14. Dezember 2019, 9:29 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
„Athen“ – so heißt das neue Album des deutschen Musikers Max Herre, der mit der Hip-Hop-Band Freundeskreis in den 90er-Jahren bekannt wurde und nach der Auflösung 2007 eine beeindruckende Solo-Karriere hingelegt hat. Im Interview mit TRAVELBOOK erklärt Herre, was ihn mit der griechischen Hauptstadt verbindet und warum sie für ihn ein solcher Sehnsuchtsort ist. Außerdem verrät der 46-Jährige, welche Orte in Athen man unbedingt besuchen sollte.
TRAVELBOOK: Dein neues Album heißt Athen – was verbindet dich mit dieser Stadt?
Max Herre: „Meine Geschichte verbindet mich mit Athen, weil mein Vater dort in den späten 80er-Jahren für ein paar Jahre gearbeitet hat. Seit 1980 waren wir ganz viel da, fast immer in den Schulferien. Es gibt mehrere familiäre Bezüge, mein Großvater hat in den 20er-Jahren in Athen gelebt, mein ältester Onkel ist da aufgewachsen und hat in den späten 60er-, frühen 70er-Jahren dort am Goetheinstitut gearbeitet.“
Und warum ist Athen für dich heute noch so ein Sehnsuchtsort?
„Athen ist für mich eine unglaublich spannende Stadt, die einen auch sehr fordert, weil unglaublich viel los ist. Momentan ist natürlich eine sehr politische Zeit, die Leute haben sehr gelitten unter der Krise und dem ganzen Sozialraub, der stattgefunden hat. Aber gleichzeitig ist es auch ein Ort, der total im Aufbruch ist, und wo sich vor allem die jungen Leute neu erfinden, sich neue Plätze schaffen, alte Plätze umbestimmen. Es herrscht eine unglaubliche Aufbruchsstimmung. Täglich entstehen neue Ausstellungsräume, Galerien, Restaurants und Kneipen. Und das ist total spannend zu sehen.“
Was wäre heute anders an Athen, wenn es die Krise nicht gegeben hätte?
„Die Stadt hätte sich auf jeden Fall anders entwickelt. Das, was jetzt an Transformation passiert, wird man erst in den nächsten zehn Jahren sehen, denke ich, denn die Stadt wird gerade aufgekauft von ausländischen Investoren. Ganz viele Wohnungen stehen zum Verkauf, ganze Wohnblöcke gehen gerade an internationale Fonds und Leute, die investieren. Das wird die Stadt sehr verändern, Gentrifizierung ist ein großes Thema in Athen. Aber die Einwohner entwickeln unter diesem Druck auch viele Ideen, das ist vielleicht der eine Lichtblick, den es ohne den Druck der Krise nicht gegeben hätte. Ob das allerdings kompensiert, was den Leuten genommen wurde – das wage ich zu bezweifeln. Athen ist nach wie vor ein Ankunftsort für viele Geflüchtete, auch das hat das Stadtbild verändert. Ich habe Athen immer als solidarisch gegenüber den Leuten empfunden, die neu ankamen, das ist etwas, was ich als anders empfinde im Vergleich zu Deutschland.“
Was würde jemanden, der zum ersten Mal nach Athen reist, wohl am meisten überraschen?
„Das Schöne und Spannende an Athen ist, dass es gleichzeitig eine europäische und orientalische Stadt ist. Der Einfluss der Leute, die in den 20er-Jahren im türkisch-griechischen Krieg aus Kleinasien kamen, und die diese Stadt und diese Kultur mitgeprägt haben, ist sehr präsent. Ich glaube es würde die Leute sehr überraschen, wie viel Kultur es in Athen gibt. Dass es da antike Kultur gibt, die 2500 Jahre alt ist, wissen die Leute, aber wie sehr Athen auch ein Zentrum aktueller Kultur ist, das ist nicht so bekannt. Ich glaube, viele wären auch sehr angetan von dieser Kultur des Draußenseins, dass man sich abends trifft in den Bars, Kefenions und Restaurants. Und auch, wie kosmopolitisch Athen ist! Die meisten Griechen konnten immer gut Englisch und waren schon immer gute Gastgeber. Außerdem sind sie sehr vernetzt in die Welt, es gab immer viele Griechen, die im Exil leben, wodurch es auch immer Verbindungslinien nach Amerika, nach Mitteleuropa und nach Australien gab.“
Verrätst du unseren Lesern deine Geheimtipps für die Stadt? Was sollte man unbedingt sehen?
