1. März 2021, 6:58 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Nettsein ist eine Volkstradition in Mizoram. Der Bundesstaat im indischen Nordosten ist bekannt für seine ewig grünen Berge, seinen dichten Bambusdschungel und seine besonders freundlichen und hilfsbereiten Bewohner. TRAVELBOOK verrät, was dahinter steckt.
Abseits vom trubeligen Rest Indiens schmiegt sich der Bundesstaat Mizoram zwischen Bangladesch und Myanmar und bildet hier die südlichste der sogenannten Sieben Schwestern. Neben Mizoram gehören auch die Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Assam, Meghalaya, Manipur, Nagaland und Tripura zu dem als Nordostindien bezeichneten Gebiet. Das grenzt im Norden an China und Bhutan und ist mit dem Großteil Indiens nur über einen schmalen Korridor verbunden.
Mizoram selbst ist 21.081 Quadratkilometer groß, 1,09 Millionen Menschen lieben hier. Die Bewohner Mizorams werden Mizos genannt. Ihre Hauptsprachen sind Mizo und Englisch, die meisten von ihnen bekennen sich zum Christentum. Rund acht Prozent von ihnen können nicht lesen oder schreiben, was Mizoram zum Bundesstaat mit der drittkleinsten Analphabetenrate Indiens macht. Neben Volksfesten sind die Mizos besonders für eine Tradition bekannt: Selbstlosigkeit.
Mizorams freundliche Bewohner und die Gründe dafür
Harmonie und Miteinander werden in Mizoram großgeschrieben. Dahinter steckt ein zungenbrecherisches Wort: Tlawmngaihna. Das ist der Verhaltenskodex der dort lebenden Mizo, der „von allen fordert, gastfreundlich, warmherzig, selbstlos, mutig und sogar an der Spitze der Selbstaufopferung noch hilfsbereit zu anderen zu sein.“ So steht es erklärt auf der offiziellen Seite von Mamit, einem Distrikt des indischen Bundesstaats. Demnach steht Tlawmngaihna für den „selbstlosen Service für andere“.
Teil des Wertesystems der Mizo ist auch Hnatlang. Aus „Prinzipien der Selbsthilfe und Zusammenarbeit zur Erfüllung sozialer Verpflichtungen und Verantwortung“ entstand demnach das heutige Hnatlang-System. Dieses erwartet von den Dorfbewohnern, Arbeit für das Gemeinwohl zu leisten.
Gemeinschaft und das Wohlergehen der anderen werden in Mizoram vor das Selbst gestellt. Das Resultat: eine friedliche, freundliche Gesellschaft, in der die Menschen liebevoll miteinander umgehen und sich gegenseitig den Vortritt lassen. Und wo ganze Whatsapp-Gruppen beteiligt sind, wenn jemand sein Geld oder Portemonnaie am Geldautomat liegen gelassen hat und dieses gern zurück hätte, wie es in einem „BBC“-Bericht heißt.
Tlawmngaihna hat eine lange Geschichte
Der Kodex hat eine lange Tradition und wird noch heute gelebt und gefördert. Wann und wie genau Tlawmngaihna begann, ist nicht klar, denn die Mizos haben eine facettenreiche Geschichte.
Laut der Seite mizoram.nic.in ist die wahre Geschichte der Mizos ein Mysterium. Einer Volkslegende zufolge tauchten die ersten und überaus redseligen Mizos unter einem großen Felsen namens Chhinlung auf. Sie redeten so viel, dass Gott der Legende nach zu viel kriegte und den Ausgang aus der Unterwelt mit eben jenem Felsen verschloss, sodass nicht noch mehr Menschen hinaustreten konnten. Über den genauen Standort des Felsens sind sich Historiker anscheinend uneins, er soll aber irgendwo in China stehen. Es wird angenommen, dass die Mizos von den Mongolen abstammen und von China aus über Myanmar nach Indien kamen. Dort sollen sie sich zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert in den Bergen angesiedelt haben.
Die Stämme sollen fortan in eng verzweigten Gemeinschaften gelebt haben. Schon früh war das Zentrum der Mizo-Gesellschaft das Dorf, das Leben drehte sich um die soziale Gemeinschaft. Teil eines typischen Mizo-Dorfs war unter anderem Zawlbuk, die Unterkunft für Junggesellen. Die lebten hier gemeinsam und wurden auf ihre verantwortungsvolle Rolle in der Gesellschaft vorbereitet.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts stießen die Mizo-Stämme des Öfteren mit den Briten zusammen, die Indien besetzt hielten. Die Kämpfe endeten in der Unterwerfung der Mizo, die schließlich vollständig zu Britisch-Indien gehörten, bis Indien sich 1947 für unabhängig erklärte. Das heutige Gebiet Mizoram gehörte vorerst zum Bundesstaat Assam. Nach zahlreichen bewaffneten Aufständen und Verhandlungen wurde Mizoram 1987 schließlich zu einem eigenständigen indischen Bundesstaat erklärt.
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Christliche Missionare und Frauenrechte
Mit den Briten kamen Ende des 19. Jahrhunderts christliche Missionare, in der Folge sind heute die meisten Mizo Christen. Die Religion war jedoch nicht das einzige, das die Missionare zu den Mizos brachten. Bildung und das römische Schriftbild zeigen noch heute ihre Spätfolgen in der Region, etwa in der, im indischen Vergleich niedrigen, Analphabetenrate.
Laut dem Urlaubsportal „Holidify“ besteht die Mizo-Bevölkerung aus verschiedenen ethnischen Gruppen und jeder einzelne Volksstamm hat demnach ein eigenes Festival und eigene Rituale, die besonders auf den diversen Festen zelebriert werden. Die Autoren auf mizoran.nic.in beschreiben die Mizos als „eine eng verbundene Gesellschaft ohne Klassenunterschiede und ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“, die wie eine große Familie zusammenleben. Ereignisse wie Geburten, Hochzeiten und Tode werden mit dem ganzen Dorf zelebriert. Es besteht eine Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen. 60 Prozent der Mizo arbeiten in der Landwirtschaft.
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Einreise nach Mizoram
Wer sich den Bundesstaat der Bergbewohner, wie Mizo etwa übersetzt wird, einmal selbst anschauen möchte, braucht zum einen ein Visum für Indien. Aber auch die Einreise nach Mizoram selbst passiert nicht ohne Registrierung. „Alle Ausländer müssen sich innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Ankunft beim Büro des Superintendenten der Polizei (CID/SB) Mizoram anmelden, der als designierter Ausländer-Registrierungsbeauftragter (FRO) des Staates fungiert“, heißt es auf dem offiziellen Staatsportal Mizorams. Bürger Afghanistans, Chinas und Pakistans müssen sich im Vorhinein außerdem beim Innenministerium die Erlaubnis zur Einreise holen.