16. Dezember 2024, 6:57 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die neuseeländische Stadt Queenstown plant, bis 2030 die weltweit erste Stadt zu werden, die komplett ohne den Ausstoß des für Umwelt und Atmosphäre schädlichen Treibhausgases Kohlenstoffdioxid funktioniert. Schon jetzt gibt es erste Anzeichen dafür, dass dieser ambitionierte Plan gelingen könnte. Dabei waren sich die Initiatoren des ehrgeizigen Projekts anfangs scheinbar selbst nicht sicher, ob das klappen könne.
Was gerade in der neuseeländischen Stadt Queenstown auf der Südinsel des Staates passiert, kann man wohl als Aufbruchsstimmung bezeichnen. Der Ort, der gerade einmal 50.000 Einwohner zählt, geriet kürzlich mit einer aufsehenerregenden Nachricht in die internationalen Schlagzeilen. Bis 2030 will man hier, am Fuß der beeindruckenden heimischen Berge, die erste Stadt weltweit schaffen, die vollständig auf den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlenstoffdioxid verzichten kann. Und schon jetzt gibt es zahlreiche Anzeichen dafür, dass der ambitionierte Plan tatsächlich gelingen könnte.
„Abenteuerhauptstadt der Welt“
Queenstown hat bereits ein anderes, für den internationalen Tourismus durchaus zugkräftiges Label. So bezeichnet man sich laut „BBC“ sehr selbstbewusst als die „Abenteuerhauptstadt der Welt“. Seit den 1940er-Jahren ist die Destination wegen ihrer Lage ein beliebtes Ski-Ressort, heute zählt unter anderem auch der Radsport zu besonders gefragten Aktivitäten der Besucher. Bereits 1988 wurde hier quasi das Bungeespringen erfunden, als der erste Anbieter weltweit den Nervenkitzel bekannt machte. Fallschirmspringen vor der atemberaubenden Naturkulisse von Queenstown gehört genauso zum Angebot wie die steilste Zipline auf dem gesamten Planeten.
Selbst vom Feedback überrascht
Ganz neu ist der Plan, Queenstown zur ersten emissionsfreien Stadt der Welt zu machen, allerdings nicht. Die drei lokalen Tourismusorganisationen stellten ihn bereits 2021 vor. Und waren selbst davon überrascht, dass er sofort auf so viel positives Feedback stieß. Denn die Ziele, die die Stadt sich selbst gesteckt hat, sind ziemlich ehrgeizig. So sollen bald elektrische Gondeln und Sessellifte Touristen zu den Ski-Hotspots bringen, eine Wasserstoff-betriebene Fähre auf dem heimischen Wakatipu-See verkehren. Auch elektrische Jetboote möchte man einführen, und schon 2026 soll das erste elektrische Flugzeug von Air New Zealand abheben. Hierbei handelt es sich zunächst um eine Frachtmaschine, Passagierflieger könnten folgen.
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„BBC“ spricht von einer Aufbruchsstimmung, die die Bürger Queenstown erfasst habe, seitdem der Plan bekannt sei. Ein Sprecher einer der drei örtlichen Tourismusbehörden sagte dem Blatt sinngemäß: „2030 schien so schwer realisierbar, dass die ganze Gemeinde wie elektrisiert war. Das bedeutet, jeder hier muss ein Teil des Ganzen sein.“ Und schon jetzt gibt es vor Ort zahlreiche lokale Vorreiter, die mit gutem Beispiel vorangehen. So sammelt der einheimische Unternehmer Michael Sly beispielsweise jeden Monat von den Hotels der Stadt 20 Tonnen übrig gebliebene Lebensmittel ein. Diese kompostiert er und gewinnt dadurch hochwertige Erde, auf der wieder Obst und Gemüse wachsen können.
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Lokale Vorbilder
Das Gasthaus Headwaters Eco Lodge wird schon heute vollständig mit Solarstrom betrieben. Mit fast 600 Solarpaneelen ist es einer der größten Produzenten der klimaneutralen Energie überhaupt auf Neuseelands Südinsel. Zudem benutzt man vor Ort die weltweit fortschrittlichsten Kompost-Toiletten. Überschüssiges Wasser wird verwendet, um die eigens angelegten Sumpfgebiete rund um das Ressort zu beleben. Das Haus war damit das allererste, dass nach den strengen Kriterien der „Living Building Challenge“ anerkannt ist. Die Organisation arbeitet weltweit mit Architekten, Ingenieuren und Baufirmen daran, eine nachhaltige Zukunft zu schaffen.
Das Hotel „Sherwood Queenstown“ bezieht seinen Strom ebenfalls schon fast vollständig aus Solarenergie und beschäftigt einen Gartenbauexperten in Vollzeit. Dieser sorgt dafür, dass aktuell knapp die Hälfte aller im eigenen Restaurant benötigten Lebensmittel vor Ort wachsen. Eine örtliche Firma hat innerhalb von nur drei Jahren einen Prototyp für komplett elektrisch betriebene Jetboote gebaut. Die Pläne dafür wolle man mit allen anderen Anbietern in der Stadt teilen, um das Ziel „Emissionsfrei in 2030“ gemeinsam zu erreichen. Bereits Anfang 2025 soll auf dem nahen Manapouri-See die erste elektrische Tragflächenfähre weltweit ihren Betrieb aufnehmen.
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Queenstown hat zudem gerade erst seine Häfen aufgerüstet, sodass es jetzt Ladestationen für die vielen Elektro-Boote gibt, mit denen man in naher Zukunft rechnet. Ein lokaler Touranbieter chauffiert seine Kunden seit Neustem in Teslas, und die Stadt hat 130 Kilometer neue Fahrradwege angelegt, die durch die einzigartige Natur im Hinterland führen. Sollte Queenstown sein ambitioniertes Ziel tatsächlich erreichen, wäre das ein wichtiges Symbol im Kampf gegen den Klimawandel. Das „United Nations Climate Change Council“ hat nämlich eine emissionsfreie Welt als Vision erst für das Jahr 2050 vorgegeben. Eine kleine Stadt könnte schon bald zeigen, wie es noch schneller gehen kann.