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Traditionelles Badehaus

TRAVELBOOK-Autorin: »So war meine Onsen-Erfahrung in Japan

Unsere Autorin Doris Tromballa war in Japan in einem Onsen und berichtet, wie ihre Erfahrung war
Unsere Autorin Doris Tromballa war in Japan in einem Onsen und berichtet, wie ihre Erfahrung war Foto: Getty Images (Collage: TRAVELBOOK)
Doris Tromballa

10. September 2024, 13:45 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

„Onsen“ – so heißen die weltberühmten heißen Quellen in Japan. Im Onsen baden zu gehen gehört zu den japanischsten Erfahrungen, die man auf einer Reise ins Land der aufgehenden Sonne machen kann. Unsere Autorin wollte sich bei ihrem ersten Japan-Besuch ins heiße Wasser wagen. Das gestaltete sich zunächst schwieriger als geplant.

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Baden gehört für mich zu den schönsten Dingen der Welt. Ob Badewanne oder See: Ich liebe Wasser! Und so war es für mich völlig klar, dass ich bei meiner ersten Japanreise auch in ein Onsen gehen werde. Noch zuhause versuchte ich, mir ein besonders schönes Badehaus auszusuchen, irgendwo in den Bergen vielleicht? Beim Surfen durch die Onsen-Websites stellte ich jedoch erschrocken fest: Vielleicht darf ich da gar nicht rein? 

Tattoos sind im Onsen Tabu

Mehrere Onsen-Websites wiesen freundlich, aber bestimmt darauf hin, dass eines im Badehaus ganz klar nicht erwünscht ist: Tätowierungen. Ups! Ich habe vier kleine Tätowierungen, nichts Auffälliges oder Anstößiges, aber egal, denn tätowiert ist tätowiert. Damit hatte ich nicht gerechnet, kommt doch die Popularität der aufwändigen farbigen Tätowierungen – auf einigen Umwegen – aus Japan! Warum also das Tattoo-Verbot? „In Japan werden vor allem großflächige Tätowierungen mit den Schlägertypen der Yakuza assoziiert“, klärte mich die Website des Japanischen Tourismusverbands auf. Die Yakuza? Die japanische Mafia? Die Gangmitglieder seien laut der Website daran zu erkennen, dass sie am ganzen Körper tätowiert sind. Und wenn ich mit meiner kleinen Lotusblüte am Handgelenk in das Onsen gehe, soll man mich mit einem japanischen Mafia-Boss verwechseln? Das hielt ich erstmal für unwahrscheinlich. Und sicher würde es auch Ausnahmen für Touristen geben. Oder?

Trotz Tattoo ins Onsen?

Aber meine weiteren Recherchen fielen eher entmutigend aus. Im Tenzan no Yo-Onsen in Kyoto stand beispielsweise auf der Website ganz klar: Egal welche Größe oder Farbe, keine Tattoos. Basta. War meine Onsen-Erfahrung also beendet, bevor sie begonnen hatte? Glücklicherweise bin ich nicht die einzige Bade-Freudige, die in Japan vor diesem Problem stand. Und so fand ich doch noch zwei Hoffnungsschimmer. Zum einen gäbe es die Möglichkeit, die Tätowierungen abzukleben, z. B. mit einem hautfarbenen Kinesio-Tape. Zum anderen fand ich Websites mit Listen von „tattoo-friendly Onsen“, also Badehäusern, bei denen man auch mit Tätowierung reindurfte. Badespaß, ich komme! Ich besorgte mir eine Rolle Kinesio-Tape und fühlte mich für meine Onsen-Experience gewappnet.

Was ist eigentlich ein Onsen?

Die geografische Lage Japans auf einem vulkanischen Archipel hat dem Land Tausende von heißen Quellen beschert, und es ist seit hunderten von Jahren in Japan Tradition, in diesen Quellen zu baden. Das Wort Onsen meint sowohl die heißen Quellen selbst als auch die Hotels, Resorts und Services, die rund um diese mineralhaltigen, vulkanischen Quellen entstanden sind. Die Wasserzusammensetzung in den verschiedenen Onsen variiert ebenfalls – schließlich handelt es sich um Wasser, das aus der Erde sprudelt. Onsen-Wasser kann reich an Kalzium, Natrium, Magnesium oder Schwefel sein. Um als Onsen bezeichnet zu werden, muss mindestens eines dieser Mineralien vorhanden sein, und das Wasser muss mit einer Mindesttemperatur von 25 Grad Celsius aus dem Boden kommen. Nicht verwunderlich also, dass die Badehäuser oft in wunderschönen Gegenden angesiedelt sind: Mitten in den Bergen, an Flussläufen, auf Waldlichtungen, in aufwändig angelegten Gärten oder mitten im Schnee. Ich hatte mir für meine Onsen-Experience die Bergregion um Kamikochi in den „japanischen Alpen“ ausgesucht – Wandern und Baden, herrlich! 

