5. Februar 2021, 15:18 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Lange war kein Land der Welt den offiziellen Infektionsraten zufolge stärker von der Corona-Pandemie betroffen als Portugal. Ein Grund dafür war, dass die Regierung sich zu spät zum Lockdown entschloss und zu Weihnachten Familientreffen ermöglichte. Nuno Alves, Editorial Director von TRAVELBOOK und selbst Portugiese, verfolgt das Drama in Portugal täglich – auch weil nahezu seine gesamte Familie dort lebt. Er fragte seine Cousine, die als Krankenschwester in einer Langzeitpflegeeinrichtung in Guimarães in Nord-Portugal arbeitet, ob und wie die portugiesische Regierung die Corona-Katastrophe hätte abwenden können. Auf TRAVELBOOK schreibt Tânia Alves, die bereits beide Impfdosen erhalten hat, über die Versäumnisse der Politik.
Von Tânia Alves
Ich denke, die portugiesische Regierung hat zu nachsichtig und zu spät reagiert. Vor allem zu Beginn der verschiedenen Pandemie-Phasen hat sie den Fehler gemacht zuzulassen, dass sich eine Lage zunächst entwickelte, um erst dann Maßnahmen zu ergreifen. Sie hat sich darauf konzentriert, auf die Probleme zu reagieren, anstatt ihnen vorzubeugen.
Die Einführung der Maskenpflicht im Freien geschah zu spät, ebenso wurden Grenzen und Schulen viel zu spät geschlossen. Und vor allem in der Weihnachtszeit und rund um den Jahreswechsel war die Regierung zu nachgiebig, vielleicht aus politischen Gründen.
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„Jeder klatscht Beifall, aber niemand ändert das System“
Für uns, die Beschäftigten im Gesundheitswesen, gilt: Erst wenn wir wirklich respektiert und mit der nötigen Wertschätzung behandelt und gerecht bezahlt werden, werden auch wir endlich spüren, dass sich unser Einsatz lohnt. Jeder klatscht Beifall, aber niemand ändert das System.
Wir alle wissen, dass die Portugiesen Corona-müde sind – und auch, dass sich die Regierung aus Portugiesen zusammensetzt, die ebenfalls um Angehörige trauern. Doch sie dürfen zu keinem Zeitpunkt die Augen verschließen vor der aktuellen Situation. Warum wurde das Risiko eingegangen, ein Weihnachten mit der Familie zu ermöglichen, wenn beim nächsten jemand nicht mehr dabei sein kann wegen dieser schrecklichen Krankheit? Oder aber wir müssen Familienangehörige, wie zuletzt geschehen, ins Ausland bringen, weil wir hier nicht mehr für sie sorgen können (aufgrund des überlasteten Gesundheitssystems hat sich etwa Österreich bereit erklärt, portugiesische Intensivpatienten aufzunehmen, Anmerk. d. Red.).
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„Wir sind ein Volk, das nicht aufgibt“
Keiner hat mit der neuen, noch ansteckenderen Virusvariante aus Großbritannien gerechnet, aber wir ahnten, dass es mehr als nur eine Welle in dieser Pandemie geben würde. Wir rennen den Ereignissen nur hinterher. Einige Maßnahmen haben sich als richtig erwiesen, andere nicht.
Insgesamt denke ich aber, dass die Regierung guten Willen und Einsatz gezeigt hat, um das unter Kontrolle zu bekommen, was kaum zu kontrollieren ist.
Wir werden es schaffen, dessen bin ich mir sicher. Wir sind ein Volk, das nicht aufgibt, und bis zum Schluss gegen diese Pandemie kämpfen wird.