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Geheimtipp?

Warum man in Montenegro lieber nicht an die Küste reisen sollte

Montenegro: Durmitor-Nationalpark, Budva, Morača-Schlucht, Porto Montenegro
Montenegro bietet von Bergen über Unesco-Welterbestätten bis hin zu berauschenden Buchten sehr viel – aber leider zieht das mittlerweile auch sehr viele Touristen an. Im Foto: der Durmitor-Nationalpark, die Stadt Budva, ein Teil der Morača-Schlucht sowie der Retortenort Porto Montenegro (von links oben im Uhrzeigersinn) Foto: Getty Images
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

7. Juni 2018, 7:59 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Montenegro wird fast überall als DER Geheimtipp in Europa gefeiert – völlig zu Unrecht, wie TRAVELBOOK-Autor Robin Hartmann feststellen musste. Das Land ist vielerorts leider bereits hoffnungslos überlaufen, vor allem an den Küsten. Aber es gibt zum Glück Regionen, wo es die Massen (noch) nicht hinzieht.

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Wer entscheidet eigentlich, wie und warum ein Reiseziel plötzlich beinahe einhellig zum Geheimtipp erklärt wird? Eines steht für mich nach meinem kürzlichen Montenegro-Trip jedenfalls fest: Der Balkanstaat ist sicher nicht mehr der Geheimtipp, zu dem er in den letzten Jahren in zahlreichen Artikeln (auch bei TRAVELBOOK) hochstilisiert wurde.

Massen an Kreuzfahrt-Touristen in Kotor

Die gute Nachricht: Es gibt auch ein anderes, versteckteres, authentischeres Montenegro – und damit auch Orte, die wirklich noch Geheimtipps sind. Eines aber steht fest: Die an Kroatien und Albanien grenzende, insgesamt 300 Kilometer lange Küste ist es nicht. Das merkt man vor allem in den bei Touristen besonders beliebten Orten wie Budva oder Kotor.

Die Bucht von Kotor bietet einen absolut überwältigenden Anblick, und nicht minder beeindruckend wäre auch die Kleinstadt selbst, wenn sie nicht so überfüllt wäre. Unser Guide meinte, in der Saison von Mai bis Oktober hätten im letzten Jahr allein im Hafen von Kotor 400 Kreuzfahrtschiffe angelegt – das wären theoretisch mehrere pro Tag.

Montenegro
Die Bucht von Kotor gehört unter anderem wegen solcher Ausblicke zum Unesco-Welterbe Foto: Getty Images

Ein kleines Land wird ausgeschlachtet

Budva war, genau wie Kotor übrigens, in seiner 2500 Jahre alten Geschichte zeitweise unter der Herrschaft der einst mächtigen Venezianer, und Spuren dieses historischen Erbes sieht man auch heute noch in jeder Ecke in Form von beeindruckenden Kirchen und engen, kopfsteingepflasterten Gassen – umso schändlicher ist es, dass die Zitadelle im Herzen der Altstadt heute in privater Hand ist, sich in altehrwürdigen Gemäuern Souvenirläden und Restaurants eingenistet haben. Wer von besagter Zitadelle aus über die Dächer der Stadt blickt, sieht im Hintergrund schon die Hotelbunker und Baukräne aufragen wie drohende Symbole einer längst eingetretenen Zukunft.

Fährt man die Küste entlang, entdeckt man noch mehr Beispiele für die Ausschlachtung des kleinen Landes: So ist die historische Insel Sveti Stefan in der Nähe von Budva, auf der schon Hollywood-Legende Sofia Loren in den 1960er-Jahren Urlaub machte und Tennis-Star Novak Djokovic seine Hochzeit feierte, mittlerweile im Besitz einer Hotelgruppe aus Singapur. Wer die Insel als Normalsterblicher überhaupt nur betreten will, wird deftig zur Kasse gebeten.

