12. April 2023, 6:03 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Der Victoriasee ist der größte Süßwassersee in ganz Afrika und ein wichtiger Lebensspender für etwa 30 Millionen Menschen in den drei Ländern, an die er grenzt. Doch jedes Jahr nimmt das Gewässer aufgrund der extremen Wetterbedingungen hier auch bis zu 5000 Leben. Aber auch der See selbst ist in großer Gefahr.
Mit einer Fläche von 70.000 Quadratkilometern ist der Victoriasee der größte Süßwassersee auf dem ganzen afrikanischen Kontinent. Weltweit rangiert er nur hinter dem Baikalsee auf Platz zwei, ist die Hauptquelle für den Nil, den größten afrikanischen Fluss, und Lebensspender für etwa etwa 30 Millionen Menschen, die um ihn herum leben. Derart gewaltig ist der See, dass er sich über die Grenzen der Länder Kenia, Uganda und Tansania erstreckt. Doch in seiner Größe liegt auch eine tödliche Gefahr.
Denn wie die „CNN“ berichtet, brauen sich nachts regelmäßig mächtige Stürme über dem Victoriasee zusammen, die jedes Jahr bis zu 5000 Menschenleben fordern. Bei den Opfern handelt es sich meist um Fischer. Die Seite nennt den Victoriasee unter Berufung auf Nachforschungen des afrikanischen „National Lake Rescue Institute“ „wohl gefährlichste Gewässer der Welt, gemessen an der Zahl der Todesopfer pro Quadratkilometer.“. Immer wieder würden Boote hier von ungewöhnlich hohen und heftigen Wellen erfasst und kenterten.
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Woher kommen die Todesstürme?
Doch woher kommen die Todesstürme über dem Victoriasee? Laut der NASA werden sie begünstigt durch sowohl die Lage des Gewässers, seine schiere Größe und die Topographie der umliegenden Landschaft. Rund um den See herrschen tagsüber regelmäßig heftige Unwetter. Nirgendwo auf der Welt hagelt es zum Beispiel so oft und heftig wie am Rande der dem See nahen Kericho-Nandi-Hills.
Die Stürme über dem Victoriasee entstehen durch die Interaktion von warmer und kalter Luft. Wenn die Sonne untergeht, kühlt sich das Land langsam ab, die Oberfläche des Gewässers dagegen bleibt ungleich wärmer. Wasser kann Hitze länger speichern als die Erdoberfläche. Durch die Temperaturunterschiede entstehen starke Winde, die Richtung See blasen, und so das Wasser aufpeitschen. Trifft nun die kühlere Luft vom Land schließlich auf die wärmere über dem See, entstehen durch den sogenannten Konvektionsprozess, also durch die Luftbewegung, die oft tödlichen Stürme.
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Ein Frühwarnsystem macht Hoffnung
Dass so viele Menschen auf dem Victoriasee dabei sterben, hat aber noch andere Gründe. Die Fischer sind meist bitterarm und können sich keine Rettungswesten leisten. Kentert ein Boot, sind selbst gute Schwimmer auf dem Gewässer ob seiner Größe meist in einer aussichtslosen Position. Doch in den letzten Jahren keimte Hoffnung auf, denn dem Projekt „Future Climate for Africa“ zufolge wurde von 2017 bis 2020 ein neues Wetter-Frühwarnsystem getestet.
Fischer erhielten demnach von den Meteorologischen Instituten ihres jeweiligen Heimatlandes Textnachrichten auf ihre Telefone, die sie über die zu erwartenden Wetterentwicklungen informierten. Bei möglichem Extremwetter würden sie vor einer Ausfahrt auf den Victoriasee gewarnt. Laut der afrikanischen Nachrichtenseite „Kenyans“ schlossen sich zudem bereits 2018 die Regierungen von Kenia, Uganda und Tansania zusammen, um rund um den See insgesamt 16 Such- und Rettungscenter zu bauen. Die Anzahl der Todesfälle jedenfalls habe sich bereits reduziert, so „Future Climate for Africa“.
