16. Dezember 2022, 4:59 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
Wer nach Südostasien reisen möchte, wählt meist eines der typischen Ziele: Neben Vietnam zählt dazu vor allem Thailand. Myanmar dagegen haben immer noch wenige Touristen auf dem Schirm. TRAVELBOOK-Autor Martin Lewicki war dort und beschreibt, wie er das Land erlebt hat.
Hinweis: Die Reise, um die es in diesem Artikel geht, fand vor dem Militärputsch im vergangenen Jahr statt. Seitdem liegt der Tourismus im früheren Birma – das nach jahrzehntelanger Abschottung unter der Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi endlich demokratische Reformen eingeleitet hatte – komplett am Boden. In dem buddhistischen Land, das Reisende in besseren Zeiten immer wieder als friedvoll und geradezu idyllisch bezeichnet haben, regieren seither Chaos, Angst und Gewalt. Derzeit wird ausdrücklich vor Reisen nach Myanmar gewarnt, Deutsche Staatsangehörige sollten das Land verlassen.
Mehr Tipps und Inspirationen rund um Myanmar geben Adrian und Christoph von „Welttournee“ in der folgenden Podcast-Folge von In 5 Minuten um die Welt. Auch diese Reise fand vor dem Militärputsch statt:
Übersicht
Bagan – 2000 Tempel, Pagoden und Stupas
Es ist 5:30 Uhr morgens. Raus aus dem Bett, denn gleich beginnt die Jagd nach dem perfekten Sonnenaufgang. Wer Bagan, das Freiluftmuseum von Myanmar mit seinen 2000 Tempeln, Pagoden und Stupas besucht, der möchte ein Postkartenmotiv mit nach Hause nehmen – oder es auf Instagram posten. Und das funktioniert wie folgt: Man verlässt spätestens eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang seine Unterkunft, mietet sich einen Elektro-Scooter – findet man an jeder Ecke in Bagan – und düst damit umweltfreundlich zu einem der unzähligen Aussichtspunkte. Tipps holt man sich im Hotel, Hostel oder Internet. Spätestens nach ein paar Tagen möchte man jedoch seinen eigenen geheimen Hotspot finden.
Heißluftballons und Tempel – das ideale Instagram-Motiv
Dort angekommen sucht man sich die optimale Stelle für ein Foto aus und wartet in Lauerstellung. Erst steigen die Touristen-Heißluftballons auf (der kurzweilige Spaß kostet 250 bis 300 Euro pro Person) und nach ein paar Minuten erstrahlt die Sonne über den Tempeln. Diese Melange ergibt ein ideales Instagram-Motiv. Die Qualität der Bilder ist allerdings von der Jahreszeit abhängig.
Zwischen März und April ist in Myanmar (und anderen südostasiatischen Staaten) die sogenannte Burning Season. Die Einheimischen verbrennen nicht nur ihren Unrat überall, sondern setzen auch kontrollierte Feuer auf Feldern und in Wäldern, um die Böden von eingewachsenen Resten zu befreien und so auf die nächste Anbausaison vorzubereiten.
Hohe Luftverschmutzung in der Burning Season
Der ungünstige Nebeneffekt der Burning Season: wochenlange Luftverschmutzung in Form einer Dunstwolke, die über dem ganzen Land liegt. Darunter leidet auch die Weitsicht, womit Fotos nur mit diffusen Landschaften im Hintergrund gelingen. Zudem sorgt die Trockenperiode im ersten Drittel des Jahres für staubtrockene Luft und Temperaturen von bis zu 40 Grad Celsius. Während dieser heißen Jahreszeit ist man in Bagan morgens bis höchstens 11 Uhr und nachmittags wieder ab 16 Uhr unterwegs. Tagsüber chillt man meistens in seiner klimatisierten Unterkunft oder gemütlich am Pool – eine empfehlenswerte Ausstattungsoption.
Für Bagan braucht man mehrere Tage
Abends geht die Jagd nach dem perfekten Foto weiter, diesmal in Verbindung mit einem Sonnenuntergang und ohne Heißluftballons. Man braucht tatsächlich mehrere Tage, um sich an den faszinierenden Bauten sattzusehen. Sie zeugen von der großen Zeit der ehemaligen Königsstadt, die zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert nach Christus ihre Blütezeit erlebte. In dieser Periode entstanden rund 6000 buddhistische Pagoden (begehbar) und Stupas (nicht begehbar), von denen ein Drittel noch erhalten ist und zum Teil restauriert wurde. Seit Mitte 2019 zählt Bagan nun zum Weltkulturerbe der Unesco.
