27. August 2023, 6:03 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Unter den vielen schönen und altehrwürdigen Städten im Harz fristet Blankenburg eher ein Schattendasein. Keine Spur der Touristenmassen, die Quedlinburg, Wernigerode oder Goslar besuchen, dazu ein wahrhaft dramatischer Leerstand in der Altstadt. Dabei hat Blankenburg Besuchern, die bereit sind etwas zu suchen, sehr viel zu bieten. Für unseren Autor, der jedes Jahr mehrfach in den Harz reist, befindet sich rund um die Stadt sogar eines der vielseitigsten Wanderreviere der gesamten Region.
Ein Tag Mitte Juli, frühe Nachmittagsstunden und die Altstadt von Blankenburg wirkt wie leer gefegt. Nein, ausgestorben trifft es eigentlich noch besser. Kaum Menschen auf den Straßen, gefühlt jedes zweite Schaufenster ein gähnendes schwarzes Loch. Das mächtige alte Rathaus liegt verlassen da, genauso die St.-Bartholomäus-Kirche und das große, erstaunlich gut erhaltene Schloss auf dem Berg über der Stadt. Zum Glück sehr weit entfernt zieht eine kleine Gruppe Demonstranten vorbei. Deutschlandfahnen werden geschwenkt, Worte wie „Volksverräter“ schallen immer wieder aus Megafonen, dupliziert in einem schaurigen Widerhall von einer Masse, die von irgendetwas frustriert zu sein scheint. Und mir wird das Herz schwer, denn eigentlich ist Blankenburg einer meiner liebsten Orte im Harz.
Ja, ich würde sogar so weit gehen, die Stadt, die früher als anerkannter Luftkurort für sich warb, als echten Geheimtipp zu bezeichnen. Dennoch ist Blankenburg ganz klar ein Underdog, wenn es um den Tourismus im Harz geht. Städte wie Quedlinburg, Goslar und Wernigerode können sich vor allem an Wochenenden vor lauter Touristenmassen kaum retten. Blankenburg dagegen scheint, seit ich den Ort 2018 das erste Mal besuchte, immer mehr von innen zu verfaulen. Hierher kommen Menschen eigentlich nur, um von dort wieder wegzukommen und im Umland einzutauchen. Dieses würde ich, ohne zu zögern, als eines der spannendsten, schönsten und abwechslungsreichsten Wanderreviere im gesamten Harz bezeichnen.
Übersicht
- Auf den ersten Blick wirkt Blankenburg nicht sehr einladend
- Schloss Blankenburg – das größte heute noch erhaltene Welfenschloss
- Das „Altdeutsche Kartoffelhaus“
- Die Wanderung entlang der Teufelsmauer
- Die Burg Regenstein
- Die Regensteiner Mühle und die Sandhöhlen im Heers
- Eine der schönsten Wanderungen
- Das Kloster Michaelstein
- Blankenburg – eine Stadt im Dornröschenschlaf
Auf den ersten Blick wirkt Blankenburg nicht sehr einladend
Nun wird dem regelmäßigen TRAVELBOOK-Leser eventuell bereits aufgefallen sein, dass ich sehr gerne und regelmäßig über den Harz schreibe. Er ist mittlerweile meine liebste Wanderregion in ganz Deutschland. Insofern wunderte ich mich kürzlich selbst ein wenig, als ich im bunt blühenden Schlossgarten von Blankenburg zwischen Blumenbeeten lustwandelte und mir auffiel, dass ich noch nie einen Artikel über diese Stadt geschrieben hatte. Dabei hat Blankenburg sehr viel Schönes zu bieten. Man muss nur bereit sein, etwas danach zu suchen.
