18. August 2020, 5:45 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Vor 400 Jahren siedelten die ersten Pilger an der Küste des heutigen US-Bundesstaates Massachusetts. Sie flohen vor der Kirche und hofften auf ein besseres Leben. Eine Spurensuche in Neuengland.
Gemütlich ist es nicht in dem kleinen Holzhaus mit Strohdach, das so idyllisch auf einem Hügel liegt und den Blick auf den Atlantik freigibt. Wände aus Lehm, eine Feuerstelle, ein Tisch, Bänke, Krüge und Teller. Und eine junge Frau in einfacher Kleidung, die Gemüse schneidet.
So muss es gewesen sein, damals vor 400 Jahren, als die Pilgerväter in Cape Cod in der Neuen Welt landeten und die Plimoth Plantation gründeten. Heute gibt es sie noch immer, als Freilichtmuseum, in dem das harte Leben der frühen, englischen Kolonie in den heutigen USA nachgestellt wird. Und auch das Leben der Ureinwohner.
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Abkehr von der alten Heimat
Einfach war das Leben zu dieser Zeit nicht. Aber die Saints, wie sich die ersten religiösen Flüchtlinge nannten, konnten sich auf eines verlassen: Hier hatten sie ihre Ruhe vor der Kirche in England, deren Gehabe ihnen so gar nicht gefiel. „Sie lasen selbst die Bibel und wollten mehr nach dem leben, was in der Heiligen Schrift geschrieben stand“, sagt Ted Curtin, der Besucher durch das Museum führt.
Das gefiel weder Krone noch Kirche. So brachen am 6. September 1620 im britischen Plymouth 102 Männer, Frauen und Kinder sowie rund 30 Besatzungsmitglieder auf. Sie kamen auf der „Mayflower“ unter und segelten in die Sturmsaison auf dem Nordatlantik. Viele Passagiere waren die gesamten 66 Tage der Reise seekrank, andere siechten unter anderen Krankheiten. Menschen starben, Kinder wurden geboren.
Unter ihnen war William Bradford, der später der erste Gouverneur der kleinen Kolonie werden sollte. Eigentlich sollte der Jahrestag der Gründung in diesem Jahr mit zahlreichen Festivitäten gefeiert werden, in ganz Neuengland. Doch Corona hat diese Pläne zunichte gemacht.
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Das Leben im „neuen England“ war hart
Einfach hatten es die Siedler nach ihrer anstrengenden Reise nicht. Am 9. November 1620 war endlich Land in Sicht: das heutige Cape Cod an der nördlichen Küste des Bundesstaates Massachusetts. In dem Ort, den sie schließlich Plimoth Plantation nannten, fanden die Siedler sauberes Wasser, und es gab fruchtbares Land.
Somit feierten die Siedler das erste Weihnachtsfest in ihrer neuen Welt bereits im heutigen Plymouth. Allerdings: Den ersten Winter überlebte nur rund die Hälfte derer, die in England die „Mayflower“ betreten hatten. „Es war kalt, sie waren nicht gut ausgerüstet, und Krankheiten hielten sich hartnäckig“, erzählt Curtin.
Kontakt mit den Ureinwohnern
Bradford berichtet in seinen Aufzeichnungen über das freie, aber harte Leben in Neuengland. Von Begegnungen mit den Ureinwohnern, die das Land schon seit Jahrtausenden bewirtschafteten.
„Die ersten Siedler kamen recht gut mit ihnen aus“, berichtet Curtin. Die Wampanoag zeigten den Engländern, wie man Bohnen, Kürbis und Mais anbaute und Wild in den Wäldern erlegte.
Zu Konflikten kam es jedoch schnell wegen der unterschiedlichen Weltanschauungen. Die Briten wollten das Land besitzen, die Ureinwohner lebten nach der Maxime, es nur zu bewirtschaften.
Bald fuhren Schiffe regelmäßig hin und her über den Atlantik. Doch erst rund ein Jahrzehnt nach der „Mayflower“ kamen die Puritaner, die weiter südlich in der Massachusetts Bay Colony siedelten. Sie glaubten, dass sie erfolgreich sein würden, wenn sie Gott nur besonders ehrten. Das hatte zur Folge, dass die Puritaner als besonders streng und spaßbefreit galten.
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Boston erzählt von der Einwanderungsgeschichte
Besonders puritanisch war Boston, das lange die wichtigste Stadt in den britischen Kolonien war. 1634 wurde der erste Park eingerichtet, der Boston Common, der bis heute der Mittelpunkt der Stadt ist. Ein Jahr später öffnete mit der Boston Latin die erste öffentliche Schule des Landes, und 1636 nahm die Universität Harvard den Betrieb auf.
Seit 1951 können Besucher am rund vier Kilometer langen Freedom Trail entlang spazieren und die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt, die gleichzeitig Meilensteine in der Entwicklung der Vereinigten Staaten waren, auf eigene Faust erkunden.
Alte Konflikte in der Neuen Welt
Im 17. Jahrhundert rumorte es in den Kolonien. Wie in England prallten unterschiedliche Auslegungen der Religion auch in der Neuen Welt aufeinander. Roger Williams war einer, der mit den puritanischen Führern in Boston aneinandergeriet und die Kolonie verlassen musste. Der Pfarrer, Theologe und Autor setzte sich für Religionsfreiheit, die Trennung von Kirche und Staat sowie den fairen Umgang mit den Ureinwohnern und die Abschaffung der Sklaverei ein.
Williams ging südwärts und gründete die Providence Plantations. „Zwei Jahre später gründete er die erste Baptisten-Kirche in Amerika“, berichtet John McNiff, Archäologe und Nationalpark-Ranger beim Roger Williams National Memorial in Providence.
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Wie es zur „Mayflower II“ kam
Zu dieser Zeit war die „Mayflower“ längst außer Dienst gestellt. In den 1950er Jahren baute man in Großbritannien einen Nachbau des legendären Schiffes.
Die „Mayflower II“ segelte auf der alten Route nach Plymouth und lag dort viele Jahre vor Anker. „Doch wie das so ist mit einem Holzschiff, es muss regelmäßig gewartet und erneuert werden“, sagt Göran Buckhorn. Er ist der Geschichtsexperte im Mystic Seaport Museum in dem gleichnamigen Ort in Connecticut.
Dort lag die „Mayflower II“ drei Jahre lang und wurde von einem Team von rund 30 Arbeitern auf Vordermann gebracht. Sie lag eine Weile in Boston vor Anker und soll künftig wieder als schwimmendes Museum in Plymouth besucht werden können – in ihrem Heimathafen.
So können sich Reisende in Neuengland ein Bild vom Leben der ersten Siedler machen. Auf dem Wasser, an Land, in der Plimoth Plantation.
Neuengland
Reiseziel: Zu den Neuengland-Staaten gehören von Norden nach Süden: Maine, Vermont, New Hampshire, Massachusetts, Connecticut und Rhode Island. Die letzten vier gehören zu den 13 Gründerstaaten der USA.
Anreise: Der größte Flughafen ist Boston, der normalerweise nonstop von verschiedenen Fluggesellschaften aus Deutschland angeflogen wird. Die Flugzeit beträgt rund sieben Stunden. Von dort aus gehen Anschlussflüge in alle Himmelsrichtungen, viele Ziele in Neuengland sind allerdings bequem mit dem Auto zu erreichen.
Einreise: Deutsche Urlauber brauchen kein Visum für die USA, müssen aber eine elektronische Einreiseerlaubnis einholen. Sie kostet 14 US-Dollar und gilt zwei Jahre. Derzeit sind Reisen in die USA nicht möglich.