Wundermittel Onsen – kuriose Heilsversprechen

Als ich ermattet von der Wanderung in Kamikochi abends auf mein Sofa sank, begann ich, die Details der näheren Onsen zu studieren. Mit dem „Hirayu no Mori“ Onsen lockte ein Tattoo-tolerantes Badehaus, mitten im Bergwald: Milchiges, leicht schwefelhaltiges Wasser, 16 verschiedene Becken. Wie alle Mineralbäder pries auch das „Hirayu no Mori“ Bad an, welche gesundheitlichen Wunder die mineralischen Quellen vollbringen können: bessere Blutzirkulation, Tiefenreinigung der Haut, Blutdruckverbesserung und natürlich allgemeine Entspannung. Onsen-Fans (und -Besitzer) sind dafür bekannt, dass sie die ausgeflipptesten Behauptungen über ihr Wasser aufstellen – in einem Werbeprospekt las ich über die Linderung von vierzigtausend Beschwerden. Ich halte das weitgehend für Hokuspokus – außer die Sache mit der Entspannung. Baden entspannt mich wunderbar! Also war der Plan geschmiedet: Morgen früh ab ins „Hirayu no Mori“ Onsen.

Bin ich bereit für die Onsen-Experience?

Das Onsen öffnete um 10 Uhr. Also machte ich mich früh morgens fertig und packte – ja, was eigentlich? Was braucht man im Onsen? Genau genommen: Nichts. Denn man badet splitterfasernackt. Schon meine Reiseführer hatten mahnend angemerkt: Wer im Onsen mit Badeklamotten auftaucht, wird Probleme bekommen. Im Onsen baden Männer und Frauen in der Regel getrennt. Und: nackt. Also kein Bikini, keine Schlappen, aber ein Handtuch, vielleicht? Und wenn ja – welches? Groß, klein, beides? Ich beschloss, gar nichts mitzunehmen, denn mein Onsen versprach auf der Website, dass man sich alles Notwendige auch vor Ort mieten könne. Also düste ich los zum Badehaus und spürte nun doch, dass ich richtig nervös war – dabei hatte ich mich so auf das Baden in Japan gefreut. Ich saß noch ein paar Minuten im Auto auf dem Parkplatz und starrte auf das schmucke Holzhaus, dann fasste ich mir ein Herz und ging zur Tür.

Ich war erst mal richtig nervös!

Während ich noch etwas verlegen im Foyer von einem Fuß auf den anderen trat und versuchte, dem Ticket- (und Handtuch-) Automaten die richtigen Zettel zu entlocken, passierten mich bereits die ersten Badegäste. Sie grüßten freundlich, zeigten am Empfang ihre Dauerkarten vor und entschwanden sicheren Schrittes in die Baderäume. Ich hatte endlich meine drei Zettel (einmal Eintritt, ein großes und ein kleines Handtuch, für alle Fälle), bekam meine Handtücher und schlich etwas unsicher Richtung Umkleidekabinen. Am Eingang: Erst mal Anweisungen, das japanische Äquivalent zu unseren Baderegeln. Vor dem Baden ordentlich waschen, Haare hochbinden und beim Baden leise sein. Das Onsen ist kein Spaßbad, tobende Kinder und feiernde Gruppen gibt es nicht. Ich zupfte meinen Haargummi vom Handgelenk und öffnete die Tür zum Damen-Umkleideraum.

Vor dem Betreten des Onsen sollte man sich waschen

Aufatmen – der Umkleideraum war erst mal genau das, was ich erwartet hatte: ein normaler Umkleideraum. Ich packte meine Klamotten in ein Körbchen, schloss sie in einen Spind und ging wie Gott mich schuf (plus zwei Handtücher) in den Waschbereich. An den Waschtischen saßen bereits zwei Frauen und hatten mit der obligatorischen Waschprozedur begonnen. Darüber hatte ich schon einiges gelesen, dennoch setzte ich mich so hin, dass ich spicken konnte, wie die „Profis“ das tatsächlich machen: Man nimmt auf einem kleinen Hocker am langen Waschtisch Platz, bedient sich am bereitgestellten Duschgel und Shampoo und wäscht sich mithilfe einer Duschbrause oder eines kleinen Eimerchens. Und zwar überall. Vom Kopf bis zu den Zehen. Nach zehn Minuten Schrubben dachte ich eigentlich, ich wäre schon sehr sauber, aber die beiden Damen, die vor mir gekommen waren, schäumten immer noch. Also schäumte ich auch weiter. 

