterålen)
- Beste Reisezeit: Juni bis September
- Häufigste Walarten: Zwergwal, Orca, Pottwal, Finnwal, Schweinswal
USA
- Beste Reisezeit: Dezember bis Mai (Kalifornien)
April bis Oktober (Neuenglandstaaten)
Mai bis September (Alaska)
Dezember bis März (Florida) - Häufigste Walarten: Grauwal, Buckelwal, Blauwal, Schweinswal, Finnwal, Zwergwal, Orca
Kanada
- Beste Reisezeit: Dezember bis April
(British Columbia)
Juni bis August
(Manitoba) - Häufigste Walarten: Grauwal, Orca, Zwergwal, Buckelwal, Schweinswal, Blauwal, Finnwal, Pottwal, Beluga (Manitoba)
Australien
- Beste Reisezeit: Juni bis Oktober (Ostküste)
August bis November (Hervey Bay)
Juli bis September (Südküste)
November bis März (Monkey Mia) - Häufigste Walarten: Buckelwal, Zwergwal, Finnwal, Pottwal, Orca, Grindwal
Neuseeland
- Beste Reisezeit: Ganzjährig (Südinsel)
- Häufigste Walarten: Orca, Zwergwal, Brydewal, Finnwal, Buckelwal, Pottwal
Südafrika
- Beste Reisezeit: Mai bis Dezember
- Häufigste Walarten: Glattwal, Brydewal, Buckelwal, Orca
Darauf sollten Sie bei Anbietern von Whale Watching achten
„Als Faustformel kann man sagen: Es sollten immer die Tiere sein, die den Kontakt mit dem Menschen bestimmen, nicht umgekehrt. Der Wal soll entscheiden dürfen, ob er Nähe zu Menschen und Boot zulässt, wie dicht er ran kommt und wie lange er bleibt,“ sagt Greenpeace-Experte Maack. Schließlich dringe man als Mensch in den Lebensraum der Wale ein.
Aber mittlerweile habe sich auch eine Art „Ehrenkodex für Walbeobachtungen“ entwickelt – Mindestabstände, die Geschwindigkeiten der Boote und eine maximale Anzahl von Anbietern werden häufig regional geregelt. Auf den Kanaren erkenne man lizensierte Betreiber beispielsweise an einer gelben Flagge, sagt Maack: „Nach solchen Anbietern sollte man als Tourist Ausschau halten.“
Zudem werben seriöse Whale Watcher häufig damit, dass sie mit einer Forschungsinstitution zusammenarbeiten oder sogar ein Wissenschaftler mit an Bord ist. Andererseits sollte man vorsichtig sein, wenn gleichzeitig eine Alkohol-Flatrate oder eine Band an Bord auf dem Angebot stehen. Und: „Anbieter, die Schwimmen mit Delfinen oder Sichtung garantieren, sollten kritisch hinterfragt werden“, rät der Meeresbiologe. Diese seien meist unseriös und beachten das Wohl der Tiere nicht, manche fahren den Walen mit Fullspeed hinterher.
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Whale-Watching-Regeln
- Sich Walen oder Delfinen nie direkt von vorne oder hinten nähern.
- Eine Gruppe von Walen oder Delfinen darf nicht durchfahren oder getrennt werden.
- Nicht näher als 100 Meter an die Tiere heran fahren.
- Keine plötzlichen Geschwindigkeits- oder Richtungswechsel.
- Lärm vermeiden.
- Nicht versuchen, die Tiere zu streicheln.
- Füttern ist verboten.
- Wegwerfen von Abfall ist verboten.
*Quelle: WWF.
Praktische Tipps für die Wal-Safari
„Um Wale tatsächlich zu sehen, muss man auch ein bisschen was dafür tun: eine kleine Wanderung unternehmen, mit einem Fernglas die Wasseroberfläche absuchen“, verrät Thilo Maack, „man muss ein bisschen Zeit mitbringen.“ Zur Ausrüstung eines Walbeobachters gehört neben wetterbedingter Kleidung wie Regen- oder Sonnenschutz auch ein Fernglas und für Fotografen eine Kamera. Und dann gilt: Abwarten – Ruhe ist nämlich eine wichtige Grundvoraussetzung für das Beobachten von Tieren.
