21. März 2023, 7:31 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
2022 war für Portugal in mehrerer Hinsicht ein besonderes Jahr: Noch im Frühjahr kämpfte das Land mit Corona-Höchstwerten – am Ende stand dennoch ein Rekord bei den Tourismuseinnahmen zu Buche. TRAVELBOOK sprach mit Nuno Fazenda, Staatssekretär für Tourismus, Handel und Dienstleistungen, über die Gründe für den Erfolg, ehrgeizige Ziele, Werbe-Kampagnen mit Cristiano Ronaldo und die strauchelnde Staatsairline TAP.
Erst Anfang Dezember 2022 hat Nuno Fazenda das Amt des Staatssekretärs für Tourismus, Handel und Dienstleistungen von seiner Vorgängerin Rita Marques übernommen und durfte sich somit noch wenige Wochen über ein Jahr freuen, das nicht nur an die Vor-Corona-Zeit anknüpfte, sondern die Rekordzahlen von 2019 sogar übertraf. Vor allem der US-Markt spielte dabei eine entscheidende Rolle. Wie wichtig dieser ist, zeigte sich im vergangenen November, als Cristiano Ronaldo von den Leuchttafeln des New Yorker Times Square nicht nur für sich, sondern auch für Portugal warb – eine für die sonst in puncto Marketingaktivitäten zurückhaltenden Portugiesen ungewöhnlich groß angelegte Aktion. Der Anfang einer neuen Werbeoffensive, die auch in Deutschland fortgesetzt wird? Das wollte TRAVELBOOK im Gespräch mit Nuno Fazenda wissen und erfuhr dabei auch, warum deutsche Urlauber für Portugal so interessant sind.
TRAVELBOOK: Zunächst: Glückwunsch! Lissabon wurde vergangenes Jahr mit dem TRAVELBOOK-Award als bestes Städteziel ausgezeichnet. Was macht die Stadt so besonders?
Nuno Fazenda: „Lissabon ist eine weltweit anerkannte Stadt, mit einzigartigen touristischen Attraktionen, Welterbestätten, mit hervorragender Gastronomie und sie hat, wie ganz Portugal, freundliche Menschen.“
Dennoch gab es nach dem Award auch negative Stimmen. Für die Einwohner gebe es immer weniger Gründe, diese Preise zu feiern …
„Ich denke, dass Portugal dankbar ist und auch sein sollte für diese internationale Auszeichnung. Es ist ein schöner Preis, mit dem unser Erbe, unsere Menschen, unsere Kultur und unsere Gastronomie anerkannt wird. Und zumindest für meinen Teil kann ich sagen, dass die portugiesische Regierung dankbar für den Award ist.“
„Wir müssen ehrgeiziger sein“
Portugal hatte im Frühjahr 2022 zwischenzeitlich die höchste Corona-Inzidenz in Europa, dennoch war es am Ende ein Rekordjahr bei den Tourismuseinnahmen. Was hat zum Erfolg beigetragen?
„Wir lagen mehr als 15 Prozent über dem Wert von 2019, das schon ein Rekordjahr war. Das beweist nicht nur die Exzellenz des Tourismussektors, sondern auch seine Resilienz. Sowohl die Unternehmen als auch die Institutionen und öffentliche Politik haben zu dieser Wende und letztlich zu dem Erfolg beigetragen. Zudem haben wir während der Pandemie Kampagnen gemacht mit der Botschaft, dass Portugal unverändert bleibt und man das Land zwar nicht zu diesem Zeitpunkt, aber später besuchen könne. Dann haben wir mit ‚Clean & Safe‘ ein Siegel eingeführt, das sogar als Referenz für andere Länder gedient hat. Wir haben die Krise mit einer kollektiven Anstrengung überwunden.“
Dennoch gibt es noch einiges zu verbessern …
„Ja, wir müssen ehrgeiziger sein und eine führende Rolle beim Tourismus der Zukunft spielen.“
Was bedeutet das?