Trekking-Tour von Kalaw zum Inle-See
Etwa sechs Autostunden von Bagan entfernt befindet sich Kalaw. Von hier aus lernt man auf einer dreitägigen Trekking-Tour zum Inle-See den Shan-Staat kennen. Es geht über Berge und Täler an Flüssen und Feldern vorbei, hin zu kleinen Dörfern, in denen man bei Einheimischen übernachtet. Die Ausblicke und Sonnenuntergänge über den Bergen sind spektakulär.
Hinzu kommt das hervorragende Essen auf der Tour. Eine Spezialität sind die Shan-Nudeln. Diese Reisnudeln gibt es als klebrige Sticky- oder Non-Sticky-Variante und das als warmen Salat oder als Suppe. Allein um die verschiedenen Geschmacksvarianten auszuprobieren, braucht man Tage. Gut, dass sie landesweit angeboten werden, auch wenn sie hier natürlich besonders schmackhaft sind. Weitere Köstlichkeiten sind der Tea-Leaf-Salat aus fermentierten Teeblättern, Knoblauch, knackig gerösteten Erbsen und Nüssen sowie der Avocado- und Tomatensalat – beide simpel, aber ungemein lecker gewürzt.
Die Strecke zum Inle-See ist selbst von Unerfahrenen zu meistern, sofern man nicht in der Monsun-Zeit unterwegs ist. Zudem braucht man nicht viel Gepäck mit sich herumschleppen, denn die Tour-Veranstalter transportieren den Großteil von Kalaw zum Inle-See und dort zur gewünschten Unterkunft. So reicht ein kleiner Rucksack mit dem Nötigsten.
In Kalaw gib es unzählige Trekking-Anbieter. Die guten erkennt man meistens daran, dass sie auch Alternativ-Routen abseits der populären Strecke anbieten. Und dass sie nicht nur große Gruppen von mehr als acht Personen führen, sondern auch individuell betreuen können, so wie beispielsweise der „Ever Smile Trekking Service“.
Auch interessant: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Wandern und Trekking?
Besser nicht ohne Bergführer wandern
Die Standardpreise bei den meisten Anbietern für eine geführte Tour von Kalaw zum Inle-See liegen bei 30.000 Kyat (rund 20 Euro) für zwei Tage und eine Übernachtung inklusive aller Mahlzeiten (Getränke exklusive), 40.000 Kyat (rund 26 Euro) für drei Tage, zwei Übernachtungen inklusive aller Mahlzeiten (Getränke exklusive). Und wer beispielsweise nur zu zweit geführt werden möchte, zahlt 60.000 Kyat (rund 39 Euro) pro Person für den exklusiven Service.
Obwohl die Strecke für erfahrene Wanderer nicht anspruchsvoll ist, sollte man es sich gut überlegen, ob man alleine ohne einen Bergführer aufbrechen möchte. Denn selbst in der meist zuverlässigen Offline-Karten-App „Maps.Me“ sind viele der Wanderwege nicht eingezeichnet. Die Kommunikation in den Dörfern ist schwierig, da dort kaum Englisch gesprochen wird. Und Stromversorgung ist nicht immer vorhanden. Tagsüber laden die Einheimischen über Solarzellen einen großen Akku im Haushalt auf, um abends und nachts davon zu zehren. Insofern ist es ratsam, eine Powerbank zum Aufladen des Smartphones mitzuführen.
Der Inle-See – schwimmende Dörfer und Einbein-Fischer
Nach drei Tagen Wanderung erreicht man schließlich das Südende des Inle-Sees. Er ist das zweigrößte Binnengewässer Myanmars und noch viel mehr als das. Speziell im Süden wurde ein eindrucksvolles Kanalsystem mit schwimmenden Dörfern errichtet. Auf dem Wasser befinden sich ganze Felder und Gärten, auf denen wie selbstverständlich Gemüse angebaut wird. Dazwischen gibt es Handwerksbetriebe, Unterkünfte, Tempel und sogar ein Kloster. Und mitten auf dem See balancieren ikonenhaft die Fischer auf ihren Booten. Sie stehen auf einem Bein, während sie mit dem anderen das Ruder bedienen und so beide Hände zum Fischen freihaben. So sieht hier Multitasking aus.
Nyaung Shwe – perfekter Ausgangspunkt für Tagesausflüge
Zum Abschluss der Wanderung durchquert man das außergewöhnliche Gewässer gen Norden bis Nyaung Shwe. Hier befinden sich die meisten Unterkünfte. Obwohl der Ort selbst nicht zu den schönsten gehört, können von hier aus weitere Ausflüge unternommen werden. Zum Beispiel zum Pagoden-Komplex Mwe Taw Kakku (liegt etwas außerhalb, nördlich des Sees) oder zur Pagode Shwe Inn Dein im südlichen Teil. Wer sich zu diesem Zeitpunkt der Reise an Tempel-Anlagen sattgesehen hat, der kann stattdessen ein Glas Wein zu sich nehmen und die Aussicht auf den See genießen. Das geht am besten in einem der Weingüter der Region, z. B. im Red Mountain Estate, das man bequem mit einem Leihfahrrad von Nyaung Shwe in knapp einer halben Stunde erreicht. Auch eine erholsame Massage in einem der vielen Studios ist nach der Wanderung eine Wohltat.
