18. April 2016, 10:50 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Samoa – das ist zunächst mal irgendein fernes Tropenparadies im Südpazifik. Es ist das Land der großen dicken Menschen, die bei Olympischen Spielen hinter allen anderen hinterherlaufen. Und es ist das Land, das sich 2011 über die Datumsgrenze hinwegsetzte und das seitdem zumindest in einer Beziehung immer ganz vorne ist: Jeder Tag beginnt in Samoa, denn hier geht die Sonne als erstes auf. Und meistens scheint sie dann schöner als überall sonst.
Die Lage
Zugegeben, Samoa ist weit weg und die Anreise ein großes Ding. Man fliegt zum Beispiel über Auckland und ist beinahe zwei Tage unterwegs. Doch der Aufwand lohnt sich, und wer ohnehin einen längeren Trip durch Neuseeland macht, sollte unbedingt den Sprung nach Samoa wagen, insbesondere nach Westsamoa.
Westsamoa ist im Gegensatz zum amerikanischen Samoa, der Insel Tutuila, ein unabhängiger Inselstaat aus zwei Hauptinseln, in dem technischer Fortschritt, Aufklärung und Stress noch nicht so verbreitet sind wie im Rest der Welt. Auch Touristen sind eher rar. Die meisten sind Neuseeländer oder Australier, die kostengünstig einen Sommerurlaub in der Südsee erleben wollen. Sie bleiben für gewöhnlich auf ‘Upolu, der Insel mit dem Flughafen in Faleolo, entweder in der Hauptstadt Apia oder in einem Dorf im Südosten der Insel, Lalomanu.
In Apia gibt es Hotels, Restaurants, Nachtclubs und einen großen Markt, auf dem der weltbeste Bananenkuchen verkauft wird. Was kein Wunder ist, denn samoanische Bananen sind eine Offenbarung. Wer einmal eine dieser süß-fruchtigen kleinen Köstlichkeiten gegessen hat, versteht einerseits, warum Bananen unter den Begriff Obst fallen, und wird andererseits die trockenen, weißen, krummen Stangen aus unseren Supermärkten auf ewig verschmähen. In Apia machen Touristen gerne Party, trinken billige Cocktails und kaufen Souvenirs. Und in Lalomanu, wo es eigentlich nur Strand-Ressorts und einen Kiosk gibt, wohnen sie in kleinen, oft wandlosen Holzhütten mit einem Dach aus getrockneten Palmenblättern direkt am Strand, gehen jeden Tag im Meer baden und kultivieren ihren Teint.
Die reizvollere Insel ist jedoch Savai’i. Um dorthin zu kommen, nimmt man die Fähre und braucht Geduld. Deshalb gibt es dort kaum noch Touristen und wenn man als Weißer nach Savai‘i kommt, zeigen die samoanischen Kinder mit dem Finger und rufen fröhlich palagi.
Fortbewegung
Wer kein eigenes Auto mieten möchte, hat zwei Möglichkeiten, um weite Strecken auf der Küstenstraße zurückzulegen: Bus oder Hitch-Hiking. Die Busse sind bunte, alte Schulbusse. Sie fahren nach einem Plan, den wahrscheinlich nur Samoaner verstehen. Jedenfalls ist eine Busfahrt ein empfehlenswertes Erlebnis. Haltestellen sind da, wo Menschen am Straßenrand stehen, und ein Fahrzeug ist nicht voll, solange niemand außen dranhängt.
Hitch-Hiking funktioniert in Samoa sehr gut. Man wartet dabei nicht darauf, dass ein Auto hält, sondern dass eines kommt. Samoaner sind grundsätzlich sehr freundlich und nehmen einen gerne mit, besonders auf Savai’i. Und da alle Samoaner Englisch sprechen, bekommt man beim Hitch-Hiking Kontakt zu den Locals und oft auch gute Tipps für Ausflüge.
Must dos
Samoa hat traumhafte, spektakuläre An- und Aussichten in petto. Da sind einerseits an der Küste Traumstrände und einzigartige Felsformationen. Andererseits locken im Inland üppiger Regenwald und zahlreiche Wasserfälle zu schweißtreibenden Wanderungen. Besonders schön ist der Afu Aau Wasserfall auf Savai’i. Das klare, frische Wasser in dem Pool, in den er fällt bietet eine willkommene Abwechslung zum Ozean, um eine Runde zu schwimmen.
