17. März 2019, 13:10 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
In Hongkong verschmelzen asiatische Traditionen und westliche Moderne. Das sorgt für viele Gegensätze, die man überall in der Millionenmetropole erleben kann. Besonders deutlich werden die Kontraste beim jährlichen Drachenbootrennen im Victoria Hafen.
Feinbemalte Drachenköpfe pflügen durch das aufgewühlte Wasser. Die farbenprächtigen Figuren zieren die Buge der Paddelboote, die zwischen den Lastkähnen im Hafen an der Skyline der Großstadt vorbeiziehen.
In jedem Drachenboot sitzen 18 Athleten, die synchron zum Schlag der Trommeln und den Rufen der Steuermänner ihre Paddel ins Wasser stoßen. Immer wieder und wieder, bis die Boote Hunderte Meter weiter über die Ziellinien jagen.
Jahrhundertealte chinesische Tradition
Wenn die Athleten keine bunten Sporthemden tragen und der Blick nicht immer wieder auf die Hochhäuser fallen würde, könnte man glatt vergessen, dass man sich im Hier und Heute befindet. Denn genau so fanden Drachenbootrennen schon vor vielen, vielen Jahren statt.
In Hongkong wird diese jahrhundertealte chinesische Tradition seit einigen Jahrzehnten wieder gepflegt. 1976 zogen neun Boote mit Einheimischen und einer japanischen Gastmannschaft durch den Victoria Hafen. Seitdem findet zu Ehren eines großen Dichters immer am fünften Tag im fünften Monat des Mondkalenders ein großes Drachenbootrennen statt, erläutert das Fremdenverkehrsamt Hongkongs. Das wäre 2019 zwar der 7. Juni, das Festival wird aus organisatorischen Gründen allerdings erst eine Woche später vom 14. bis 16. stattfinden.
Immer mehr Boote gehen an den Start
Was vergleichsweise klein begann, hat sich inzwischen zu einem großen Event entwickelt. Vor der beeindruckenden Skyline Hongkongs treten heute nicht nur Boote aus den verschiedenen Distrikten gegeneinander an. Inzwischen stellen auch viele Firmen eigene Mannschaften. Zudem erhalten immer mehr internationale Athleten eine Starterlaubnis. Die Zahl der Teilnehmer lag 2018 bei 5000.
„Das Dragon Boat ist keine einmalige Angelegenheit, für uns ist es großer Sport“, sagt Marco Frunz, ein Schweizer, der in Hongkong lebt. Der Sport werde von 15 Millionen Menschen weltweit betrieben, sein Team trainiere das ganze Jahr zwei- bis dreimal und fahre regelmäßig Qualifikationsrennen mit – um am großen Event im Victoria Hafen teilnehmen zu können. „Quasi jede Firma hat ein eigenes Team, das wird sehr ernst genommen und ist eine große Ehre.“
Für die Bewohner der Stadt und die Besucher ist das dreitägige Drachenbootrennen aber auch ein Volksfest. Denn an dem Wochenende im Juni wird die Central Harbourfront zu einem Rummelplatz mit Imbissständen, Karussells und Wasserattraktionen. Hunderttausende Zuschauer feuern die Athleten in den Booten vom Ufer aus an.
Hongkong bietet viel Natur
Doch Hongkong bietet weit mehr als buntes Volksfest vor der Skyline am Hafen. Die Millionenmetropole ist unerwartet grün. Insgesamt umfasst die Stadt eine Fläche von mehr als 1100 Quadratkilometern, die sich über drei Gebiete verteilt: Hongkong Island, die Halbinsel Kowloon und die New Territories. Zwei Drittel des Stadtgebietes, das aus 262 Inseln besteht, sind nicht bebaute Landschaften, 40 Prozent der Fläche stehen unter Naturschutz.
Deutlich wird der Kontrast auf der Insel Lantau, und ganz besonders in dem Fischerdorf Tai O. Gebaut wurden die Häuser dort direkt in das Wasser, auf wackelig wirkenden Stelzen. Wer aus dem Kutter aussteigt, geht über kleine Brücken und durch enge Gassen vorbei an unzähligen Marktständen. Weiter weg könnte der hektische Finanzdistrikt der Stadt von hier aus gefühlt nicht sein – dabei sind es gerade einmal 30 Kilometer Luftlinie. Und eine Fähren-Fahrt.
Erstaunliche Gegensätze
Ähnlich wirkt die Idylle oben in den grünen Hügeln der Inseln Lantau. Dort thront auf einem Berg eine überdimensionale, 34 Meter hohe bronzefarbene Buddhafigur. Sie und das nahe liegende Po Lin Kloster sind Pilgerstätten für Gläubige aus ganz Asien – und das merkt man dem einst einsamen Ort auch an. Den Weg zum Klostereingang säumen kitschige Souvenirstände und Ableger internationaler Fastfood-Ketten. Hier oben scheint es nichts zu geben, was es nicht gibt. Doch gut essen kann man auch in dem Kloster selbst, in einem vegetarischen Restaurant.