Zugegeben, auf den ersten Blick wirkt die Stadt nicht sehr einladend. In den beiden schmalen Straßen, die den Altstadtkern ausmachen, dürfen Autos zwischen den schönen Fachwerkhäusern fahren. Ein Schaufensterbummel fällt ob des eingangs erwähnten Leerstandes eher enttäuschend aus. Skurriler Höhepunkt ist hier sicherlich der „Blankenburger Lokschuppen“, ein Laden für Spielzeug und Modellbaufreunde. Er wirkt angesichts der ansonsten wirklich greifbaren Leere derart überdimensioniert, dass man glauben könnte, als kämen sämtliche Familien im Harz zum Einkaufen für ihre Kinder hierher. Gleichzeitig sind nicht wenige Kartons im Schaufenster von der Sonne bis zur Unkenntlichkeit ausgebleicht, werden Artikel von Firmen angeboten, die es heute gar nicht mehr gibt.
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Schloss Blankenburg – das größte heute noch erhaltene Welfenschloss
Hier, vis-à-vis zum alten Rathaus, kann man aber auch den wohl schönsten Spaziergang in Blankenburg beginnen. Er führt zunächst über Treppen steil nach oben, erst zur St.-Bartholomäus-Kirche und dann zum Schlossberg. Von dort aus hat man etwa zehn Minuten später einen tollen Ausblick über die Stadt und weit hinein in das grüne Land des Harzes. Schloss Blankenburg selbst ist laut offizieller Webseite das größte heute noch erhaltene Welfenschloss und feiert 2023 seinen 900-jährigen Geburtstag. Als ehemalige Blankenburg ist es auch der Namensgeber der Stadt. Regelmäßig finden hier und im weitläufigen Schlossgarten Veranstaltungen statt und man kann auf dem 300 Meter hohen Burgberg auch heiraten.
Bei meinem Besuch probt gerade ein lokales Theater auf einer kleinen Bühne. Klappstühle für Gäste werden hektisch aufgestellt, während am Himmel bereits schwere Regenwolken dräuen. Nebenan bewundern ein paar Versprengte klassische Autos, die am nächsten Tag bei einer Oldtimer-Rallye starten sollen, ansonsten gähnende Leere. Doch, man habe schon Tickets für die Veranstaltung verkauft, sagt einer der Theaterschauspieler auf Nachfrage. Aber warum fliegt Blankenburg im Vergleich zu Quedlinburg und Wernigerode bei Touristen derart unter dem Radar? „Na ja, die haben eben schicke Einkaufsstraßen. Bei uns gibt es im Ortskern ja nicht mal einen Supermarkt. Die Leute fahren an den Stadtrand zum Einkaufen, deshalb stehen in der Altstadt ja auch so viele Geschäfte leer.“
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Das „Altdeutsche Kartoffelhaus“
Es gibt sie aber durchaus, die pulsierenden Orte auch in Blankenburg. Allen voran das wohl bekannteste Restaurant am Ort: das „Altdeutsche Kartoffelhaus“, das auch überregionale Berühmtheit genießt. Und das zurecht, denn die Küche hier ist einfach und bodenständig, die Portionen mehr als üppig. Sogar eine für mein Verständnis massive Preiserhöhung scheinen die Gäste dem gemütlichen Etablissement verziehen zu haben. Weil es einfach immer schmeckt, die Leute hier noch freundlich sind. Für mich gehört zu einem Blankenburg-Besuch seit jeher auch eine Einkehr im Kartoffelhaus. Besonders nach einer schönen Wanderung.
Die Wanderung entlang der Teufelsmauer
Mit Wandermöglichkeiten ist die Stadt, beziehungsweise das Umland, geradezu überreichlich gesegnet. So beginnt eine der beliebtesten Touren – entlang der sagenumwobenen Teufelsmauer – nur unweit vom Bahnhof Blankenburg mitten im Ort. Gut ausgeschildert, laufen besonders an Feiertagen wahre Massen zuerst zum sogenannten Großvaterfelsen und von dort aus vielleicht weiter zu solchen Natur-Highlights wie dem Hamburger Wappen oder sogar dem Teufelsmauergarten.
