19. August 2024, 15:17 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Seine Hauptstadt hat für ein Land große symbolische und politische Bedeutung. Ein Hauptstadt-Wechsel ist somit ein historisches Ereignis – und übrigens ein extrem aufwändiges Unterfangen. Welche Länder in den vergangenen 100 Jahren diesen nennenswerten Schritt gegangen sind, erfahren Sie bei TRAVELBOOK.
Den jüngsten Wechsel einer Hauptstadt sollte es kürzlich in Indonesien geben, genauer am nunmehr 79. Unabhängigkeitstag des Landes am 17. August 2024. Die künftig neue Kapitale ist Nusantara, eine noch im Bau befindliche Stadt im Dschungel, die bis 2045 rund 1,9 Millionen Bewohner beherbergen soll. Da die Arbeiten an der neuen Hauptstadt jedoch hinter den Zeitplänen liegen, musste die feierliche Einweihung kurzfristig verschoben werden.
Voraussichtlich im Oktober soll nun das Dekret unterzeichnet werden, das Nusantara als neue indonesische Hauptstadt deklarieren wird. Grund für die Maßnahme ist das kontinuierliche Versinken der bisherigen Hauptstadt Jakarta. Rund 40 Prozent der Stadt liegen bereits unter dem Meeresspiegel – eine Folge des Klimawandels. Aber auch sonst auf der Welt erfolgt der Wechsel einer Hauptstadt gemeinhin nicht adhoc.
Übersicht
Die Bedeutung einer Hauptstadt für einen Staat
Wenn ein Land die Hauptstadt wechselt, bedeutet das einen enormen bürokratischen Aufwand, der sich als langwieriger, komplexer Prozess darstellt. Denn die Hauptstadt ist das symbolische Zentrum eines Landes, häufig ist sie auch Standort der dortigen Regierung. Die Entscheidung für einen würdigen Kandidaten muss unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren getroffen werden. Schlichtweg die größte Stadt eines Landes zu nehmen, wäre vielleicht einfach, ist aber längst nicht immer die Lösung. Dies veranschaulicht etwa das Beispiel Washington, D.C.: Mehr als 20 Städte innerhalb der USA haben eine größere Bevölkerung als die Hauptstadt.
Nicht zuletzt haben Hauptstädte ideelle Bedeutung für ihre Länder. In manchen Fällen steht deren Name sinnbildlich für die Stimmung und den Geist eines gesamten Staates.
Beispiel Deutschland
Eines der Länder mit durchaus ikonischer Hauptstadt ist sicherlich Deutschland. Für viele Menschen von außerhalb ist Berlin ein Wunschreiseziel oder zumindest ein bildlicher Begriff, steht die Metropole für eine bewegte Geschichte, vielseitige Kultur und nicht zuletzt eine berühmte Partyszene.
Dabei ist Berlin noch nicht allzu lang die deutsche Hauptstadt. Zwischen 1949 und 1973 war der zumindest provisorische Regierungssitz die nordrhein-westfälische Großstadt Bonn. Mit dem Einigungsvertrag vom 31. August 1990, welcher neben der Auflösung der DDR auch deren Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland regelte, wurde Berlin zur Hauptstadt des wiedervereinigten Landes erklärt.
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Dem gegenüber gestellt sei das Beispiel Sri Lanka. Das südasiatische Land hat 1982 den Wechsel von Colombo zu Sri Jayewardenepura als neue Hauptstadt vollzogen. Doch diese hat sich in der öffentlichen Wahrnehmung nicht als solche etabliert – man handelt den Vorgänger bis heute als inoffizielle Hauptstadt und kommerzielles Zentrum. Man könnte Sri Jayewardenepura als Sri Lankas Verwaltungshauptstadt bezeichnen.
Länder, die ihre Hauptstädte gewechselt haben
Obwohl ein Hauptstadt-Wechsel beachtliche unter anderem politische und rechtliche, aber auch logistische und nicht zuletzt finanzielle Aufgaben beinhaltet ist – es ist im Laufe der Geschichte schon zahlreiche Male dazu gekommen. Sie alle aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. TRAVELBOOK beschränkt sich im Folgenden auf eine Auswahl aus den vergangenen 100 Jahren.
Länder mit neuen Hauptstädten in der Übersicht
Land | Hauptstadt | Vorherige Hauptstadt | Jahr des Wechsels |
---|---|---|---|
Australien | Canberra | Melbourne | 1913 |
Russland | Moskau | Sankt Petersburg | 1918 |
Brasilien | Brasília | Rio de Janeiro | 1960 |
Pakistan | Islamabad | Karachi | 1963 |
Tansania | Dodoma | Dar es Salaam | 1974 |
Malawi | Lilongwe | Zomba | 1975 |
Sri Lanka | Sri Jayewardenepura | Colombo | 1982 |
Elfenbeinküste | Yamoussoukro | Abidjan | 1983 |
Deutschland | Berlin | Bonn | 1990 |
Nigeria | Abuja | Lagos | 1991 |
Kasachstan | Astana | Almaty | 1997 |
Myanmar (Birma) | Naypyidaw | Rangun | 2005 |
Russlands (neue) Hauptstadt ist die größte Stadt in ganz Europa
Die russische Hauptstadt ist mit rund 12,6 Millionen Einwohnern die größte Stadt ganz Europas. Gleichzeitig verkörpert Moskau das Zentrum der osteuropäischen Politik, Kultur und Wissenschaft. Vorher war die im Nordwesten gelegene zweitgrößte Stadt des Landes ihre Hauptstadt – und das rund 200 Jahre lang. Die Rede ist von Sankt Petersburg. Davor wiederum war es Kiew. Die sogenannte „Mutter aller russischen Städte“ fungierte im Mittelalter als Machtzentrum des russischen Reichs. Heute ist Kiew die Hauptstadt der Ukraine.
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Städte, die explizit als Hauptstädte errichtet wurden
Der Begriff „Wechsel“ sagt im behandelten Zusammenhang streng genommen aus, dass zwischen zwei bestehenden Städten der Status Hauptstadt gewechselt hat. Man muss bei drei der aufgeführten Länder also zumindest etwas hinzufügen.
So ist zwar richtig, dass in Australien im Jahr 1913 Canberra Melbourne als Hauptstadt abgelöst hat. Doch im klassischen Sinne war es kein „Wechsel“ – immerhin hatte es Canberra vor seiner Ernennung als Kapitale gar nicht gegeben. Die Metropole wurde explizit für die Funktion als Hauptstadt errichtet. Grund dafür war der Wunsch, eine unbelastete Hauptstadt für Australien zu schaffen, die frei von historischen Rivalitäten ist. Solche sind bekanntermaßen für das Verhältnis zwischen Melbourne und Sydney typisch.
Ähnlich verhielt es sich bei den aufgezählten Ländern Brasilien und Myanmar. Auch Brasília ist eine Planhauptstadt, in diesem Fall mit zentralerer Lage im Landesinneren verglichen mit der vorherigen Hauptstadt. In Myanmar hatte die Hauptstadt-Verlegung von Yangon in die Planstadt Naypyidaw politisch-strategische Gründe.