Doch absolut einzigartig sind genau drei Dinge, die man nur in Samoa tun kann. Erstens: Eine Nacht in gut 30 Metern Höhe auf einer Plattform in den Stämmen einer riesigen, uralten Banyan-Feige verbringen. Der Baum wächst seit Jahrzenten ganz im Nordwesten von Savai’i nahe Falealupo. Die Familie, der das Land gehört, auf dem er steht, hat aus Holz eine Plattform und unzählige Stufen zwischen seine Stämme gezimmert, vermietet sie für wenig Geld an jeden, der hoch hinaus will, und versorgt Übernachtungsgäste mit Frühstück, Abendbrot und Moskito-Netz. Buchen muss man – wie bei den meisten Unterkünften in Samoa – vorher nicht, da sich eher selten jemand nach Falealupo verirrt.
Zweitens: Eine Höhlenwanderung ohne Guides und Neoprenanzug. Im Norden von Savai’i führt ein kleines Loch unter die Erde, in die Peapea Höhle, benannt nach ihren Bewohnern: Kleine, die Dunkelheit liebende Vögel. Anders als unterirdische Wanderrouten in Neuseeland ist die Peapea Höhle frei zugänglich – wenn man denn den Eingang findet. Wenn nicht, können Samoaner weiterhelfen. Man sollte am besten eine wasserdichte Taschenlampe dabei haben, damit einen nicht gleich der erste Underground-See am Weitergehen hindert.
Drittens: Den ersten Sonnenaufgang der Welt anschauen. Wer es ganz genau nimmt, muss dafür natürlich an die Ostküste von ’Upolu, wo auch das Strand-Paradies Lalomanu liegt. Dort, wenn die Sonne aus dem Ozean auftaucht, beginnt der Tag so unbefleckt wie nirgends sonst.
Die Kulinarik
Samoaner essen gerne. Es geht das Gerücht, Polynesier neigten genetisch bedingt zu Übergewicht, aber seien wir ehrlich: Jeder Europäer, der einige Zeit wie ein erwachsener Samoaner leben würde, dürfte ohne Weiteres schnell die Zwei-Zentner-Marke überschreiten.
Am Sonntag veranstaltet jede Familie in Samoa ein to‘ona‘i, ein Festessen. Traditionell werden alle Speisen dafür in einem ‘umu, einem Erdofen, zubereitet, d.h. in einem oft mit Flachsfasern ausgelegten Erdloch platziert und unter Lavasteinen gegart, die zuvor am Feuer erhitzt wurden. Diese ‘umu-Tradition wird insbesondere sonntags noch rege gepflegt. Im Alltag haben Herde und Elektrobacköfen den ‘umu weitgehend abgelöst. Beim to‘ona‘i gibt es meistens mehrere Gerichte. Schweine- und Hühnerfleisch, verschiedene Fische, Hummer. Dazu gibt es Tarowurzeln, Kochbananen und Brotfrucht.
Brotfrüchte wachsen überall an den Bäumen, sehen aus wie Brotlaibe und lassen sich geschmacklich am ehesten mit Kartoffeln in Verbindung bringen, wobei sie in ihrer Konsistenz lockerer sind. Wenn sie gebacken werden, bildet sich am Rand eine Kruste.
Eine typische Gemüsebeilage ist das lu‘au, bei dem Taroblätter mit Kokosnusscreme gefüllt und im Ofen gegart werden. Es schmeckt ein bisschen wie Rahmspinat, aber süsslicher.
Von Diäten und bewusster Ernährung verstehen die Samoaner nicht viel. Dafür umso mehr von Kokosnüssen, Bananen und Kakao. Aus jungen Kokosnüssen kann man den Saft trinken. Er schmeckt wie Limonade. Das Fleisch, das drumherum noch fest an der Schale haftet, ist knackig und relativ geschmacksneutral. Ältere Kokosnüsse liefern Kokosmilch, einen milchigen, aber flüssigen Saft, den man gut mit dem nun schon weicheren Fleisch verquirlen und als säuerlich schmeckenden Brei löffeln kann. Vollreife Kokosnüssen enthalten eine einheitliche Creme. Die gehört in Taroblätter gewickelt und kann für Soßen verwendet
werden.
Bananen gibt es in verschiedenen Größen. Die großen erntet man unreif und kocht oder brät sie, die kleinen pflückt man, wenn sie gelb, vielleicht schon ein bisschen braun sind, und nascht sie zwischendurch oder zermatscht sie, vermischt das Bananmus mit Mehl und Ei, formt kleine Teigkugeln daraus und lässt sie in heißem Öl ausbacken.
Und der samoanische Kakao ist legendär: Frische Kakaobohnen werden zermalmt, mit Zucker gemischt und mit heißem Wasser aufgegossen und das Ergebnis ist ein Heißgetränk, das den Namen Kakao im eigentlichen Sinne wahrhaft verdient.