„Wir möchten einen nachhaltigeren, inklusiveren und kohärenteren Tourismus haben. Deshalb wollen wir weiter unser Land, unsere Städte, unsere historischen Zentren und unser kulturelles Erbe bewahren und wertschätzen, denn sie sind die Grundlage für einen Tourismus, der ganz Portugal umfasst. Das bedeutet auch, dass wir das Landesinnere touristisch weiterentwickeln müssen, ohne die Relevanz der Küstenregionen und der etablierten Reiseziele wie die Algarve, Lissabon, Madeira und Porto zu mindern. Weiter möchten wir unsere Unternehmen bei der digitalen Transformation, die in einem globalisierten Bereich wie dem Tourismus unerlässlich ist, und der Energiewende mit den nötigen Mitteln unterstützen.“
Sie möchten das Landinnere für den Tourismus entwickeln. Welche Regionen stechen hier zurzeit heraus?
„Das gesamte Inland ist aus touristischer Sicht sehr vielfältig und attraktiv – wunderschön, vom Norden bis in den Süden. Aber ich würde sagen, dass von Trás-os-Montes, den Berg-Plateaus und das Douro-Tal, das zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, über die Beira-Regionen und die Serra da Estrela bis hin zum Alentejo, alles die Bedürfnisse des deutschen Marktes widerspiegelt.“
„Portugal braucht in der Tat eine neue Lösung beim Thema Flughafen“
Luftverbindungen spielen für Portugal eine wichtige Rolle. Nun steckt ausgerechnet die Fluggesellschaft TAP, die dem portugiesischen Staat gehört, in einer Krise. Wie wichtig ist die Airline für Portugal?
„Bei der TAP handelt es sich um eine für das Land strategisch wichtige Fluggesellschaft in Bezug auf Flugverbindungen, Vernetzung mit den portugiesischen Auswanderern, Einnahmen und Exporte. Gleichzeitig ist es unser Ziel, mit allen Airlines zusammenzuarbeiten, um die Zahl der Verbindungen aus aller Welt zu erhöhen.“
Dafür braucht es aber nicht zwingend eine portugiesische Fluglinie …
„Portugal braucht eine starke TAP. Und darauf müssen wir hinarbeiten, weil es unsere Rolle in der Welt bekräftigt.“
Es sind einige mögliche Käufer der TAP im Gespräch, auch die Lufthansa. Wie stehen die Chancen für die deutsche Airline?
„Es handelt sich hierbei um einen laufenden Prozess, daher werde ich dazu nichts sagen.“
Nun plant Portugal den Bau eines neuen internationalen Flughafens. Wann ist die Eröffnung geplant?
„Portugal braucht in der Tat eine neue Lösung beim Thema Flughafen. Und die Regierung hat in den vergangenen Jahren mit gebotener Eile und Dringlichkeit daran gearbeitet. Es wurde entschieden, eine konsensfähige Lösung zu finden. Dafür wurde eine unabhängige technische Kommission geschaffen, die gemeinsam mit Experten die beste Lösung in puncto Flughafen untersucht, basierend auf wissenschaftlichen und technischen Kriterien.“
Das klingt etwas vage. Was passiert bis dahin?
„Im Rahmen eines Investitionsplans des Flughafenbetreibers ANA ist vorgesehen, die Infrastruktur des Lissaboner Airports Humberto Delgado zu modernisieren und die Kapazität zu erhöhen. Das ist der aktuelle Stand der Dinge. Zudem gibt es auch noch die anderen Flughäfen mit entsprechenden Kapazitäten.“
Wie sieht es mit dem Schienenverkehr in Portugal aus?