Das Wasser eines Onsen darf außer der Haut nichts berühren, nicht einmal die Haare
Das Wasser eines Onsen darf außer der Haut nichts berühren, nicht einmal die Haare Foto: Getty Images

Wohin mit dem Handtuch?

Nach weiteren fünf Minuten standen die beiden Damen neben mir auf, duschten sich die Seife vom Körper und begaben sich zum ersten Becken, das noch im Innenbereich des Waschraums angelegt war. Ich versuchte, aus den Augenwinkeln zu erspähen, was jetzt eigentlich mit den beiden Handtüchern geschehen sollte, die ich mitgebracht hatte. Da verstand ich: Das große Handtuch hätte ich eigentlich im Umkleideraum lassen sollen, die beiden „Profis“ hatten nämlich nur das kleine dabei. Das wurde jetzt vor Betreten des Wassers dreimal gefaltet und mit einer eleganten, beiläufigen Geste auf dem Kopf platziert. Faszinierend! Dann ließen sie sich ins heiße Wasser sinken, das Handtuch ruhte reglos auf ihren Köpfen. Hintergrund des Balanceaktes ist, dass im Onsen nichts außer der Haut das Wasser berühren soll. Kein Handtuch, kein Haarschopf. Ich schlich zurück in die Umkleide und ließ mein großes Badetuch zurück. Dann faltete ich mein kleines Tuch, fummelte es etwas ungelenk auf meinem Kopf zurecht und endlich ging es rein ins warme Wasser. Herrlich!

Langsam setzt die Entspannung ein

Nach dem ersten Becken im Waschraum wagte ich mich in den Außenbereich. Umsäumt von japanischen Ahornbäumen, Kiefern und Thujen lagen neun Badebecken im Garten, jedes mit einer anderen Wassertemperatur. Der Dampf des heißen Wassers durchzog die Luft und waberte durch die Äste. Auf den Holzwegen und Steinpfaden schlenderten meine Mitbadenden langsamen Schrittes von Becken zu Becken. Hier und da unterhielten sich zwei Onsen-Besucher flüsternd, im Wasser sitzend oder an die warmen Steine gelehnt. Andere wiederum schienen beim Waten durch die niedrigeren Becken im Gehen zu meditieren. Immer wieder ließ der Sommerwind die Blätter der Bäume sanft rascheln und die Sonne blitzte über die Gipfel. Eine Oase der Ruhe und Entspannung. Als ich langsam von Becken zu Becken wanderte, merkte ich, wie Anspannung und Nervosität von mir abfielen. Im warmen Wasser sitzend zupfte ich sanft mein Handtuch auf dem Kopf zurecht, lauschte dem Vogelgezwitscher und fand auf einmal alles, was über die Wunderwirkungen des Onsen-Badens behauptet worden war, absolut plausibel: Hier fehlt einem nichts. Ich hatte das Becken mit der für mich perfekten Temperatur gefunden, die Sonne glitzerte durch die Äste und ich fühlte mich, als würde ich fast selbst zu Wasser werden.

Ich tauche langsam wieder auf

Es gab keine Uhr im Badebereich des Onsen, deswegen ist es schwer zu sagen, wie lange ich tatsächlich baden war. Irgendwann führten mich meine Schritte zurück in den Waschraum und in die Umkleide. Noch etwas im Trance der Entspannung wandte ich mich Richtung Ausgang und entdeckte den Ruheraum, mit klassischen japanischen Tatami-Matten ausgelegt. Wie eine Handvoll anderer Besucher legte ich mich auf den Boden, schloss die Augen und dämmerte noch ein paar Minuten weg, bevor mich der Hunger weckte. Viele Badehäuser verfügen über eigene Restaurants, die erstklassige regionale Küche servieren. Der perfekte Abschluss.

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Meine Onsen-Erfahrung: unvergesslich!

Wie das Teetrinken haben die Menschen in Japan auch das Baden zur Kunst erhoben. Beim Besuch in Onsen erlebt man nicht nur ein japanisches Ritual, sondern hat die Chance, für ein paar Augenblicke das Alltagsgefühl der Menschen dort nachzuempfinden. Auch wenn ich anfangs furchtbar nervös war, ich könnte etwas falsch machen oder andere mit meiner Ahnungslosigkeit stören – diese Angst war völlig unbegründet. Ich denke, solange man sich an die ungeschriebenen Gesetze des Zusammenlebens in Japan hält – bitte sei respektvoll, leise und sauber – kann man in einem Onsen kaum etwas falsch machen. Selbst wenn man das mit dem Handtuch-Balancieren noch nicht so perfekt beherrscht.

Themen Japan
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