
28. April 2025, 10:48 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Aktuell feiert die Neuauflage von Disneys Klassiker „Schneewittchen“ Erfolge an den Kinokassen weltweit. Das dürfte auch einer kleinen Stadt in Bayern gefallen, denn hier dreht sich (für Touristen) alles um die berühmte Märchenfigur. Lohr am Main wirbt damit, dass hier die Geschichte um das schöne Mädchen und die Sieben Zwerge ihren Ursprung hat. Doch nicht nur das: Das „echte“ Schneewittchen soll einst tatsächlich hier gelebt haben. Darauf gibt es gleich mehrere erstaunliche Hinweise.
Kein Zweifel: Eines der bekanntesten und beliebtesten Märchen der Brüder Grimm ist wohl das um Schneewittchen und die Sieben Zwerge. Und während die Neuauflage des Disney-Films um die schöne Prinzessin, ihre böse Schwiegermutter und den Prinzen in den Kinos weltweit eine Neuauflage feiert, dürfte eine kleine Stadt in Bayern verstärkt in den Fokus zahlreicher Deutschland-Touristen geraten. Denn in Lohr am Main hat die Geschichte angeblich nicht nur ihren Ursprung, das „echte“ Schneewittchen soll auch einst hier gelebt haben. Und wer die Fiktion mit den Fakten abgleicht, wird vor Ort tatsächlich erstaunliche Parallelen entdecken.
„Einfach märchenhaft“, mit diesem Slogan wirbt die offizielle Tourismusseite der Stadt Lohr am Main. Und bezieht sich damit auf den Anspruch, dass das Vorbild für das Schneewittchen eine Tochter der Stadt gewesen sein soll. Demnach könnte es sich um das vor genau 300 Jahren geborene Freifräulein Maria Sophia Margaretha Catharina von Erthal handeln. Sie erblickte als Tochter des Oberamtsmannes Philipp Christoph von Erthal auf dem Schloss von Lohr am Main das Licht der Welt. Und wäre wohl für immer eine Nebenfigur der Stadtgeschichte geblieben, hätte nicht 1986 ein hiesiger Apotheker und Historiker namens Dr. Karlheinz Bartels eine verblüffende Entdeckung gemacht. Denn er fand gleich mehrere Übereinstimmungen rund um das junge Mädchen und die heute berühmte Sagengestalt.

Erstaunliche Entsprechungen
So starb die Mutter des „echten“ Schneewittchens früh, worauf der Vater bald ein zweites Mal heiratete. Der neuen Schwiegermutter sagte man nach, herrschsüchtig zu sein und ihre Stellung auf Kosten ihrer Stiefkinder ausgenutzt zu haben. Ganz also wie im Märchen, wo eine grausame Schwiegermutter Schneewittchen erst verstößt und dann sogar umzubringen versucht. Der Grund: Eifersucht auf die Schönheit des Mädchens. Was uns zur zweiten Koinzidenz führt. Denn auch ein Spiegel, in dem sich die Böse selbst gerne betrachtet, spielt in dem Märchen eine Rolle. Und tatsächlich gab es einst in Lohr am Main eine Manufaktur, die Gläser und Spiegel herstellte. Deren Besitzer: Der Vater der jungen Freifrau. Im Spessartmuseum gibt es noch heute einen Spiegel zu bestaunen, der unter anderem die Inschrift „Selbstliebe“ trägt. Könnte er der zweiten Ehefrau gehört haben?
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Und auch für die Sieben Zwerge findet sich eine erstaunliche Entsprechung in der echten Welt. So gab es nahe Lohr am Main einst Bergwerke. In die engen Stollen schickte man nicht selten auch Kinder und Kleinwüchsige. Vor allem sie waren aufgrund ihrer geringen Körpergröße für die Arbeit hier geeignet. Um von der Stadt aus zu den Schächten zu gelangen, musste man sieben Hügel überqueren. Genau wie Schneewittchen im Märchen, als sie vor ihrer Schwiegermutter floh. Der in der Geschichte beschriebene „wilde Wald“ könnte nur zu leicht als der Spessart selbst gedeutet werden. In früheren Zeiten diente er auch Räubern, Wegelagerern und anderen Gesetzlosen als Zufluchtsort.

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Nicht zuletzt lebten die Brüder Grimm lange Zeit in Hanau, das nur etwa 50 Kilometer von Lohr am Main entfernt ist. Gut möglich scheint es angesichts dieser Fakten, dass sie die damaligen Umstände zu einem ihrer bekanntesten Märchen verwoben. Kein Wunder also, das Lohr am Main als angebliche Heimat des echten Schneewittchens mit der Märchenfigur ordentlich Werbung macht. So gibt es einen Schneewittchenwanderweg, gleich mehrere Figuren und Skulpturen der Schönen sowie einen nach ihr benannten Wein und Gin. Schauspieler lesen Kindern das Märchen vor und können auf Anfrage sogar für Auftritte gebucht werden. Wer nur Schneewittchen möchte, zahlt dafür laut Stadtwebseite ab 30 Euro. Ein Auftritt zusammen mit den Sieben Zwergen kostet schon ab 60 Euro.
Jährlich am ersten Sonntag nach den bayerischen Sommerferien findet auch ein Schneewittchen-Fest im Stadtpark statt, und für Kinder gibt es eine Märchen-Rallye rund um die berühmte Figur. Laut der Seite „Spessart Mainland“ sind dieses Jahr, anlässlich des 300. Geburtstags, am 21. September zahlreiche weitere Veranstaltungen geplant. Jürgen Goldbach, Leiter der Touristinformation von Lohr am Main, sagt auf TRAVELBOOK-Anfrage: „Touristisch ist Schneewittchen das Beste, was uns passieren konnte. Wir werben auch mit Wandern und Radfahren, aber das ist unser Unique Selling Point.“ Wie viele Touristen gezielt aufgrund der Märchenfigur kämen, ließe sich aber nicht sagen.
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Seit der Aufstellung der Schneewittchen-Skulptur im Jahr 2016 habe das Interesse allerdings noch einmal deutlich angezogen. „Das hat uns viel überregionale Aufmerksamkeit gebracht. Unser Marketing begann aber schon mit der Entdeckung der Parallelen zum Märchen etwa Mitte der 80er Jahre.“ Heute gibt es sogar ein typisches braunes Hinweis-Schild an der Autobahn, nennt sich Lohr am Main stolz und ganz offiziell „Schneewittchen-Stadt“. Die beliebte Figur begrüßt auch regelmäßig Busgruppen, die in die Stadt reisen. „Aktuell haben wir rund elf Darstellerinnen“, sagt Goldbach lachend.