„Derzeit findet bei Schienenverkehr das größte Investitionsprogramm der letzten 50 Jahre statt. Das betrifft Schienenverbindungen von Nord nach Süd. Mit Sicherheit gab es noch nie eine Erneuerung des Schienennetzes in einem solchen Umfang. Einige Strecken sind bereits wieder in Betrieb. Schon aus Gründen der Nachhaltigkeit wollen wir die Mobilität auf der Schiene verbessern.“
Aufgrund der Coronapandemie ist die Situation am Tourismus-Arbeitsmarkt schwierig geworden. Viele Erwerbstätige sind in andere Branchen geflüchtet …
„Wir entwickeln derzeit eine Agenda, die zum Ziel, mehr Talente für den Tourismus zu gewinnen und sie in der Branche zu halten. Gleichzeitig arbeiten wir an der Qualifizierung. Es gibt einen Plan, der rund 20 Millionen Euro umfasst, um unsere Touristikfachschulen noch weiter aufzuwerten. Und natürlich ist es wichtig, die Marke Portugal insgesamt zu stärken.“
»Die meisten Touristen in Lissabon kommen aus den USA
Das bedeutet auch Werbung für das Land machen – unter anderem mit Cristiano Ronaldo am New Yorker Times Square …
„Diese Initiative war eine weitere von vielen im Rahmen unserer sehr zielgerichteten Marketingstrategie in den Vereinigten Staaten. Und sie hatte eine signifikante Wirkung für die Bekanntheit Portugals auf internationaler Ebene. Die Zahl der Touristen aus den USA ist 2022 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 20 Prozent gestiegen. Schon jetzt kommen die meisten Touristen in Lissabon aus den Vereinigten Staaten. Das macht die strategische Bedeutung dieses Marktes deutlich.“
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Was ist mit Deutschland?
„Deutschland ist der zweitwichtigste Markt für Portugal bei den Übernachtungen und hat für uns eine große Bedeutung in Bezug auf die Tourismuseinnahmen, weil deutsche Urlauber überdurchschnittlich viel ausgeben und vergleichsweise lange bleiben. Besonders wichtig ist der deutsche Markt für Madeira und die Algarve. 60 Prozent der Übernachtungen entfallen auf diese beiden Regionen. Allerdings stellt Portugal nur 1,6 Prozent der internationalen Reisen in Deutschland dar. Daher wollen wir auch hier noch weiter wachsen.“
Große Werbekampagnen sieht man hierzulande aber nicht. Wie wollen Sie mehr Deutsche nach Portugal locken?
„Erstens: Wir möchten die Flugverbindungen ausbauen. Das ist sehr wichtig, um die Zahl der deutschen Touristen zu steigern. Zweitens werden wir unsere Maßnahmen im Bereich des Trade-Marketings, also etwa bei den touristischen Veranstaltern, verstärken. Drittens setzen wir weiter auf Online-Kampagnen und direkte Werbe-Aktivitäten in den verschiedenen Regionen Deutschlands. Und nicht zu vergessen: der Ausbau der Partnerschaften von Tourismusunternehmen.“
Einen Cristiano Ronaldo wie am Times Square werden die Deutschen aber nicht sehen …
„Man weiß nie. Noch haben wir hier keinen Times Square (lacht). Aber dafür viele andere interessante Plätze.“
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„Portugal schließt niemanden aus und ist als Reiseziel offen für alle“
Was unterscheidet deutsche Urlauber, neben der Tatsache, dass sie lang bleiben und viel Geld ausgeben, von anderen?
„Deutsche Touristen schätzen den Kontakt mit der Natur und sind sehr an nachhaltigen Zielen interessiert, also an dem Segment, das auch uns wichtig ist. Ein gutes Beispiel ist Madeira, das von den Deutschen sehr gern besucht wird. Madeira ist ein Naturjuwel mit einer hervorragenden Gastronomie und einem angenehmen Klima.“
Ein nachhaltiger Tourismus bedeutet auch: kein Massentourismus.
„Das ist immer ein Ziel. Aber im Fall des deutschen Marktes wollen wir im eben beschriebenen mittleren und höherpreisigen Segment wachsen, weil es gleichzeitig mit einer Steigerung der Einnahmen einhergeht.“
Viele Deutsche sind allerdings auch sehr preisbewusst. Ist die Zielgruppe der Touristen, die sparsam Urlaub macht, nicht mehr erwünscht?
„Portugal schließt niemanden aus und ist als Reiseziel offen für alle. Wir verfolgen zwar Strategien, welche die Einnahmen steigern und kaufkräftigere Kunden anziehen sollen, haben aber in allen Segmenten Angebote. Portugal steht für einen offenen, inklusiven Tourismus.“