20. Mai 2024, 14:27 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Rethymno im Westen von Kreta ist eine der aufregendsten Städte der größten griechischen Insel. Jahrhundertelang geprägt von verschiedenen Kulturen, findet man besonders in der Altstadt noch eine echte, unverfälschte, mitunter auch raue Metropole. Unser Autor war hier für Sie zwei Tage unterwegs und gibt Tipps für einen gelungenen City-Trip sowie für einen Ausflug zu einem einzigartigen Naturwunder.
Es ist laut in der Altstadt von Rethymno, sehr laut. Durch das beglückende Gewirr der engen Gassen mit ihren unzähligen kleinen Läden haben wir unseren Weg in die „Taverna Othonas“ gefunden. Na gut, eigentlich wurden wir vielmehr auf der Straße von einem sehr sympathischen Kellner quasi abgeschleppt. Und sitzen nun an einem der Tische inmitten des aufgeregten babylonischen Stimmengewirrs. Die Laternen werfen schon ihr malerisches mediterranes Licht, das Moussaka ist tatsächlich mindestens genauso gut wie versprochen, und dann kommt auch noch ein Nachtisch auf Einladung des Hauses. Urlaubsfeeling pur.
Wer einen der aufregendsten und „echtesten“ Orte der griechischen Insel Kreta erleben möchte, der sollte unbedingt nach Rethymno fahren. Die Hafenstadt, jahrhundertelang geprägt durch die Kultur der Venezianer und Osmanen, strahlt auch heute noch einen unvergleichlichen Charme aus. Und anders als das weitaus überlaufenere Chania, das mitunter an ein perfekt inszeniertes Filmset erinnert, findet man in Rethymno noch das ehrliche, mitunter auch raue Griechenland. Ja, man hat vor allem in der Altstadt mancherorts versucht, es großflächig zu übertünchen. Aber für den, der genauer hinsieht, scheint es doch überall noch durch.
Herrlich ungeschminkt
Und das ist ein Geschenk. So erinnert die Old Town von Rethymno an manchen Stellen an eine orientalische Medina. Obwohl flächenmäßig nicht besonders groß, mag man sich hier auf diese wunderbare Weise verlaufen, die man nur im Urlaub genießen kann. Eines ist sicher: Man wird dabei, egal an welcher Ecke, aus dem Gucken, Stöbern und Staunen nicht heraus kommen. Leder- und Korbwaren, Schmuck, Lampen, Produkte aus Olivenholz, kleine Buchläden mit skurrilen Titeln, Souvenirs aller nur erdenklicher Art – hier scheint es wirklich alles zu geben.
Wer eine Pause vom Sightseeing-Shopping braucht, kann überall für einen starken griechischen Kaffee Halt machen. Oder ein Eis, zum Beispiel bei „Cow Scream“, die auch sehr interessante Varianten mit Schafs- bzw. Ziegenmilch anbieten. Vorbei geht es an schönen alten Kirchen und einem Platz mit einer ehemaligen Moschee, in der sich heute ein Musik-Konservatorium befindet. Und vielleicht gerät man dann beim schlendern in eines dieser Sträßchen, die noch so herrlich ungeschminkt sind. An den Wänden überall Graffiti, an den Ecken auch mal überquellende Mülleimer, die allgegenwärtigen Katzen vielleicht ein wenig räudiger als ihre gut gefütterten Artgenossen mit den Logenplätzen nahe der Restaurants.
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Hochglanz und Abrissbirne
Doch genau das gibt einem eben das Gefühl, in einer echten Stadt zu sein. Einem Ort, der auch dann noch existieren würde, wenn es keine Touristen gäbe. Skurril: In den Hauptstraßen finden sich zum Teil auf Hochglanz polierte Ladenfronten, während die oberen Geschosse des selben Gebäudes aussehen, als würde demnächst zwangsläufig die Abrissbirne anrücken müssen. Und über der gesamten Stadt thront die Kulisse des exzellent erhaltenen venezianischen Forts mit seinen meterdicken Mauern. Auch der Hafen ist so ein Ort, an dem das alte Rethymno strahlt. Mit seiner Promenade und dem schönen Leuchtturm muss er in Sachen Schönheit den Vergleich mit dem Touristenmagneten Chania nicht scheuen.
