11. Juni 2019, 15:28 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Es klingt verrückt: In der Hauptstadt der Niederlande können Besucher jetzt für einen Tag einen Local „heiraten“. Hinter der Aktion steckt eine Idee, mit der die Macher sich für einen nachhaltigeren Tourismus in ihrer Stadt einsetzen wollen. So wollen sie das „Problem zur Lösung“ machen.
Würden Sie einen wildfremden Menschen heiraten, auch wenn es nur für einen Tag wäre? In Amsterdam kann man nun genau das tun. Ok, klassisch geheiratet wird natürlich nicht wirklich, vielmehr steckt hinter der Aktion ein Projekt namens „Untourist Guide to Amsterdam“. Das Ziel: Ein Local wird in einer Zeremonie für einen Tag mit einem Touristen „verheiratet“, was konkret bedeutet, dass der Einheimische dem Gast an diesem einen Tag die Stadt aus seiner Sicht zeigt.
Hinter der Idee steckt ein Konsortium aus insgesamt mehr als 200 Fremdenführern, Museen, Hotels und sozialen Unternehmen, wie auch das Tourismusbord der Stadt – ihre Hoffnung ist es, dass die „verheirateten“ Touristen die Stadt dadurch aus einem anderen Blickwinkel kennen lernen und nicht (nur) an die üblichen, bekannten Orte gehen, die wie die ganze Stadt auch massiv unter dem Overtourism leiden. Die Touristenmassen sollen also quasi auf mehr Orte in der Stadt verteilt werden. In einer Pressemitteilung der beteiligten Marketingagentur „Amsterdam&Partners“ heißt es, man wolle damit den Tourismus „vom Problem zur Lösung“ machen, denn die Initiative „Marry an Amsterdamer for a day“ (z.dt.: Heirate einen Amsterdamer für einen Tag) ist nicht die einzige, die man künftig umsetzen will. So soll es auch Aktionen geben, bei denen Touristen mit Locals die Straßen fegen oder mit ihnen Müll aus den Kanälen fischen.
Nachhaltigkeit und Spaß
Sabine Linz, die das Projekt mit ihren Freunden Elena Simons und Eelko Hamer gegründet hat, sagte auf Anfrage zu TRAVELBOOK:„Wir möchten alle Menschen dazu einladen, unsere Stadt auf bewusste Weise zu besuchen, und einen positiven Eindruck zu hinterlassen.“ Der Medienansturm sei bereits jetzt, eine Woche nach Start des Projekts, gewaltig – was die Gründer einerseits freue, andererseits wollen sie ihr Projekt aber nicht auf den Hochzeits-Gag reduziert wissen. Doch der kommt nun mal besonders gut an: Die Webseite „Untourist Guide to Amsterdam“ ist aktuell unter dem hohen Besucheransturm zusammengebrochen.
Weitere Ideen der Initiative sind zum Beispiel „Bezahl deinen Kaffee mit einer guten Tat“ oder „Mach dein eigenes Souvenir aus upgecyceltem Material“ – also Produkten, die sonst im Müll landen würden. Pro Jahr wolle man eine Millionen Touristen dafür begeistern: „Vergnügungsreisen werden so eine treibende Kraft für Nachhaltigkeit und Vernetzung, und das macht nicht nur Spaß, sondern ist auch befriedigend“, sagt „Amsterdam&Partners“-Sprecherin Pema Gurung auf TRAVELBOOK-Anfrage. Die Initiative wäre vorerst aber wohl nur ein Tropfen auf dem heißen Stein – pro Jahr besuchen 21 Millionen Menschen Amsterdam.
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Eine andere Art von Tourist
Elena Linz sagt: „Wir würden uns freuen, wenn andere Städte unserem Beispiel folgen. Aber wir sind realistisch und bilden uns nicht ein, dass Dank unserer Initiative alle Probleme gelöst werden, die durch zu viel Tourismus entstehen.“ Die Aufmerksamkeit werde man jetzt nutzen, um sich für die Belange der Stadt und ihrer Einwohner einzusetzen, auch träume man von einer anderen Art von Tourist – die Unternehmer störe vor allem, dass der Fokus vieler Besucher auf dem Rotlichtdistrikt und den zahllosen Coffeeshops der Stadt läge.
Für eine „Hochzeit“ mit einem Local müssen Touristen laut „Guardian“ zudem ziemlich tief in die Tasche greifen: Ab 100 Euro kann man für einen Einheimischen bieten, von der Erlössumme werden dann aber immerhin die Aktivitäten bezahlt, die man gemeinsam unternimmt. Die Initiative ist nicht die einzige, die sich für nachhaltigen Tourismus einsetzt. So ist beispielsweise das Portal „Spotted by Locals“ eine Art personalisierter Reiseführer, in dem Botschafter in aktuell 77 Städten weltweit im Internet ihre ganz persönlichen Lieblingsplätze in der jeweiligen Metropole verraten. Die Macher der Seite, ebenfalls Niederländer, nehmen dabei auch ganz gezielt unbekanntere Städte wie Yerevan in Armenien oder Skopje in Mazedonien mit in ihr Programm, die dadurch mehr Aufmerksamkeit bekommen. Gleichzeitig können sich die Locals aus verschiedenen Städten untereinander und auch mit Usern der Webseite vernetzen.