Verschmutzung und invasive Arten
Doch nicht nur die Menschen rund um den Victoriasee, auch das Gewässer selbst ist seit Jahren in großer Gefahr. Dem „New African Magazine“ zufolge hat das gleich mehrere Ursachen. Zum einen die starke Verschmutzung durch Abwässer, die die Industrien der drei angrenzenden Länder immer noch ungefiltert in den riesigen See pumpen. Dadurch bildet sich stellenweise explosionsartig Algenwachstum, das alles andere Leben unter sich sprichwörtlich erstickt.
Die Situation verschlimmert sich dadurch, dass es keine Fische mehr gibt, die die Algen fressen könnten. Sie alle sind durch eine invasive, höchst aggressive Spezies mittlerweile so gut wie ausgerottet. Einer Spezies, die der Mensch ganz bewusst in den Victoriasee eingeführt hat. Denn in den 1950- 1960er-Jahren siedelte man hier Nilbarsche an, um die Hungerprobleme der örtlichen Bevölkerung zu lindern. Ein Nilbarsch kann bis zu 200 Kilo schwer werden, betrachtet aber alle anderen Fischspezies als Fressfeinde.
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Verheerende Überschwemmungen
So vernichtete der Nilbarsch bis heute fast die gesamte restliche Fischpopulation im Victoriasee. Und vergrößerte damit nur noch das Hungerproblem, denn der Killer wird auch in den Rest der Welt als Speisefisch exportiert. Zudem sind besonders durch den europäischen Hunger nach Fisch die Preise auch vor Ort explodiert, weshalb sich viele Menschen das Nahrungsmittel schlicht nicht mehr leisten können. 2004 war der Film „Darwins Alptraum“, der sich mit dieser beispiellosen Katastrophe befasst, für den Oscar nominiert.
Als wäre das alles nicht schon genug, stieg auch der Wasserpegel des Victoriasees laut NASA in der Vergangenheit teils dramatisch. So befand er sich 2021 erstmals auf dem „höchsten Stand seit Dekaden“. Schuld daran waren hauptsächlich intensive Regenfälle die Teile von Ostafrika regelrecht überfluteten. Farmland wurde zu Sümpfen, zahllose Häuser wurden zerstört, zehntausende Menschen obdachlos. 2020 war es sogar noch schlimmer, Hunderttausende waren zur Flucht gezwungen. Es sieht also leider nicht danach aus, als würde sich die Lage für die Menschen am „wohl gefährlichsten Gewässer der Welt“ in absehbarer Zeit bessern.
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Wissenswertes rund um den See
Der Victoriasee grenzt an die drei Staaten Kenia, Tansania und Uganda. Besonders die ersten beiden sind aufgrund ihrer vergleichbaren Sicherheit und politischen Stabilität auch bei europäischen Touristen sehr beliebt. In Tansania befindet sich beispielsweise der Serengeti-Nationalpark, beide Länder sind populär wegen ihrer Angebote für Safaris. Der Victoriasee selbst mit seinen mehr als 80 Inseln ist dabei natürlich auch eine beliebte Touristenattraktion.
Das Schwimmen in dem See empfiehlt sich nicht, da man sich dabei mit der Wurmkrankheit Bilharziose anstecken kann. Außerdem leben rund um den See große Populationen von Nilpferden und Krokodilen. Dem Victoriasee am nächsten sind die Städte Entebbe in Uganda, Mwanza in Tansania und Kisumu in Kenia. Rund um den See gibt es zahlreiche Hotels und Unterkünfte in allen drei Ländern. Von Kenias Hauptstadt Nairobi ist es Google Maps zufolge eine mindestens sechseinhalbstündige Autofahrt bis nach Kisumu, öffentliche Verkehrsmittel werden nicht angezeigt. Von Tansanias Kapitale Dodoma dauert es mit zehneinhalb Stunden im Auto sogar noch länger. Am schnellsten geht es vom ugandischen Kampala aus nach Entebbe, nur etwa eine gute Stunde.