Mahlzeiten vollziehen sich bei den Samoanern immer in zwei Etappen. Zuerst essen nur die Eltern mit den Gästen, bis alle satt sind. Die Kinder müssen warten und bekommen dann, was übrig bleibt. Aber in Samoa braucht man gar nicht immer das Sahnestück auf dem Teller, um glücklich zu sein.
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Reiseinformationen zu Samoa
Die Sprache
Samoanisch gehört zur Familie der polynesischen Sprachen und ist etwa mit Maori, Hawaiianisch und Tonganisch verwandt. Beispielsweise in der samoanischen Entsprechung zum weltbekannten Aloha von Hawaii, „Talofa“, ist die Ähnlichkeit deutlich zu erkennen.
Zungenbrecherische Konsonantenfolgen wie in den slavischen Sprachen gibt es im Samoanischen nicht; hier folgt auf jeden Konsonanten mindestens ein Vokal.
Eine Besonderheit für unsere Ohren ist der Glottalverschluss, geschrieben als Apostroph (’), der als bedeutungsunterscheidende Lauteinheit fungiert. Wenn zwischen zwei Vokalen ein Glottalverschluss steht, spricht man sie a a, steht keiner da, spricht man ein langes a.
Das g ist ein Nasal und wird wie der Laut nach dem i in gingen gesprochen.
Grammatische Merkmale werden weitgehend mit Partikeln und kaum durch Flexion am Wort ausgedrückt.
Der Glaube
Religion spielt in Samoa eine extrem große Rolle. Die meisten Samoaner sind Christen und in jedem noch so kleinen Dorf steht eine Kirche. Der jeweilige Pastor hat im Grunde den Rang des Häuptlings eingenommen, jeder schaut zu ihm auf.
Abends um sechs läutet ein Pastorenkind eine Glocke und die Familien ziehen sich in ihre Häuser zum Abendgebet zurück. Man trifft um diese Zeit nur äußerst selten einen Samoaner auf der Straße.
Sonntags ist allwöchentlich ein großer Tag. Ganz in Weiß gekleidet strömt das gesamte Dorf morgens um neun in die Kirche zum ersten Gottesdienst. Er dauert ein bis zwei Stunden, es wird gebetet, gesungen und gepredigt. Der Chor, der die Woche über täglich probt, singt leidenschaftlich, klar und aufrichtig. Auf den Morgengottesdienst folgt im Privaten das to‘ona‘i und danach wird geruht. Baden, unruhige Bewegung und jegliche Freizügigkeit werden von vielen Samoanern grundsätzlich als anstößig empfunden, sonntags aber ganz besonders missbilligt. Der Sonntag gilt allein dem Herrn. Nachmittags um vier steht der zweite Gottesdienst an.
Der Lebensstil
Im Vergleich zu Europäern schwelgen Samoaner nicht gerade im Wohlstand. Sie besitzen maximal ein Auto pro Familie und das stammt meistens aus dem Baujahr 86. Smartphones, Flachbildfernseher, Induktionsherdplatten – Fehlanzeige. Dafür bekommt eine Frau im Schnitt sieben Kinder und jeder hat ein Grundstück und ein Zuhause.
Nach der Besiedelung wurde das Land aufgeteilt und in dieser Aufteilung von Generation zu Generation weiter bewohnt und bestellt. Der Großteil der samoanischen Inseln befindet sich daher in Privatbesitz. Fast alle samoanischen Familien leben in beträchtlichem Maße von der Nutzung und Bewirtschaftung ihres Grundstücks. Man kultiviert Taro und Ananas, erntet Bananen und Kokosnüsse, und verkauft anschließend das, was man selbst nicht gebrauchen kann, auf dem Markt. Von dem Geld wird das gekauft, was fehlt: Schweine, Butter, Kleidung, Radios. Die Männer gehen zudem fischen. Manche bauen ein paar Holzhütten auf ihrem Stück Strand, vermieten sie an Touristen und veranstalten einmal die Woche einen Tanzabend. Ansonsten arbeitet man vielleicht in Apia bei einem Hotel, führt einen Kiosk oder ist Lehrer, Arzt oder Pastor.
Stress und Hektik kommen im samoanischen System nicht vor. Die Arbeit wird unter den Familienmitgliedern aufgeteilt und niemand dabei überfordert. Söhne übernehmen die körperlich anstrengenden Arbeiten, Töchter kümmern sich um den Haushalt. Mütter fahren zum Markt oder treffen sich, um Matten aus Flachsfasern zu weben, und die Väter behalten den Überblick und versammeln sich zum Kava, einem Getränk mit opiumähnlicher, aber viel schwächerer Wirkung aus den Wurzeln der Kavapflanze. Und so plätschert die Woche zwischen den Sonntagen vor sich hin.