22. September 2017, 9:20 Uhr | Lesezeit: 14 Minuten
Nach oder am besten noch vor dem Studium zieht es viele weg aus Frankfurt, denn die Hessenmetropole sei „höchstens was für Banker“. Aber die meisten von ihnen kommen zurück. Und bleiben! TRAVELBOOK erklärt den Frankfurter Funken, der spätestens auf den zweiten Blick überspringt.
„Klein“, „provinziell“, „langweilig“ – nein, nicht nur die schmeichelhaftesten Worte finden die Bewohner über Frankfurt am Main. Und irgendwie stimmt es ja auch: Wer hier seine Jugend verbracht hat, zur Schule gegangen ist oder studierte, kennt früher oder später jeden – zumindest über Ecken – und sieht ihn obendrein recht häufig wieder, an einem der (zugegeben, nicht allzu zahlreich vorhandenen) Hotspots der Stadt oder auf einer Party. Fühlt sich dann schon ein bisschen an wie ein Nest. Öde? Im Gegenteil!
Tatsächlich ist es genau diese vertraute, gemütliche Übersichtlichkeit, die Exil-Frankfurter früher oder später zu schätzen wissen und die sie zurückzieht in herrlich gewohnte Gefilde. Die einzelnen Stadtteile der „größten Metropole der Welt“ sind schnell erreicht – da muss das Stammlokal nicht zwingend an der nächsten Ecke sein. Regelmäßige private Verabredungen mit Freunden sind dadurch nicht nur möglich, sondern obligatorisch. Ein Berliner etwa kann nur erahnen, wie viel das wert ist: Freundschaften zwischen Neuköllnern und Charlottenburgern haben es schwer.
Nähe schafft Nähe!
Es lohnt sich, das vermeintliche Nest zu erkunden und sich mit ihm zu beschäftigen, auch für Locals! Seine vermeintlich abgedroschenen Plätze – wie beispielsweise das traditionsreiche Amüsierviertel „Altsachsenhausen“ – erweitern sich still und heimlich um nette Lokalitäten und werden plötzlich auch für diejenigen wieder interessant, die ihnen längst den Rücken kehren wollten. Auch rund um den Rathausplatz am Römer, auf dem man sich vor lauter Touristen kaum bewegen kann, entdeckt man in den verwinkelten Gassen, zwischen urigen Apfelweinkneipen und Restaurants neue Perlen, wie kleine Bars oder Galerien.
Sie wollen es ganz konkret? Hier kommen noch zahllose gute Gründe, nach Frankfurt zu kommen – am besten für immer:
Flughafen Frankfurt
Von wegen Provinz: Mainhattan, wie Frankfurt wegen der Hochhäuser auch genannt wird, ist das Tor zur großen weiten Welt! Sein Flughafen – der mit Abstand größte in ganz Deutschland – gehört zu den bedeutendsten Luftfahrtdrehkreuzen des Globus. Mit mehr als 200.000 Passagieren pro Tag, die zum Teil von überall auf der Welt herkommen, ist die Stadt multikulturell und kunterbunt gemischt, auch langfristig. Viele nämlich verlieben sich in die Stadt am Main und bleiben.
Grüne Soße
Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch – die sieben Kräuter, die in eine echte Frankfotter Grie Soß gehören, kennen ihre Liebhaber aus dem Effeff. Ihre Saison beginnt traditionell am Gründonnerstag, also am Tag vor Karfreitag, man bekommt sie hier aber zum Glück das ganze Jahr über. Grüne Soße schmeckt am besten mit Kartoffeln und hartgekochten Eiern, natürlich aber auch zu Wiener Schnitzel – und ehrlich gesagt nur im Gebiet rundum Frankfurt am Main. Damit hat sich das Regionalgericht ein Denkmal verdient: Im Jahr 2007 wurde im Stadtteil Oberrad das Grüne-Soße-Denkmal eingeweiht.