Und natürlich gibt es an dieser Wasserfront die teuersten Restaurants, wenn auch nicht zwingend die besten. Wenn Sie Wert auf Authentizität legen, suchen Sie ein Etablissement mit dem Präfix „Taverna“ auf. Dies deutet, in den meisten Fällen zumindest, auf ein bodenständiges griechisches Lokal hin. Einfache, gute Küche, nicht selten noch familiengeführt, zu sehr erschwinglichen Preisen. So wie die bereits eingangs schon erwähnte „Taverna Othonas“ eben. Als wir nach den Zutaten für das besonders köstliche Tzatziki fragten, kam Besitzer und Namensgeber Otto höchstpersönlich an unseren Tisch und verriet uns mit stolzgeschwellter Brust sein Geheimrezept.
Unerwarteter Überfall
Deutlich hochpreisiger speist man im noblen „To Pigadi“, das wir uns zum Abschluss der Reise gönnten. In einer kleinen Nebenstraße sitzt man hier an unter Weinranken stehenden Tischen. Die Zutaten sind lokal, das wirklich Beste vom Land und aus dem Meer. Hier ist man dann aber auch mehr oder weniger ausschließlich unter anderen Touristen – was dem Genuss in keiner Weise einen Abbruch tut. Ein kleiner Verdauungsspaziergang, und schon ist man wieder mitten in der Altstadt von Rethymno, wo zu später Stunde die zahlreichen Bars erwachen. Davor sitzen junge Menschen, riesige Wasserpfeifen rauchend bei trommelfell-zerfetzend lauten Bässen, vor sich vielleicht einen bunten Cocktail oder ein Bier einer hippen ausländischen Marke.
Bis in die frühen Morgenstunden dröhnt es auch unter der Woche. Daher empfiehlt es sich, eine Unterkunft etwas außerhalb der Medina von Rethymno zu mieten. Mir ging es zwar nicht so, aber meine Freundin fühlte sich nachts auf den Straßen, obschon immer noch voll mit Menschen, mitunter etwas verunsichert. Fun Fact: Das einzige Mal, das wir auf unserer zweiwöchigen Reise überhaupt Polizeipräsenz zu sehen bekamen, war hier. Vielleicht lag meine Freundin ja intuitiv richtig, passiert ist uns jedenfalls nichts. Der einzige Überfall, den wir erlebten, war während unseres Aufenthalts der mitunter orkanartige Nordwind, der Kreta regelmäßig überzieht.
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Eine einzigartige Naturschönheit
Wer auch noch Zeit hat, die Gegend um Rethymno zu besuchen, auf den wartet ein einmaliges, und vor allem schönes Naturwunder. Der Kournas-See, der einzige natürliche Süßwasser-See der Insel. Eingerahmt von grünen Bergen liegt er da, an seinen Ufern eine ganze Armada an Tret- und Ruderbooten. Riesige Wildenten ziehen schnatternd umher, von den auch im Frühling schon sehr zahlreichen Besuchern fett gemästet. Wer möchte, geht ein wenig entlang des Gewässers durch Büsche und niedrige Bäume spazieren. Der Strand ist eher geröllig und zum längeren Liegen daher nicht so optimal. Die „Baden verboten“-Schilder entdecken wir erst, nachdem wir uns bereits in dem kühlen Bergwasser erfrischt haben, und auch zahlreiche andere Gäste wagen sich an diesem Tag ins Wasser.
Rethymno ist übrigens nicht nur wegen seiner Schönheit ein lohnenswertes Ausflugsziel, sondern auch wegen seiner Lage. Die Stadt befindet sich ziemlich genau auf halber Strecke zu den beiden internationalen Flughäfen Chania und Heraklion. Gut, von letzterem ist es doch noch einmal deutlich weiter. Aber dank der teils spektakulären Strecken durch das Hügelland entlang der Küste wird auf Kreta fast jede Fahrt ein Erlebnis in sich. Und für das Gefühl, mit der Stadt ein echtes Stück Griechenland erlebt zu haben, lohnt sich auch eine längere Anfahrt. Versprochen.