Auch interessant: Overtourism! Wenn Urlauber zum Problem werden

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Die historische Insel Sveti Stefan gehört heute privaten Investoren Foto: Montenegro

Nun soll auch noch in unberührten Buchten gebaut werden

Wenn es nach Željka Radak Kukavičić, der Geschäftsführerin der Nationalen Tourismusorganisation geht, reicht das alles aber noch nicht – obwohl das Land laut ihren Aussagen schon jetzt jährlich dreimal so viele Touristen wie Einwohner hat. „Wir wollen Montenegro als ganzjährige Destination etablieren und noch mehr Elite-Tourismus anziehen“, sagt sie. Ihre Logik: Man sei jetzt schon bei der Kapazität vielerorts an Grenzen gelangt – deshalb müsse man ganz einfach die Saison verlängern. „Das heißt auch mehr Unterkünfte von höherer Qualität und mehr Vier- und Fünf-Sterne-Hotels.“

Der deutsche Markt stehe dabei übrigens in puncto Wichtigkeit an erster Stelle, im letzten Jahr habe die Besucherzahl im Vergleich zu 2016 einen Zuwachs von 14 Prozent erfahren – insgesamt seien 58.ooo Deutsche gekommen. Seit Juni 2017 ist das Land NATO-Mitglied, allerdings noch nicht in der EU. Zur Einreise für 30 Tage reicht deutschen Staatsbürgern der Personalausweis. Noch 2018 soll zudem ein Küstenbebauungsplan herausgegeben werden, der es möglich machen soll, auch an bisher natürlichen, unberührten Buchten Hotels zu bauen. Derzeit werden 95 Prozent des Umsatzes aus dem Tourismus an der Küste generiert.

Der Luxusjacht-Hafen Porto Montenegro

Noch mehr (superreiche) Investoren ins Land locken sollen zum Beispiel Orte wie Porto Montenegro, erbaut von einem mittlerweile verstorbenen kanadischen Milliardär. Hier tummeln sich edle Mega-Jachten, Hochglanz-Geschäfte verkaufen die neueste Mode oder teure Uhren, und in dem ansässigen Fünf-Sterne-Haus lobt man sich am liebsten gleich selbst aufgrund der hervorragenden „Instagram-Tauglichkeit“ der hoteleigenen Infinity-Pools – wer auch nur ein bisschen Wert auf Authentizität und Lokalkolorit legt, der wird um diesen Ort jedenfalls einen weiten Bogen machen.

Montenegro
Die Retortenstadt Porto Montenegro ist ein abschreckendes Zeugnis davon, wie Geld ein Land verändern kann Foto: Getty Images

Im Norden Montenegros sollen Skigebiete entstehen

Besonders erschreckend: Die Pläne von Ministerin Kukavičić betreffen auch den Ausbau des Tourismus im bislang weitgehend unberührten Norden des Landes – die einzige Region, die man wohl zurecht als Geheimtipp bezeichnen könnte. „Der Staat hat bereits Geld vorgesehen für den Ausbau und Neubau von Skigebieten“, verrät sie. Auch Wanderer und Radfahrer wolle man zukünftig vermehrt anziehen. Wer nach Norden fährt, in Richtung Durmitor-Nationalpark, der versteht, warum das problemlos funktionieren könnte: Die Natur hier ist einfach überwältigend.

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Wo Montenegro (noch) wirklich ein Geheimtipp ist

Zum Beispiel die Morača-Schlucht, die der gleichnamige Fluss tief in den Felsen gefurcht hat. Kristallblau rauscht der mächtige Strom durch das Tal und zwischen den kärglich bewachsenen Bergen hindurch, quasi an jeder Kurve der Straße bieten sich einmalige Fotomotive. Ungläubig erkennt man Viadukte einer Eisenbahn, die das Land auf dem Weg nach Serbien durchquert, und die sich hier in die Hänge schmiegen wie todesmutige Kletterkünstler. 25 Jahre wurde an der Strecke über Podgorica nach Belgrad gebaut, heute kann man sie in zehn Stunden bewältigen.

Dann nähert sich der Durmitor-Nationalpark, ein 32.000 Hektar großes Zeugnis archaischer Naturgewalt und ebenfalls Unesco-Welterbe. Hier werden noch einmal alle Superlative gebrochen, und zwar von der bis zu 1300 Meter tiefen Tara-Schlucht, der nach dem Grand Canyon zweittiefsten des gesamten Planeten. Schwarzkiefern kleben in den Hängen, als hätte sie ein Hobbybastler in seine Miniaturlandschaft eingebaut.

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Die Tara-Schlucht in Montenegro ist die zweittiefste auf der ganzen Welt Foto: Getty Images

Die Fahrt führt in das nur 2000 Einwohner zählende Žabljak, auf 1450 Metern die am höchsten gelegene Siedlung auf dem gesamten Balkan – das Eingangstor zum Durmitor-Nationalpark. Hier gibt es 500 endemische Pflanzenarten und diverse Tiere wie Adler und sogar Bären, Besucher können wählen aus 25 Wanderwegen und 18 Gletscherseen bestaunen, während die Berge im Hintergrund über die Szenerie zu wachen scheinen. Wer möchte, kann sich dieser Magie auch für mehrere Tage ergeben, denn in vier ausgewiesenen Bereichen des Parks ist campen erlaubt.