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Freßgass
Die Fußgängerzone zwischen Kalbächer Gasse und Großer Bockenheimer Straße, die noch bis in die 1970er-Jahre befahren war, hieß früher offiziell so. Die „Freßgass“ bietet aber auch bis heute reichlich für das leibliche Wohl – vor allem am traditionellen Freßgass-Fest, wenn hier zwischen Buden und Zelten von morgens bis abends tüchtig geschlemmt wird. Aber auch an normalen Tagen, vor allem samstags, schlendern Frankfurter nur zu gerne über das Kopfsteinpflaster von Boutique zu Boutique und Café zu Café. Hier trifft man immer liebe Bekannte – ob die das nun wollen oder nicht: Die Sitzplätze der Lokale sind mit Sicht auf den Straßenzug gerichtet, hier kann man nicht unbemerkt durchhuschen.
Kleinmarkthalle
Glücklich ist, wer in der Nähe der Kleinmarkthalle arbeitet und seine Mittagspause hier verbringen kann. Aber ob nun zum Sofort-Verzehr oder für den Einkaufskorb – es gibt wahrlich alles, was das hungrige Herz begehrt: regional Typisches oder Exotisches, Obst und Gemüse, deutsche/mediterrane/asiatische Mittagshäppchen, feine italienische und orientalische Delikatessen, Backwaren-, Schokoladen-, Fleisch-, Fischstände und vieles mehr. Auf der Weinterrasse werden rheinhessische Tropfen vom Familienweingut Rollanderhof genossen. Hier ist immer gute Stimmung!
Palmengarten
Was den Berlinern ihr Zoo, ist den Frankfurtern ihr schöner grüner Palmengarten – und das immerhin schon seit 1868. Da hat Gartenbauarchitekt Heinrich Siesmayer († 83) einen Landschaftspark „für die Bürger der Stadt“ erbaut. Heute gibt es hier Rasenflächen zum Picknicken und Sonnen, Spielplätze und eine Bimmelbahn, die das gesamte Gelände umfährt, und vor allem diverse Gewächshäuser und Themengärten. Hier lässt sich die internationale Flora erkunden: gewaltige Palmen, Mini-Nadelwälder, Wüstenpflanzen, Orchideen, Veilchengewächse, Seerosen und vieles, vieles mehr. Für Schulklassen im Bio-Unterricht absolutes Pflichtprogramm – und bei Sonnenuntergang der wohl romantischste Ort für das erste Date.
Mainufer
Romantisch wäre es auch hier: am Mainufer – wüssten nicht schon so viele von seinem Charme. Bei schönem Wetter kann man hier kaum einen Fuß vor den anderen setzen, überall wird Eis geschlemmt, gepicknickt, geturtelt und geskatet. Auf der Promenade gibt es viel mehr als Parkbänke: Cafés, Restaurants und temporäre Kunstausstellungen, auch grenzen Museen daran – und natürlich eine beeindruckende Kulisse.
Apfelwein
Ein echtes Frankfurter Kulturgut – und nicht nur köstlich, sondern auch gesund! Apfelwein, bestehend aus verschiedenen säurehaltigen Äpfeln von hessischen Streuobstwiesen, hat nur etwa 57 Kalorien auf 100 Milliliter, also um ein Drittel weniger als Weißwein. Er soll die Verdauung und Herzmuskelaktivität anregen, grippalen Infekten vorbeugen und sogar die Schlafqualität verbessern, angeblich ist er sogar gut für die Hirnfunktion. Klar ist Alkohol immer noch Alkohol, aber: Da „Schoppen“ traditionell süßgespritzt (also mit Limo verlängert) oder sauergespritzt (mit Mineralwasser) getrunken wird, hält sich auch der Alkoholgehalt, der bei fünf bis sieben Prozent liegt, in durchaus überschaubaren Maßen. Zum Glück gibt es ihn ÜBERALL in der Stadt. Freilich auch bei… (scrollen Sie weiter!)
