20. September 2021, 17:37 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Laguna de los Cóndores lautet sein Name, „Kondorsee“ auf Deutsch. Doch inoffiziell nennt man ihn auch Laguna de las Momias – den „Mumiensee“. Mehr als zweihundert gut erhaltene Inka-Mumien fanden Archäologen 1997 in einer Grabstätte am steilen Ufer des nur einem Quadratkilometer großen Gebirgssees, der sich auf 2.900 Metern Höhe in den Anden Nordperus verbirgt. Welche Geheimnisse sie lüften, und warum die Toten mit Grabbeigaben ausgestattet waren.
Wunderschön und majestätisch sieht er aus, der Kondorsee in Nordperu, gelegen auf fast 3000 Metern Höhe in den Anden. Mehr als 500 Jahre lang ruhten Hunderte von Inka-Mumien in einer Grabstätte am See. Die Mumien lüften Geheimnisse rund um die Lebensweise einer längst versunkenen Kultur, die Forschern noch immer Rätsel aufgibt.
Mysteriöse „Wolkenmenschen“
Die kunstvoll präparierten Körper hatten mehr als 500 Jahre im Verborgenen geruht, bis sie zufällig von einer Hirtenfamilie entdeckt wurden. Die Mumien waren nach alter Inka-Art bestattet, in Fötus-Position gebunden, eingewickelt in mit Gesichtern bemalten Hüllen aus gewebtem Stoff. Zusätzlich konserviert waren sie durch eine dicke Schicht Pflanzen, die sie im Laufe der Jahrhunderte umwuchert hatte – ein natürlicher Schutzmantel vor Feuchtigkeit und Verwesung.
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Forscher identifizierten sie als Erbe der Chachapoya, einem prähistorischen Andenvolk. Den Namen, der in der Sprache Quechua so viel wie „Wolkenmenschen“ bedeutet, erhielt das Volk von den Inkas, die sie vermutlich im 15. Jahrhundert unterwarfen. Mysteriös wie Bergnebel sind sie geblieben: Von spanischen Chronisten im 16. Jahrhundert als die „schönsten Indianer Perus“ beschrieben, gelten die Chachapoya als hochentwickelte und geheimnisvolle Kultur.
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Das Wunder vom Kondorsee
Der Fund vom Kondorsee gilt als spektakulär. Der Grund: Die Körper sind sehr gut erhalten und ermöglichen neue Erkenntnisse zur Kultur der Chachapoya. Heute befinden sie sich im nahegelegenen Museum von Leymebamba. 219 Mumien und ihre Grabbeigaben werden hier nicht nur aufbewahrt und zum Teil ausgestellt, sondern auch von Forschern mit Röntgengeräten untersucht. Inzwischen gehen Forscher des Museums davon aus, dass die „Wolkenmenschen“ die Kunst der Mumifizierung von den Inkas übernahmen.
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„Diese Mumien sind ein Wunder“, sagt Mumien-Expertin Dr. Sonia Guillen in einem Bericht der BBC. „Es sind die ersten, die uns zeigen, wie die Inkas ihre Toten auf königliche Weise mumifizierten. Sie trockneten die Haut, um sie haltbar zu machen, verwandelten sie in Leder und entnahmen die inneren Organe.“
Bei den Mumien muss es sich um die Leichen wichtiger Persönlichkeiten gehandelt haben, denn die typischen Spuren von damals üblicher schwerer körperlicher Arbeit fehlten. Laut der Expertin Dr. Guillen blieben solche Menschen der Gesellschaft auch nach ihrem Tod weiter enthalten – als Mumien: „Sie nahmen an Meetings teil, hatten weiterhin Besitztümer und fällten Entscheidungen.“
Tausende weitere Mumien?
Die Entdeckungen aus der Grabstätte sind auch ein Hinweis auf weitere Schätze, so die BBC. Experten vermuten, dass in der Umgebung noch Tausende Chachapoya-Mumien verborgen sind. 17 Grabstätten sind bereits bekannt, wurden wegen der hohen Kosten aber noch nicht archäologisch freigelegt.
Der Kondorsee – oder auch Laguna de los Cóndores – liegt in dem weitläufigen Gebiet, das als Wirkungsstätte der Chachapoya gilt, nur 80 Kilometer nördlich der berühmten Ruinen von Kuelap, auch bekannt als „Das Machu Picchu des Nordens”. Einst war es wohl das politische und religiöse Zentrum der „Wolkenmenschen“, doch auch hierüber gibt es verschiedene Theorien. Die gesamte Gegend gilt unter Forschern als diejenige mit der vielleicht höchsten Dichte an unentdeckten und unerforschten Orten von historischem Interesse in ganz Südamerika.
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Quellen:
- Museum von Leymebamba: Die Chachapoya
- Bericht von BBC: A lake that hides a 500-year-old secret