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Der Schwarze See im Durmitor-Nationalpark: Rückzugsort für ruhesuchende Urlauber Foto: Getty Images

Ein Deutscher kümmert sich um die 5 Nationalparks des Landes

Der Deutsche Dr. Thomas Wörstein lebt seit 2007 in Montenegro, kümmert sich seit 2014 um das Marketing der Nationalparkbehörde und damit um alle fünf Nationalparks des Landes. Er klagt: „Wir bekommen vom Staat eine Million Euro für insgesamt fünf Parks – davon müssen wir 250 Mitarbeiter und auch Instandhaltungen bezahlen.“ Jedes Jahr würden zudem diese Zuschüsse gekürzt, um die Parkleitung anzutreiben, noch mehr Touristen anzulocken und so Liquidität über Eintrittsgelder zu generieren. Er stellt klar: „Wir sind immer noch auf einem niedrigen Level, aber wachsen jedes Jahr um vier bis sechs Prozent. Vor 40 Jahren aber kamen dreimal so viele Leute.“

Er spricht damit etwas an, dass wohl viele Montenegriner immer noch in der Seele schmerzt: den Einbruch des hiesigen Tourismus aufgrund des Balkankrieges in den 1990er-Jahren. Auch Tourismusministerin Kukavičić ist unzufrieden mit der Situation. Erst vor zwei Jahren hätten die Besucherzahlen wieder das Niveau des bisher absoluten Rekordjahrs 1987 erreicht. Dass man diese Bestmarken künftig zu überbieten gedenkt, daran lässt sie aber keinen Zweifel.

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Die Kirche Maria vom Felsen und die Kloster-Insel St. Georg

Eine wichtige Rolle spielen in ihren Plänen auch Naturschätze wie die Bucht von Kotor, die Unesco-Welterbe ist und eine Szenerie bietet, die europaweit einmalig schön ist: Eingeschlossen von grünen Bergen liegen kleine Örtchen wie Perast da wie ins Land hineingestreut – hier finden sich auch noch zwei besondere Highlights des Landes, nämlich die auf einer kleinen künstlichen Insel liegende Kirche Maria vom Felsen, und daneben die natürliche Kloster-Insel St. Georg. Die Kapelle der Marien-Kirche birgt wertvolle Kirchenschätze genauso wie skurrile Seefahrer-Devotionalien aus aller Welt und sämtlichen Epochen. St. Georg dagegen darf niemand außer den Mönchen betreten, die hier einmal im Jahr für so etwas wie Sommerferien anreisen.

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Montenegrinisches Essen – absolut lohnenswert

Ruhe und Erholung findet man auch bei einer Bootsfahrt auf dem Skutari-See, der sowohl zu Montenegro als auch zu Albanien gehört und an dessen Ufern noch Ortschaften liegen, die vom Massentourismus bisher verschont geblieben sind. Der See ist als Nationalpark ausgezeichnet und beherbergt in seinem Schilfufer wie auch in seinen Wassern zahlreiche schützenswerte Tier- und Pflanzenarten. In dem kleinen Nest Virpazar verwöhnt das Restaurant Pelikan seine Gäste nach einer schönen Rundfahrt in uriger Atmosphäre mit lokalen Spezialitäten bei mehr als üppigen Portionen. Überhaupt muss man das Essen in Montenegro noch einmal mit einem großen Lob bedenken, und groß sind auch die Portionen, die die Gasthäuser ihren Besuchern im Regelfall servieren – hier setzt man voll auf frischen Fisch, den das Meer in jeder Form und Größe liefert. Auch der einheimische Wein kann sich zum Teil wirklich sehen lassen, und so sind es vielleicht diese Momente, in denen man sich entspannt zurücklehnt und etwas genießt, das man so nicht erwartet hätte – und das ist dann ja doch irgendwie ein kleines bisschen Geheimtipp.

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Perast ist eine der antiken Perlen an der Küste von Montenegro Foto: Getty Images

Die Reise wurde unterstützt von FTI Touristik GmbH und Montenegro Airlines. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit.

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