… Apfelwein Wagner
Die rustikale Traditionswirtschaft liegt in „Dribbdebach“, also „über den Bach ‘rüber“ auf der südlichen Seite des Mains, im Stadtteil Sachsenhausen. Hier gibt’s typische Frankfurter und hessische Gerichte wie Handkäs‘ mit Musik, gegrillte Leiterchen oder Schäufelchen mit Sauerkraut, Ochsenbrust mit Grüner Soße, und vor allem: zünftige Stimmung. Für Zartbesaitete ist dies nicht der richtige Ort, hier muss man seinen Holzstuhl mit Ellenbogen verteidigen und einen ziemlichen Geräuschpegel ertragen. Macht Spaß!
Bahnhofsviertel
Die harten Kids zieht es ins Bahnhofsviertel – genau, in den kriminellsten Kiez der Stadt, in dem auf offener Straße illegal mit Drogen und käuflicher Liebe gehandelt wird, Imbiss-Buden auf Spielhallen, Bordelle und Fixerstuben treffen und zum Betreten eines Shops oft geklingelt werden muss, da sie von innen verriegelt sind. Polizeieinsätze stehen hier mehrfach an der Tagesordnung, als junge Frau, eigentlich auch als Mann, wäre man hier früher nur ungern alleine durchgelaufen. Seit einigen Monaten jedoch mischt sich die Jugend hier nur zu gerne unters Volk. Eine Szene-Bar nach der anderen schießt aus dem Boden, auch finden sich hier die richtig gute Cafés, Restaurants und Clubs. Diese Entwicklung wird einmal im Jahr kräftig gefeiert: auf der Bahnhofsviertelnacht, mitten auf der Straße.
Bergerstraße
„Wo willst Du wohnen?“ Diese Frage braucht man Wohnungssuchenden in Frankfurt gar nicht zu stellen. Die Gegend rund um die Bergerstraße im Stadtteil Bornheim ist der mit Abstand beliebteste Kiez der Stadt. Sie vereint Mittendrin-Komfort – also, dass man ruckzuck in der Innenstadt ist – mit einer gewissen verträumten Gemütlichkeit, die sich den extrem frequentierten Cafés und Restaurants widerspiegelt. Wer hier wohnt, ist nie alleine, Freunde oder Familie treffen sich früher oder später im Laufe des Tages zum Brunch, Kuchenessen oder Weinchen in der Ecke. Was Flanierende hier ebenfalls schätzen, sind die vielen kleinen Lädchen und Boutiquen, die sich doch stark von dem gewöhnlichen Angebot der Geschäfte in der City unterscheiden.
Jimmy’s
Durch Zufall entdecken würde man Jimmy’s Bar kaum. Sie liegt auf der Friedrich-Ebert-Anlage, mehr oder weniger eine Durchfahrtstraße zwischen Citykern und dem Messezentrum mit vereinzelten Hotels, die in erster Linie Geschäftsreisende nutzen. In einem davon, dem Untergeschoss des Grandhotel Hessischer Hof, versteckt sich die Raucherbar Jimmy’s. Wie in eine andere Welt versetzt fühlt man sich hier in handgefertigten Lederstühlen vor dunkler Wandtäfelung bei gedimmter Beleuchtung und Live-Pianomusik. Die Drinks sind exquisit – hier gibt es alle Cocktails, die man sich nur vorstellen kann, aber auch feine Spirituosen, serviert von top-geschultem Service-Personal im Smoking. Altmodisch? Ja! Spricht aber mehr und mehr junge Leute an.
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Die Museen
Das weltbekannte Städelsche Kunstinstitut kann man immer wieder aufs Neue besuchen, das mit seiner mehr als 4000 Exponate umfassenden Sammlung niemals gänzlich erkundet sein wird. Hier darf natürlich auch die Schirn Kunsthalle nicht unerwähnt bleiben, eine der größten Ausstellungshäuser ganz Europas. Sie hat keine eigene Sammlung und zeigt in regelmäßigen Abständen das Werk einzelner oder verschiedener Künstler mit einem gemeinsamen Überthema, oft in Kooperation mit internationalen Instanzen wie der Tate Gallery, dem New Yorker Museum of Modern Art oder Guggenheim Museum. Aber auch kleinere, weniger bekannte Häuser lohnen sich. So sei Ihnen etwa das Museum für Angewandte Kunst ans Herz gelegt, das sich auf performatives Design, Mode, Grafik und Architektur spezialisiert.