„Jeder Stadtteil hat seinen Reiz, aber ich mag besonders diese einfachen Stadtteile, weil man dort das Athener Leben mitkriegt, ganz unprätentiös und untouristisch. Deshalb mag ich zum Beispiel Orte wie Kypseli sehr gerne, wo es tolle Restaurants gibt. Dann gibt es den Stadtteil Mets, in dem viele ältere Intelektuelle. Akademiker und Künstler leben. Für mich steht dieser Stadtteil für das Athen, das ich sehr mit meinem Onkel verbinde oder auch mit den Kreisen, in denen mein Vater verkehrt. Ebenfalls zu empfehlen: Psiri. Das ist der Stadtteil neben der Plaka. In Psiri kann man abends gut weggehen, es gibt viele Tavernen, wo Musik gespielt wird, und man findet auch noch ganz alte Kneipen. Sehr besonders in Athen sind auch die Wochenmärkte, die es in fast jedem Stadtteil gibt. Samstags ist zum Beispiel im Stadtteil Exarchia die ganze Straße Kallidromiou ein großer Markt – das ist total schön.“
Wo kann man in Athen besonders gut und authentisch essen?
„Auf der Kallidromiou gibt es ein Restaurant namens Ama Lachai mit einem sehr schönen Innenhof. Es gibt griechisches Essen auf eine sehr moderne Art. In Psiri empfehle ich das Restaurant Avli. Da ist eine alte Taverne, an der man fast vorbeiläuft, weil das nur eine grüne Stahltür zwischen zwei Läden ist. Wenn man durch diese Tür geht, kommt man in einen ganz schmalen Hinterhof, wo ganz klassisches griechisches Essen serviert wird. Ansonsten bekommt man eigentlich fast überall in Athen gutes Essen, die griechische Küche lebt von ihrer Einfachheit und den guten Produkten, dem frischen Gemüse, dem Olivenöl, dem Schafskäse, dem frischen Brot, so dass es eigentlich fast überall gut schmeckt.“
Adressen:
- Avli, Agiou Dimitriou 12, Psiri, 105 54 Athen
- Ama Lachei at Nefeli’s, Kallidromiou 69, Exarcheia, 10683 Athen
Wie gut ist dein Griechisch?
„Ich kann bestellen auf Griechisch und ich kann fluchen auf Griechisch, aber das ist dann auch alles.“
Was hast du noch von Griechenland gesehen, was dich beeindruckt hat?
„Ich habe schon relativ viel gesehen, Thessaloniki ist eine unglaublich tolle und reizvolle Stadt. In den Kykladen gibt es ganz tolle Inseln, da lohnt es sich sehr, Inselhopping zu machen und sich gleich mehrere anzugucken. Ich mag auch Mittelgriechenland total gerne und auch der Peleponnes hat eine richtig schöne Landschaft.“
Welche Orte in Griechenland stehen noch auf deiner Wunschliste?
„Ich habe zum Beispiel viele Inseln noch nicht gesehen, die mich sehr interessieren. Ich kehre aber auch gerne an Orte zurück, um sie noch besser kennenzulernen. Ich bin nicht so ein Ortesammler im Sinne von: überall mal einen Fuß hinsetzen und dann kann ich behaupten, ich war da. Ich mag es, zum Beispiel in einer Stadt wie Athen, immer neue Ecken kennenzulernen.“
Könntest du dir vorstellen, irgendwann sogar mal in Griechenland zu leben?
„Ja, ich kann mir das durchaus vorstellen. Besser als meine Frau sich das vorstellen kann (lacht), aber ich konnte mir das schon immer gut vorstellen. Meine Cousine hat dort gelebt, mein Vater hat dort ein paar Jahre gelebt, deshalb weiß ich, dass man das gut kann und dass es schön ist und Spaß macht.“