Aber ob zu Fuß von Land aus, in einem Boot auf dem Wasser oder in einem Helikopter aus der Luft aus: Wenn eine dieser gewaltigen Schwanzflossen plötzlich aus dem Ozean ragt oder man den Blas eines Meeresgiganten erspäht, wird die Geduld mit einem atemberaubenden Erlebnis belohnt. An Bord eines kleinen Bootes könnte die Größe eines Wals zwar auch schon mal überraschen. Wichtig ist dann, nicht in Panik zu geraten, sondern sich zurückzulehnen, zu beobachten und zu genießen.
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Ist Whale Watching gefährlich für die Tiere?
Kann Whale Watching den Tieren schaden? „Durch die Nähe der Menschen und Boote kann es zu Verhaltensänderungen kommen“, sagt Maack, „die Tiere ändern ihre Schwimmrichtung oder Tauchfrequenz. Man sieht, dass sie unter Stress stehen.“ Dadurch seien sie anfälliger für Krankheiten und bekämen weniger Nachwuchs. Und auch der Schiffslärm an sich sei gefährlich.
„Wie für uns Menschen die Welt aus Bildern besteht, besteht die Welt für die Wale aus Tönen“, sagt Maack. Deshalb habe der Lärm, der durch Schiffsschrauben unter Wasser entsteht „extrem negative Konsequenzen“. Die Tiere würden dadurch in ihrer Kommunikation gestört. Trotzdem betont der Meeresbiologe: „Greenpeace ist nicht gegen Whale Watching: Da gibt es so viele positive Auswirkungen – und es ist die allerbeste Alternative zum Walfang.“ In den vergangenen Jahrhunderten durchbohrten Hunderttausende Harpunen die Körper von Meeressäugern. Massenhaft schlachteten die Menschen Wale ab – und versprachen sich davon das große Geld. Walfett diente der Erzeugung von Tran als Brennmaterial für Lampen, das Fleisch galt als Delikatesse in fernöstlichen Kochtöpfen. Die Folge: Einige Wal-Arten sind inzwischen fast ausgestorben.
Heute jagen noch einige wenige Länder – wie Island, Norwegen und Japan – die bedrohten Meeressäuger. Biologe Thilo Maack bezeichnet diese Praxis aber als „Minusgeschäft sondergleichen“. Es ginge diesen Ländern um die Aufrechterhaltung von Traditionen und um Rebellion gegen Auflagen des Westens. Finanzielle Gründe für den Fang gebe es kaum. Denn der wirtschaftliche Aspekt des Whale Watchings sei dagegen einfach „der Hammer“, weiß Maack. „Gerade bei den noch Walfang betreibenden Ländern zeigt sich, dass die Whale-Watching-Industrie ein Vielfaches dessen einnimmt, was der Walfang abwirft.“
Positive Tendenzen durch Wal-Tourismus
Beispiel Island: Hier soll der Walfang laut WWF insgesamt nur rund vier Millionen Euro einbringen, während der Walbeobachtungstourismus jährlich rund 24,2 Millionen US-Dollar in die Kassen spült – das Sechsfache. Daher seien in den Walfang betreibenden Ländern positive Tendenzen zu erkennen. „In Japan gibt es beispielsweise ehemalige Walfänger, die heute Whale-Watching-Touren anbieten und das zeigt, dass es eine Alternative ist, die auch für die Betreiber ökonomisch sinnvoll ist,“ sagt Maack.
Jährlich werden mit Walbeobachtungen weltweit rund 2,1 Milliarden US-Dollar (rund 742 Millionen Euro) eingenommen. Naturschützer schlagen also keinesfalls Alarm. „Aber man muss Whale Watching eben auf eine Art und Weise tun, in der man die Wale nicht gefährdet,“ erklärt Maack. Der WWF nennt das „die sanfte Nutzung von Walen“.