In Ngapali Beach bleibt man gerne „hängen“
Myanmar ist aber nicht nur was für Kulturreisende und Aktivurlauber, sondern auch für Strandliebhaber. Besonders beliebt ist der Ngapali Beach an der Westküste des Landes. Der Ort ist per Bus oder Flugzeug erreichbar und strahlt, obwohl touristisch ausgerichtet, eine idyllische Atmosphäre ohne große Hotelburgen aus. Überraschend sind das kristallklare Wasser und die sauberen Strände. Die Hotelanlagen wirken geschmackvoll und verteilen sich entlang der Küste. Die günstigen Schnorchelausflüge zu den benachbarten Inseln sind zwar eine nette Abwechslung, spektakuläre Riffe gibt es aber nicht zu sehen.
Empfehlenswert ist es, mit einem Fahrrad oder Mofa die Küste Richtung Norden zu erkunden. Das geht sehr einfach, indem man lediglich der Hauptstraße folgt. Ein Highlight auf der Strecke ist der kleine Flughafen, dessen Landebahn wenige Meter vom Meer entfernt beginnt. Wer Glück hat, erlebt den Landeanflug eines Flugzeugs direkt über dem eigenen Kopf.
Auf jeden Fall sollte man noch ein wenig weiter nördlich fahren, denn dort verbergen sich richtige Strandperlen. Ein Geheimtipp ist das kleine Familien-Restaurant Silver Wave. Da es kein Hinweisschild an der Straße gibt, sollte man es sich vorher in seiner Karten-App markieren.
Dort bekommt man nicht nur fantastisches Seafood zu günstigen Preisen – zum Beispiel einen frisch gegrillten ganzen Red Snapper für umgerechnet fünf Euro –, sondern auch einen menschenleeren Traumstrand serviert. Tatsächlich bleiben viele Besucher in Ngapali länger „hängen“ als geplant, denn die entspannte Atmosphäre, das tolle Essen und der Strandflair sind einfach zu verlockend.
Yangon – ein guter Start- und Endpunkt
Zum Strand von Ngapali kommt man am besten von Yangon aus, so die offizielle Bezeichnung von Rangun. Die ehemalige Hauptstadt und Millionen-Metropole ist ein guter Start- und Endpunkt für eine Reise durch Myanmar. Yangon selbst hat etliche besondere Attraktionen zu bieten. Die wichtigste ist sicherlich die Shwedagon-Pagode. Sie ist ein Muss, unabhängig davon, wie viele buddhistische Tempelanlagen man gesehen hat oder sehen wird. Es ist eine faszinierende Traumwelt aus zig Tonnen Gold und Marmor, die trotz des Prunks und vieler Besucher eine besinnliche Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt.
Abends erwacht Yangons China Town zum Leben. Vor allen in der 19th Street, aber auch in den benachbarten Straßen tobt unter bunten Laternen das Leben. Dabei sollte man ruhig etwas Mut beweisen und bei den vielen Street-Food-Ständen zugreifen. Das Essen in Myanmar ist sehr vielseitig und würzig. Knoblauch, Zwiebeln und Schärfe gehören fast immer dazu. Empfindliche Mägen sollten aber bei Fleischgerichten und leicht verderblichen Speisen aufpassen.
Der Circular Train von Yangon
Ein weiteres Highlight Yangons ist die sogenannte Circular Train. Dabei umrundet man ganz gemütlich in drei Stunden die gesamte Stadt und passiert etliche Randbezirke. Währenddessen erlebt man ein kleines Spektakel, das die vielen Verkäufer in den Waggons veranstalten. Sie laufen laut werbend den Zug auf und ab mit Früchten, Süßigkeiten, kleinen Snacks und sonstigen Waren, die sie im Schlepptau haben. Am eindrucksvollsten sind die Verkäuferinnen, die unter staunenden Blicken ihrer Kunden im Handumdrehen einen frischen Tofu-Salat aus diversen Zutaten zaubern.
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Yangons verlassener Vergnügungspark
Selbst Fans von Lost Places werden in Yangon fündig: Direkt am Südende des Stadtzoos liegt nämlich ein verlassener Vergnügungspark.
Der Besuch ist zwar nicht ganz legal, aber angrenzende Bewohner verdienen sich gerne etwas dazu, indem sie Touristen für 1000 Kyat (etwa 70 Cent) den Weg durch den Zaun weisen. Dafür bekommt man eine bizarre Welt zu sehen, die sich auch hervorragend als Kulisse für einen Horrorfilm eignet – oder für einen Instagram-Post.
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