Die Partys
Zugegeben, die tatsächliche Clubszene der Stadt ließ lange zu wünschen übrig. So gibt es hier nichts, das einem Berliner Berghain oder Münchener P1 nahe kommen würde – „Diskotheken“ eröffnen und schließen für gewöhnlich bald wieder. Die Party-Crowd stört das keineswegs – es hat sich für sie als Tugend erwiesen. Befreundete Lokalhelden haben es sich zur Aufgabe gemacht, selbst Events zu veranstalten, mit DJs aus dem Bekanntenkreis und enormem Anklang. Das hat den Grundstein für eine Off-Location-Kultur gelegt. Und leerstehende Büroräume, Gebäudedächer oder versteckte Hinterhöfe in, sagen wir mal, „ungewöhnlichen“ Gegenden sind doch ohnehin viel spannender.
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Sushi
Man muss nicht nach Japan reisen, um erstklassiges Sushi zu bekommen, auch in Frankfurt ist das möglich. Kein Zufall, sondern sicherlich mit der guten Anbindung zu erklären – Frischfisch ist ruckzuck eingeflogen und in der Restaurantküche angekommen. Auch die Internationalität, die natürlich auch den Anspruch hebt, tut ihr Übriges. Sehr traditionell ist das beliebte Iwase, dessen gut gelaunte Mitarbeiter seine (größtenteils japanischen) Stammgäste genauso zuvorkommend behandelt wie neue Gesichter. Noch relativ neu ist das Moriki – und eine echte Offenbarung! Das szenige, stylish eingerichtete Lokal mit exzellenter japanischer Fusion-Küche plus Spitzen-Drinks und einem äußerst attraktiven Publikum zeigt fast schon bildlich auf, was der Stadt noch vor der Weile ein wenig fehlte, und hat dadurch einen Trend gesetzt.
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Alte Oper
Mitten in der City steht sie stolz: die Alte Oper. Wo früher Arien aufgeführt wurden, genießen elegant gekleidete Gäste heute Konzerte, Musicals und/oder feine Speisen in einem der verschiedenen Gastronomien des Hauses. Hier riecht es förmlich nach Tradition, auch außerhalb des ehrwürdigen Bauwerks. Davor befindet sich ein schöner alter Brunnen, an dem Banker einen kleinen Lunch-Break einlegen, Freundinnen sich zum Quatschen treffen, Kinder plantschen und Frankfurter generell auch gerne den Abend einläuten – vor allem, wenn anlässlich des Opernplatzfestes wieder Stände aufgebaut werden. Auch drumherum hat sich einiges getan. Alteingesessene Lokale wie das Charlot oder Operncafé werden seit einer Weile durch mitunter erschwingliche Restaurants ergänzt, beispielsweise das mediterrane Papa Enj.
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Hauptbahnhof
Auch ihr Hauptbahnhof ist den Frankfurtern lieb, ist er doch das Tor zu spannenden Orten. Für etliche Unternehmungen ist die Stadt nämlich toll gelegen: In näherer Umgebung befinden sich renommierte Naherholungsgebiete, wie das Mittelgebirge Taunus bei Wiesbaden mit seinem Feldberg und herrlichen Wanderwegen. Auch verschiedene Strecken zwischen Odenwald und Rheingau sind sehr beliebt. Und apropos: Im Rheingau gibt es tolle Weingüter mit der Möglichkeit, Proben zu vereinbaren. Vom Hauptbahnhof aus sind auch verschiedene Orte im Ausland schnell erreicht. So dauert es bis nach Zürich nur vier Stunden, die Hauptstadt der Liebe Frankreichs ist sogar noch zwanzig Minuten schneller erreicht.
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So fahren Frankfurter für gewöhnlich viel weg. Aber: Sie kommen wieder!