Nach einem solchen Ausflug kann man sich im wuseligen Zentrum der Stadt fast ein wenig verloren vorkommen. Etwa an der Causeway Bay, wo alle internationalen Marken einen Shop betreiben und sich schicke Restaurants an hippe Cafés, Hotels und Bürokomplexe reihen. Wo die Dichte an Anzugträgern hoch ist, wo sich die Menschen in den Straßen noch hektischer bewegen, anrempeln und drängeln. Wo die Werbetafeln grell und in schnellen Bildern um Aufmerksamkeit der Passanten buhlen. Hier fällt das Durchatmen schwer.
Etwas ursprünglicher ist das dichte Treiben auf dem Pei Ho Street Market im Stadtteil Sham Shui Po. Dieser Teil der Stadt wird gemeinhin als das ursprüngliche, etwas chaotische anmutende Hongkong angesehen. Denn statt glänzender Flagshipstores findet man hier eher kleine Läden, statt großer Restaurants eher kleine Imbisse.
Reizüberflutung ist vorprogrammiert
Hier ist die Fülle an Reizen oft so dicht, dass selbst Einheimische an alteingesessenen Institutionen wie Kung Wo Beancurd Factory in der Pei Ho Street vorbeilaufen. „Ihn gibt es seit den 60er Jahren, er ist wirklich ungewöhnlich“, sagt der Reiseführer Zelo Dai. „Aber ich muss immer wieder danach suchen.“ Dabei ist der gezuckerte Soja-Brei, der in dem Traditionsshop serviert wird, eine echte lokale Delikatesse.
In dieser Gegend kann man echte Kuriositäten finden – etwa Bo Wah Effiges in der Fuk Wing Street. In diesem Laden werden Opfergaben aus Papier gefertigt und verkauft – die Bandbreite reicht von Autos oder Handys bis zu Handtaschen oder Schuhen.
Solche kleinen Entdeckungen liebt auch die deutsche Auswandererin Alexandra Unrein, die beruflich Touristen durch die Stadt führt. Dabei bewegt sie sich mit Gästen immer wieder gerne in dem Arbeiterviertel. „Das Einzige, was hier konstant ist, ist die Veränderung“, sagt die Reiseführerin.
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Ruhepol in der hektischen Metropole
Trotzdem habe gerade Sham Shui Po fast familiären Charme: „Ich liebe die engen Häuser hier, die unten Laden und oben Wohnraum für die Familien bilden. Hier kennen sich noch die Leute und leben echte Nachbarschaft“, sagt die Auswandererin.
Wenn Unrein Zeit hat, steuert sie gerne einen der vielen kleinen versteckten Tempel an – wie zum Beispiel den Sam Tai Tsz. Hinter den großen Toren eröffnen sich Besuchern ungewöhnliche Ruhepole in der hektischen und lebhaften Stadt.
Hongkong ist Ruhe und Geschäftigkeit. Der Expat Marco Frunz möchte genau deswegen nicht mehr weggehen. „Ich kann nicht mehr woanders hin.“ Keine andere Stadt biete für ihn so viel. Die Intensität, die Schnelllebigkeit, die scheinbar alles möglich mache und gerade im Beruflichen viele Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten bietet, halten ihn. „Hier geht es immer Schlag auf Schlag.“
Aber dann biete ihm die Stadt eben auch all jene Orte zum Erholen – an den Wochenenden im der chinesischen Sonderverwaltungszone. Hier kann man wandern, mountainbiken, segeln und sonnenbaden. „Hier leben alle Nationen, alle Religionen auf einem Fleck“, so Mario. „Für mich ist es einer der friedlichsten Orte der Erde.“
Hongkong
Anreise: Mehrere Fluggesellschaften wie Lufthansa und Cathway Pacific fliegen in elf bis zwölf Stunden direkt nach Hongkong, etwa von Frankfurt aus. Deutsche Staatsangehörige können für einen Zeitraum von 90 Tagen ohne Visum einreisen.
Unterkunft: Hongkong bietet ein großes Angebot an Hotels in allen Preisklassen.
Reisezeit: Von Juni bis Oktober drohen Taifune.
Sprache: Kantonesisch ist die Sprache der meisten Einwohner Hongkongs. Zweite offizielle Sprache ist Englisch.
Besonderheit: Wer seinen Müll oder Zigarettenstummel auf die Straße wirft, muss laut Auswärtigem Amt mit einem Bußgeld rechnen. Das gilt auch für Spucken auf die Straße.