2. April 2022, 6:25 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Singapur: Das sind Wolkenkratzer, Lichtshows und Futurismus. Doch dem asiatischen Stadtstaat ist ein Dorf erhalten geblieben, in dem die Zeit stillzustehen scheint. Ein Besuch in Kampong Lorong Buangkok.
Singapur ist eine der Städte weltweit, die in den letzten Jahrzehnten einen rasanten Wandel durchlebt haben. Berühmt ist die Stadt heute für die futuristischen Gardens by the Bay und ihre imposante Skyline. Die Stadt hat in ihrer heutigen Version nur noch wenig mit der aus den 1960er Jahren gemeinsam. Doch zwischen modernen Hochhäusern gibt es ein Stück Land, auf dem man sich zurück in die Vergangenheit träumen kann: Kampong Lorong Buangkok. Es ist das letzte Dorf in Singapur.
Die etwa 25 einstöckigen Holzhäuser mit Blechdach stehen im starken Kontrast zu den hunderte Meter hohen Hochhaustürmen, die man vom Dorf aus sehen kann. Wer durch Kampong Lorong Buangkok geht, sollte aber lieber auf den Boden als in die Luft schauen. Denn hier wachsen, anders als im sonst so zubetonierten Singapur, überall Pflanzen. Das zieht Grillen an, die hier um Aufmerksamkeit zirpen. Daneben laufen Hühner in Ställen umher, die Bewohner sitzen auf ihrer Veranda und schauen dem Treiben zu. Dorfleben, wie es im Buche steht. Übrigens bedeutet Kampong auf Malaiisch genau das. Nämlich „Dorf“.
Früher bestand Singapur aus Dörfern
Vor fünfzig Jahren hätte Kampong Lorong Buangkok in Singapur kein Aufsehen erregt. Bis in die frühen 1970er-Jahre waren Dörfer wie dieses im Stadtbild ganz normal. In den 80ern aber wurde der Stadtstaat urbanisiert – die „Ära der Schnellstraßen“ wurde eingeleitet, wie BBC schreibt. Aus kleinen Straßen wurden mehrspurige Autobahnen.
Das Problem von Dörfern wie Kampong Lorong Buangkok: Der Platz in Singapur ist durch das Meer begrenzt. Andere Dörfer mussten großen Bauprojekten weichen. Manche Bewohner gingen freiwillig, freuten sich über fließend Wasser und eine Toilettenspülung in ihren neuen Wohnungen in den modernen Wolkenkratzern. Doch die Bewohner von Kampong Lorong Buangkok blieben standhaft. Besonders viel machte das der Regierung aber gar nicht aus. Denn die Umgebung sei laut ihrer Einschätzung nicht attraktiv für die Entwicklung von Gewerbe, Industrie oder Wohngebieten.
Die günstigsten Wohnungen in Singapur
Es sind auch die Mietpreise, die die Bewohner im Dorf bleiben lassen. Zwischen drei und 19 Euro bezahlen Mieter hier monatlich für ihr Haus. Somit kann man in Kampong Lorong Buangkok so günstig wohnen wie nirgendwo anders in Singapur. Nur wenige Meter weiter, in einem der futuristischen modernen Wohnblöcke, müssen Bewohner etwa 20-mal mehr für eine Wohnung ausgeben, die deutlich kleiner ist, als die Häuser im Dorf. Das geht aus einem Bericht in der singapurianischen „The Straits Times“ hervor.
Wer auf den Geschmack gekommen ist, und auch gerne einziehen würde, hat jedoch Pech gehabt. Denn seit den 1990ern gab es in dem Dorf keinen einzigen neuen Bewohner. Damit eine der begehrten Wohnungen frei wird, müsste erst jemand ausziehen oder sterben. Ist das der Fall, bekommen aber jene Personen Vorrang, die bereits Familie haben, die in dem Dorf lebt.
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Wie lange kann das Dorf weiter bestehen?
Ganz unumstritten ist das Dorf in Singapur aber nicht. 2014 etwa gab es Pläne, Kampong Lorong Buangkok dem Erdboden gleichzumachen und eine Autobahn zu bauen. Auch zwei Schulen und ein öffentlicher Park auf dem Gelände wurden in Betracht gezogen. Ganz vom Tisch sind diese Vorschläge zwar noch nicht, der Minister für nationele Entwicklung des Landes, Desmond Lee, aber erklärte in einer Rede von 2017, dass „keine Absicht besteht, diese Entwicklungen in naher Zukunft umzusetzen“.
Besucher können das Dorf auf eigene Faust oder im Rahmen einer Tour kennenlernen. Lets go Tour bietet täglich zweistündige Führungen durch Kampong Lorong Buangkok an.