1. November 2019, 6:47 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die italienische Region Molise ist durch einen Witz zu einem landesweiten Phänomen geworden – der besagt nämlich, dass es sie gar nicht gibt. Genau damit versuchen die Einheimischen, jetzt mehr Touristen anzulocken. Denn tatsächlich ist die Region vom Aussterben bedroht.
Hätten Sie gewusst, dass es auch in Italien eine Art „Bielefeld“ gibt, also einen Ort, der angeblich nicht existiert? Nur ist in unserem Nachbarland nicht nur eine Stadt gemeint, sondern eine ganze Gegend – nämlich Molise, Italiens jüngste Region.
Erst seit 1963 gibt es den kleinen Landstreifen, der sich damals von der Nachbarregion Abruzzen abspaltete, laut „BBC“. Schuld an der Theorie, Molise könne entgegen aller belegbaren Tatsachen nicht existieren, ist vermutlich ein Witz, der schon seit Jahren im Internet kursiert: Unter dem Hashtag #ilmolisenonesiste (Molise existiert nicht) machten sich Leute über die Größe und Unbekanntheit der Region lustig – allein auf dem Portal Instagram gibt es unter dem Motto aktuell knapp 7000 Beiträge.
Ein Witz mit wahrem Kern
Heute gibt es zu dem Thema Songs, Videos und Artikel, der Journalist Enzo Luongo hat darüber sogar ein Buch geschrieben, Titel natürlich: „Molise existiert nicht“. Die Facebook-Seite „Ich glaube nicht an die Existenz von Molise“ hat knapp 70.000 Follower, verkauft Fan-Artikel wie T-Shirts und Tassen zu dem Thema. Auf Memes im Internet sieht man nicht selten Italien-Landkarten, auf denen anstelle von Molise ein schwarzes Loch abgebildet ist. Nicht schlecht für einen Ort, den es angeblich gar nicht gibt.
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Viele Einheimische können über den Witz jedoch gar nicht lachen, denn er könnte durchaus die Zukunft der Region voraussagen: Molise hat eine sehr hohe Arbeitslosenrate, ist zudem ein Erdbeben-Herd – junge Menschen fliehen in Massen von hier in die größeren Städte des Landes, so dass die Region langsam, aber sicher ausdünnt. In gleich neun Orten in Molise wurde 2018 nicht eine einzige Geburt registriert. Donato Toma, Präsident der Region, unterbreitete daher kürzlich unter anderem im britischen „Guardian“ ein ganz besonderes Angebot: Wer nach Molise zieht, erhält von der Region demnach für einen Zeitraum von drei Jahren monatlich 700 Euro.
Hoffnung Tourismus
Bedingung: Der neue Heimatort muss weniger als 2000 Einwohner haben, Umzugswillige vor Ort ein Geschäft eröffnen bzw. sich generell verschreiben, Molise wirtschaftlich wieder auf die Beine zu helfen. Zudem soll jeder Ort mit weniger als 2000 Einwohnern 10.000 Euro erhalten, um sie in örtliche Projekte und Wiederaufbau zu investieren. „Wir wollen nicht nur die Bevölkerungszahl vergrößern“, sagte Toma der Zeitung. „Menschen brauchen Infrastruktur und einen Grund zum Bleiben – sonst enden wir dort, wo wir vor ein paar Jahren angefangen haben.“
Eine Hoffnung wären mehr Touristen, auf die die Region laut „BBC“ setzt – gerade damit, dass Molise angeblich gar nicht existiert, wolle man diese locken. So sagt der Lokalpolitiker Simone Cretella: „’Molise existiert nicht‘ ist irgendwie der perfekte Slogan – er unterstreicht, dass wir geheimnisvoll sind, schrullig, aber vor allem unberührt vom Tourismus. Er weckt Neugier bei den Menschen, unsere Region zu erkunden – und wenn sie das tun, sind sie immer überrascht, wie schön und vielseitig Molise ist.“
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Einheimische Initiative
Auf der Webseite „Moleasy“ versuchen örtliche Unternehmer bereits jetzt, die Besucherzahlen anzukurbeln, indem sie für die Attraktionen der Region werben – da wären zum Beispiel die wunderbare Natur, alte Schlösser und Burgen, aber auch Food- und Wellness-Tourismus. Jedoch stellten sich Tourismusbehörden diesen Plänen in den Weg, bzw. seien ganz einfach nicht von dem Slogan als Zugpferd einer möglichen Kampagne zu überzeugen. „Der Staat war niemals davon zu überzeugen, dass wir Touristen anziehen könnten. Sie dachten, der einzige Weg unsere Entwicklung voranzubringen, führe über die Industrie, also haben sie Fabriken gebaut. Jetzt wurden die Fabriken geschlossen, und die jungen Leute gehen wieder. “
Cremone glaubt, den Grund dafür zu kennen, dass der Staat der Region nicht hilft: „Einer der Nachteile, wenn man in einer ‚zeitlosen‘ Region lebt, ist, dass die Menschen nur sehr schwer von etwas zu überzeugen sind. Aber mal ehrlich, wer würde nicht gerne eine Region besuchen, die es gar nicht gibt?“ Angesichts des eventuell bevorstehenden Brexits erlaubt sich Donato Toma im englischen „Guardian“ sogar seinen ganz eigenen Molise-Witz: „Kommt nach Molise…zusätzlich zu allem anderen haben wir hier auch jede Menge Sonnenschein.“