10. Februar 2019, 9:30 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Alt und zugleich jünger denn je. Melancholisch und gleichzeitig dynamisch. Kein anderes europäisches Land bietet so facettenreiche Gegensätze wie Portugal. Nach einer langen wirtschaftlichen Krise hat sich das kleine Land am Atlantik sichtbar erholt.
Von Andrea Frahm
Das Bruttoinlandsprodukt steigt kontinuierlich, die Arbeitslosigkeit sinkt, und die Zeiten, in denen junge Portugiesen nach Schule und Studium das Weite suchten, um in anderen Ländern einen Job zu finden, sind vorbei.
Neben den üblichen Touristenscharen an der Algarve, in Lissabon oder auf der Blumeninsel Madeira hat sich eine neue Spezies an Reisenden dazugesellt: Großstadt-Hipster und digitale Nomaden, die in Surf-Retreats an Portugals paradiesischen Küsten die ultimative meditative Entspannung suchen und entschleunigt arbeiten wollen; Gourmetfans, die sich nebst Weinprobe von portugiesischen Familien auf dem Landgut bekochen lassen oder aber Reisende mit Handicap, die dank einer professionellen Infrastruktur von einer Vielzahl an barrierefreien Ausflugspaketen profitieren.
Innovative Reiseangebote
Tourismus ist nach wie vor eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes, und so haben die portugiesischen Tourismus- und Wirtschaftsministerien in den letzten Jahren attraktive Initiativen gestartet, um innovative Geschäftsmodelle zu fördern und das Land für junge Leute und Start-ups noch attraktiver zu machen. Der Web Summit, die größte Technologie-Konferenz Europas, findet mit über 70.000 internationalen Teilnehmern seit 2016 jährlich in Lissabon statt. Einwandfrei funktionierendes WLAN findet man in jeder noch so abgelegenen Region des Landes. Und mit dem Angebot an innovativen Reiseerlebnissen steht Portugal im europäischen Vergleich klar an der Pole-Position, egal ob bei Angeboten für barrierefreies Reisen oder beim Entdecken der zahlreichen kulinarischen Highlights, die das Land zu bieten hat.
Höhere Übernachtungskosten in Lissabon und Porto
Lissabon und Porto, Portugals Vorzeigestädte, sind beliebter denn je. Mit der Folge, dass Übernachtungskosten in den letzten zwei Jahren deutlich gestiegen sind. Jeder zweite Portugiese in Lissabon sichert sich mittlerweile mit der staatlich unterstützten Vermietung seiner Wohnung über Plattformen wie Airbnb einen soliden Nebenverdienst oder gar ein Haupteinkommen. Für Goncalo Correia zum Beispiel ist daraus ein lukrativer Full-Time-Job entstanden. Er entschied kurzerhand, sein Haus in Belém – einem bei Touristen sehr beliebten Stadtteil – zu renovieren und umgestalten zu lassen und vermietet mittlerweile acht individuell designte Wohlfühl-Apartments – sowohl an Urlauber als auch an Start-up-Gründer und digitale Nomaden aus aller Welt, die langfristig in der Stadt verweilen.
Geboren und aufgewachsen in Lissabon, freut sich Correia über den wirtschaftlichen Aufschwung seines Landes, sieht aber auch die die Nachteile der Gentrifizierung, die wie überall in erster Linie die älteren Einheimischen trifft, die sich die steigenden Lebenshaltungskosten in der Stadt nicht mehr leisten können. Die Wurzel des Problems liegt seiner Meinung nach zum Großteil bei den Immobilieninvestoren aus dem Ausland, die das Fünffache des Werts für eine Wohnung zahlen. „Der Markt ist überfüttert“, sagt Goncalo. „Es ist eine Frage der Zeit, wie lange das noch so weitergehen kann. Die Regierung ist hier gefordert. Steuerentlastungen für Vermieter, die für längere Zeiträume vermieten oder höhere Steuern für die nach wie vor zahlreichen leerstehenden Wohnungen könnten ein erster Ansatz sein.“
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Beste Bedingungen für digitale Nomaden
Auch Coworking-Spaces und Meditationsretreats schießen wie Pilze aus den portugiesischen Böden, und das nicht nur in der Hauptstadt am Tejo. Surfer Hotspots wie Aljezur oder Peniche haben ebenfalls auf den Coworking Hype reagiert und bieten digitalen Nomaden die perfekte Welle als Entschleunigungs-Tüpfelchen auf dem „I“.
Wer stattdessen den vollständigen digitalen Detox sucht, bucht sich eine Auszeit in der unberührten und wildromantischen Natur Portugals. Shaini Verdon, eine Holländerin, die seit zehn Jahren in der Region Aljezur lebt, bietet das Komplettpaket: Eingebettet zwischen der malerischen Küste und den blühenden Hügeln der Costa Vicentina, betreibt sie ein Surf-, Yoga- und Meditationsretreat. Vor dem Haus grasen friedlich Pferde und neben Iyengar-Yoga-, Meditations- und Surfkursen gibt es für die Retreat-Teilnehmer täglich frisch zubereitete vegane Küche aus der Region – der ultimative Slow-Living-Traum.
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Geheimtipp Azoren
Der absolute Geheimtipp ist laut Goncalo aber ein anderer: die Azoren, eine Gruppe von neun atemberaubend schönen Inseln, mitten im Atlantischen Ozean und nur eine Flugstunde von Lissabon entfernt. Ein grünes Paradies mit einer Durchschnittstemperatur von 15-20 Grad das ganze Jahr hindurch. Hier kann man stundenlang wandern, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Und das alles mit dem Atlantik vor der Nase und 5G an jeder Milchkanne. Portugal, meu amor…