23. März 2019, 10:32 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Seattle? Spielte da nicht mal ein Liebesfilm, in dem es immer regnet? Und kommt nicht die Band Nirvana von dort? Ja. Aber die Metropole im Nordwesten der USA ist auch ein kurioser Touristen-Hotspot rund um Kaugummis, Wurzeln in Skandinavien und ein futuristisches Zentrum.
Seattle ist als Rain City verschrien. Doch die Stadt im Nordwesten der USA hält Unerwartetes bereit.
In den frühen Neunziger Jahren wurden Liebesfilme noch mit Meg Ryan und Tom Hanks besetzt. „Schlaflos in Seattle“ lief in den Kinos, ein Paar fand über eine Radioshow zueinander und lebte am Ende in einer Stadt, in der es sehr viel regnete.
„Wenn dir das Wetter nicht gefällt, warte einfach fünf Minuten“, sagen die Bewohner der Metropole. Ein wolkenverhangener Himmel heißt nicht, dass es wirklich regnet, genauso wie bei Sonne plötzlich ein paar Tropfen fallen, und alle paar Minuten ändert sich alles wieder. Wer zwischen Mai und September reist, hat gute Chancen, die Stadt ohne Regenschirm zu besichtigen. Am besten von oben.
Sky View Observatory und Space Needle
Das Sky View Observatory bietet von rund 300 Metern Höhe ein 360-Grad-Panorama auf das Stadtzentrum bis in die Olympic Mountains und die Kaskadenkette. Wer hoch in den 73. Stock fährt, darf ein Foto mit Big Foot machen. Das Plüschtier ist das Maskottchen. Vielleicht treibt sich das Fabelwesen in Seattles grünem Umland herum. Nur zwei Autostunden entfernt liegt der mehr als 3700 Quadratkilometer große Olympic National Park. Dort gibt es sogar einen Regenwald.
Ein bisschen niedriger als das Sky View Observatory, 184 Meter, ist die Space Needle, Seattles Wahrzeichen und Überbleibsel der World Expo 1962. Dafür steht man beim Ausblick auf einem drehenden Glasboden und schaut in die Tiefe. Nichts für Menschen mit Höhenangst. Wer sich traut, sieht unter seinen Füßen die Monorail-Bahn in das Museum für Popkultur fahren. Der Zug verbindet die Innenstadt mit dem Museumszentrum. Man fragt sich: Ist Kurt Cobain auch mit der niedlichen Bummelbahn gefahren?
Nirvana und Kaffee über eine App bestellen
An Nirvana führt kein Weg vorbei. „Here we are now, entertain us“, sang Cobain in „Smells Like Teen Spirit“, bevor er sich 1994 in seiner Wohnung in Seattle im Heroinrausch in den Kopf schoss. Die Textzeile passt ins Museum für Popkultur, wo unter anderem die Geschichte Nirvanas erzählt wird.
Ob Cobain heute mit Blick auf das Smartphone durch die Stadt laufen würde? Der Rest von Seattle tut es. Firmen wie Amazon, Microsoft oder Google haben hier ihren Sitz oder eine Niederlassung.
Einkäufe im Supermarkt erledigen, ohne dass man dafür Menschen braucht – das geht in Seattle. Eine App erkennt die Artikel im Wagen und scannt sie beim Verlassen des Geschäfts – abgerechnet wird per App. Bei Starbucks, das in Seattle gegründet wurde und dort rund 100 Filialen hat, bestellen die Leute ihren Kaffee ebenfalls über eine App – schon auf dem Weg. Bis sie im Laden sind, ist das Getränk fertig. Den Becher holen sie an der Ausgabe „Mobile Order“ ab.
Zwei Glaskugeln, die aussehen wie überdimensionierte, durchsichtige Golfbälle, stehen in der Innenstadt – die neuesten Büros von Amazon, genannt Spheres. Eine Mischung aus Dschungel und Office.
Pike Place Market und verklebte Wände
Weiter zum bekannten Pike Place Market. Dort geht es für Einheimische um Fisch – und für Touristen um Kaugummi. „We have gums!“ (Wir haben Kaugummis) wirbt ein Laden am Eingang.
In einer Gasse nahe den Ständen zeigt sich, wieso: Sehr viele Kaugummis kleben an der Mauer. So viele, dass Kent Whipple mit seiner Spachtel ziemlich verloren aussieht. Whipple arbeitet im Theater neben den verklebten Wänden. In den Achtzigern soll es ein Kaugummi-Verbot verhängt haben, bis jemand aus Protest sein Gummi an die Mauer pappte und unzählige folgten. „Bei uns dürfen die Leute Kaugummi kauen“, ruft Whipple und kratzt ein paar ab. „Ist uns lieber, als wenn sie die unter die Sitze kleben.“
Whipple hat sich damit abgefunden, dass die Mauer klebt und stinkt. „Es ist, wie es ist“, sagt er, während Menschen Selfies vor den bunten Wänden machen. „Das ist die ekeligste Touristenattraktion, die ich je gesehen habe“, sagt jemand. Ein Reinigungstrupp macht die Wände sauber, bis die Leute sie wieder bekleben.
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Einwanderer aus Skandinavien
Nicht ganz so kurios, aber auch nicht sonderlich bekannt ist die Sache mit Skandinavien. Im Nordic Museum im Stadtteil Ballard erzählt Kuratorin Jan Woldseth Colbrese von der ursprünglichen Herkunft vieler Bewohner in Seattle und Umgebung: Nordeuropa. Im Museum sieht man Glaskunst von den Färöer-Inseln, Papierkunst aus Dänemark und Designer-Möbel aus Schweden. Im Souvenirshop gibt es Lakritz.
Im Mai 2018 wurde das Museum neu eröffnet. Es erzählt die Geschichte der Einwanderer. Die Kuratorin hat selbst Wurzeln in Europa. Als sie ihre Großmutter zu Zeiten des Kalten Kriegs telefonieren hörte, habe sie gedacht, die Oma sei eine russische Spionin. Aber es sei Norwegisch gewesen, das sie gehört habe.
Seattle
Anreise: Direktflüge nach Seattle gibt es von Deutschland aus von Frankfurt am Main. Wer von anderen Städten anreist, macht Zwischenstopps – etwa in Irland, Island oder in den USA.
Einreise: Deutsche USA-Urlauber brauchen kein Visum, aber müssen sich eine elektronische Einreiseerlaubnis (Esta) besorgen. Sie kostet 14 US-Dollar und gilt zwei Jahre lang.