3. März 2018, 11:42 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Finanzkrise hat Athen verändert. Alles ist politisch. Auch Kaffee trinken. Ganz in der Nähe des Touristenmagneten Akropolis lockt eine neue Kulturszene, die Griechenlands Hauptstadt zu einem der momentan spannendsten Orte Europas macht.
Mit einem lauten Rasseln öffnet sich das mit Graffiti besprühte Stahltor. „Willkommen“, sagt Zachos Varfis und deutet auf das Gelände hinter dem Tor hier im Viertel Kerameikos.
Dort sieht man: frisch gepflanzte Bäume und Sträucher, Holztische mit Bänken und dahinter, wie eine zu beiden Seiten schwungvoll nach oben gebogene Bühne, eine kleine Skate-Anlage, die Skatebowl Latraac.
Zur Anlage gehört ein Café, von dem aus man die Skater beobachten kann. „Als wir hierher kamen“, erzählt der Architekt mit dem schwarzen Lockenkopf und breitet die Arme aus, „war das alles eine einzige Ruine.“ Die Gegend war lange nicht besonders entwickelt, aber inzwischen tut sich was: Kunst-Galerien und Cafés eröffnen. „Kein Wunder: die Miete ist niedrig, das Viertel mitten im Zentrum und es gibt eine Menge ungenutzten Platz“, erklärt Zachos.
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Hipster vor der Aktopolis
Kerameikos liegt nur 15 Minuten zu Fuß Richtung Norden von der Akropolis entfernt. Es geht vorbei an Hauswänden voller Graffiti. Auf der Leonidou-Straße ist heute Markt: Bauern preisen Orangen, Kartoffeln, Granatäpfel und Nüsse an.
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Im BIOS, einem Kultur- und Musikzentrum mit einem schäbig-schicken Café, sitzen Hipster vor ihren Laptops und trinken Kaffee Frappé. Ums Eck hockt ein Drogenabhängiger, hinter ihm leuchtet die Akropolis.
Ein bisschen erinnern Kerameikos und angrenzende Viertel wie Gazi an Berlin nach der Wende in den 1990er Jahren. Künstler und Aktivisten bemächtigen sich der zerfallenen Stadt mit ihren leerstehenden Häusern. Sie nutzen die billigen Mieten und Grundstückspreise. Und bekommen Platz zum Ausprobieren und kreativ sein. Genau das, was in vielen europäischen Großstädten fehlt – und was früher oder später Touristen anlockt. So auch in Kerameikos.
Der Grund für den Athener Aktionismus ist allerdings bitter: Dem Staat traut niemand mehr. „Es ist wie, wenn man erfahren hat, dass man eine schlimme Krankheit hat“, so beschreibt Costis Peikos den Gemütszustand der Athener: „Zuerst ist man traurig, dann wütend – und schließlich resigniert man. In diesem Stadium sind wir. Die Krise hat uns bitter und zynisch gemacht“, sagt er.
Athen, eine lebendige Stadt
Costis sitzt mit Freunden in einem angesagten Restaurant in Kerameikos. Im „Laika“ gibt es gegrillten Manouri-Käse mit süßem Paprika-Chutney, Schweinehappen mit einer Sauce aus Honig und Dijon-Senf, Fava-Bohnen-Püree mit Babyzwiebeln in traditioneller Stifado-Sauce. Die Menschen reden, essen, trinken, qualmen durcheinander. Alle Plätze sind besetzt.
Das ist keine Ausnahme. Athen ist eine lebendige Stadt, in der die Cafés Tag und Nacht voller Menschen sind. Es herrscht ein Gewusel, Lachen und Feiern, um das Urlauber diese Stadt nur beneiden können. Das Leben pulsiert hier nur so in den Straßen.
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Das Lieblingsgetränk der Athener ist ein altmodischer Frappé oder die modernere Variante Freddo Cappuccino. Ein tiefschwarzer starker Kaffee, im ersten Fall mit cremig geschäumtem Nescafe-Pulver und Kondensmilch oder als Freddo mit Espresso und kaltem Milchschaum. In jedem Fall mit Eiswürfeln. Das Gebräu ist derart stark, dass man es problemlos mit Wasser verlängern kann. Praktisch, wenn man sich nicht mehr als ein Getränk leisten kann, aber trotzdem ausgehen muss. Ja, muss.
Mut durch Sarkasmus
Ein Athener kann nicht zu Hause bleiben und seine Depression pflegen. Er muss raus ins Café und sich gegenseitig Mut machen mit sarkastischen Witzen über die Lage. Zum Beispiel über das neue Stavros Niarchos Foundation Culture Center, kurz SNFCC, mit dem Taxi 15 Minuten vom Kerameikos-Viertel entfernt.
Es handelt sich um ein brandneues, futuristisches Gebäude aus Glas und Stahl, in dem nun die Zentralbibliothek und die Oper Athens untergebracht sind. Es steht auf einem Hügel vor den Toren der Stadt und bietet einen wunderbaren Blick auf das Meer, den Hafen von Piräus und Athen. Von hier gesehen ergießt sich die Stadt wie ausgeschüttete Milch über braune Hügelketten.
Das Beste am SNFCC ist der riesige Park voller Rosmarinsträucher, Thymianbüsche und knorriger dicker Olivenbäume, die extra hierhin verpflanzt worden sind. Es gibt Kinderspielplätze, eine Laufbahn, mehrere Cafés – und überall kostenloses WLAN.
„Wir hoffen, dass die Regierung das SNFCC nicht innerhalb eines Jahres kaputt macht – so wie sie unser Land kaputt gemacht hat“, witzelt Costis mit seinen Freunden. In Athen sieht der Reisende nicht nur die weltberühmten Kulturschätze längst vergangener Zeiten, sondern auch die Krise der Gegenwart. Wenn er denn möchte.
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Athen-Anreise
Anreise: Athen ist mit Direktflügen aus Deutschland etwa ab München oder Hamburg in zwei bis drei Stunden erreichbar. Vom Flughafen Athen sind es rund 45 Minuten ins Stadtzentrum. Der Taxi-Festpreis beträgt 38 Euro, die U-Bahn kostet 10 Euro. Sie fährt jede halbe Stunde – sofern nicht mal wieder gestreikt wird.
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