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Die Burg Regenstein
Ebenfalls aus dem Stadtkern von Blankenburg zu erreichen ist die Ruine der fast 900 Jahre alten Burg Regenstein, die hoch auf einem Hügel über dem grünen Land thront und nach dem massiven, fast 300 Meter hohen Felsen benannt ist. Bis zum 15. Jahrhundert lebten dort laut offizieller Seite die Grafen vom Regenstein, bevor sie in das Schloss Blankenburg umzogen. Besucher können heute die noch erhaltenen Ruinen bestaunen und sich auch bei einem leckeren Imbiss mit tollem Ausblick stärken.
Die Regensteiner Mühle und die Sandhöhlen im Heers
Etwa tiefer im Wald unter der Burg befinden sich zwei weitere Sehenswürdigkeiten: Zum einen sind da die Reste der Regensteiner Mühle, die früher zwischen den Bäumen mit Wasser betrieben wurde. Heute ist die historische Anlage aus dem 12. Jahrhundert eindrucksvoll restauriert, was dem Bergbauingenieur Lothar Tomaszewski aus Blankenburg und seinen Helfern zu verdanken ist. Ein weiteres skurriles Natur-Highlight sind die Sandhöhlen im Heers. Hier wurde vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein feiner Sand abgebaut. Wohl schon den Germanen diente dieser ungewöhnliche Ort als Versammlungsplatz.
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Eine der schönsten Wanderungen
Eine der für mich schönsten Wanderungen führt über all diese Sehenswürdigkeiten von Blankenburg in den kleinen Ort Heimburg. Von dort aus geht es weiter in das Naturschutzgebiet Ziegenberg. Auf einer grünen Hügelkette wandernd hat man auf Schritt und Tritt einen wunderbaren Blick in das sanfte, weite Land. Wer es bis hierher geschafft hat, kann bei guter Fitness sogar über Benzigerode weiter bis nach Wernigerode wandern, eine anspruchsvolle und gute Tagestour. Von dort aus geht es dann mit dem Bus zurück, oder eben weiter in andere schöne Orte im Harz.
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Das Kloster Michaelstein
Nahe Blankenburg liegt auch das wunderschöne alte Kloster Michaelstein, das man bei einer Wanderung besuchen kann. Im 12. Jahrhundert von Zisterzienser-Mönchen gegründet, wurden seine Flächen noch bis in die 1970er-Jahre hinein landwirtschaftlich genutzt. Heute ist hier die europaweit angesehene Musikakademie Sachsen-Anhalt für Bildung und Aufführungspraxis zu Hause. In den Teichen innerhalb der Klostermauern befindet sich außerdem eine Fischzucht. Bei einem Bier oder auch einer Stärkung kann man den dicken Karpfen beim Gründeln zusehen. Eine schöne Tagestour hierher führt über die Landmarken Eggeröder Brunnen und die Höhlen des sogenannten Volkmarskeller.
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Blankenburg – eine Stadt im Dornröschenschlaf
Ein Freund und ich nutzten Blankenburg sogar einmal als Start- und Zielpunkt für eine viertägige Rundwanderung durch den Harz. Innerhalb eines Tages erreicht man mühelos Thale – und kann dann bei guter Kondition auch noch durch das Bodetal in das kleine Treseburg wandern. Hier wartet mit der Pension Sternschnuppe eine tolle Rast auf müde Wanderer. Am nächsten Tag kann man weiter über Altenbrak und die Rappbodetalsperre bis nach Rübeland. Von dort aus geht es dann nach Wernigerode und über das Naturschutzgebiet Ziegenberg zurück nach Blankenburg.
Und auf einmal ist man froh, dass die Stadt im Gegensatz zu anderen Orten im Harz eben nicht hoffnungslos überlaufen ist. Ich sehe es mittlerweile so: Blankenburg stirbt nicht, sondern befindet sich eben nur in einer Art Dornröschenschlaf.