10. Juli 2019, 13:15 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Lange stand die Westküste Floridas im Schatten der Städte Miami und Orlando. Jetzt versucht die Gegend rund um Tampa, Saint Petersburg und Clearwater Touristen anzulocken. Was sie zu bieten hat? Kilometerlange Strände, geschützte Natur, eine junge Gastroszene, Kleinstadt-Idylle und kubanische Einflüsse. Eine Entdeckungsreise zu den versteckten Zielen im Sunshine State.
Wer Tampa verstehen will, muss bei Kuba anfangen. Tampa, das war der wichtigste Hafen für den Handel mit dem 540 Kilometer entfernten Havanna. Amerikanische Schiffe brachten lebendes Vieh, Mais, Reis und Fabrikwaren nach Kuba, und nahmen auf dem Rückweg vor allem Tabak mit. Im Zuge der kubanischen Revolution und des Embargos verlor Tampa in den 1960er-Jahren mit einem Schlag seine Funktion.
Heute ist es genau das, der Einfluss Kubas, weswegen Menschen nach Tampa kommen. In die Stadt, die lange als das Zentrum der Zigarrenproduktion in den USA galt.
Ybor City, das kubanische Viertel
Little Havanna, so nennt man Ybor City auch, das Zigarrenviertel von Tampa, das nach dem Geschäftsmann Vincente Martinez Ybor benannt wurde. Es sind die großen braunen Backsteinhäuser entlang der 7th Avenue, die an damals erinnern. Hier rollten kubanische, italienische und spanische Einwanderer in insgesamt 120 Fabriken Tag für Tag Zigarren. Allein im Jahr 1901 fertigten sie 400 Millionen Stück.
Was außer zwei Fabriken geblieben ist, ist das Flair. Der Geruch von Tabakblättern liegt noch heute in der Luft, die kleinen, weiß gestrichenen Arbeiterhäuschen von früher sind nicht weit. Und schließt man für einen Moment die Augen, kann man sich vorstellen, wie die Mini-Version von Havanna in seinen glorreichen Jahren einmal ausgesehen haben muss. Das Ende kam mit der Großen Depression, und schließlich dem Konflikt zwischen Kuba und den USA.
Heute gesellen sich zu den historischen Metallschildern und den Palmen, die die lange Hauptstraße säumen, bunte Graffitis und blinkende Leuchtreklamen, die auf Tattoo-Studios, Secondhandläden, Lebensmittelgeschäfte und Restaurants hinweisen. Abends poltern junge Menschen mit großen Oldtimern durch die Straße. Das Viertel verwandelt sich in der Nacht zu einem Treffpunkt der Subkulturen, aus den Lokalen und Bars dringen hämmernde Beats und Tangomusik. Durch die beschlagenen Scheiben sieht man die Umrisse der Menschen, die hier Craft-Bier und Apfelwein trinken. Draußen werben Ladenbesitzer um Kundschaft. Sie sitzen auf Stühlen, im Mundwinkel eine Zigarre. So klingt ihr Amerikanisch beim Sprechen noch ein bisschen mehr nach Kauderwelsch als ohnehin schon.
Der windigste Platz der Stadt
Beschlagene Scheiben, die gibt es nicht nur in Ybor City. Im Sommer und frühen Herbst ist es in Tampa tropisch-heiß. Die Sonne brennt, der Schweiß klebt auf der Haut. Hinzu kommen kurze aber heftige Schauer, wie man sie aus Asien kennt. Doch keiner lässt sich davon die Laune verderben. Ganz im Gegenteil, in Florida nennt man Regen schlichtweg „liquid sunshine“, flüssigen Sonnenschein. Die Stadt ist zwar vom Wasser umgeben, doch öffentliche Badeplätze sucht man vergeblich. Die Lösung ist also die Flucht in klimatisierte Galerien, Restaurants oder Cafés. Oder aber auf die Terrasse vor dem Tampa Museum of Art – der angeblich windigste Platz der Stadt.
Ob der Superlativ mit dem Wind stimmt, sei dahin gestellt, doch für den Blick auf die historische University of Tampa lohnt sich die Verschnaufpause allemal. Das Gebäude von 1888, in dem heute von Kunst bis Chinesisch so ziemlich alles gelehrt wird, war einmal ein 500-Zimmer-Hotel. Dank Zuckerhauben-Türmchen, Schnörkel-Geländer und uralter Virginia-Eichen im Vorgarten wird man das Gefühl nicht los, in einer Zauberschule gelandet zu sein.
Wenige Minuten fußläufig von hier entfernt liegt die Oxford Exchange, ganz früher Teil des Tampa Bay Hotels, dann Sitz einer Versicherung und einer Zahnarztpraxis, und heute Restaurant und Concept Store in einem – und der Ort schlechthin für Instagram-Liebhaber. Hippe Einrichtungsgegenstände, ein Buchladen nicht nur für graue Regentage und ein Restaurant samt Wintergarten, in dem stapelweise Pancakes, Eier Benedict und weitere klebrige und mächtige, aber schlichtweg perfekte Frühstücks- und Brunch-Gerichte serviert werden. Alles so drapiert, dass man es nur noch mit einem Filter versehen muss, und anschließend in die sozialen Netzwerke laden kann.
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Bootsfahrt durch Tampa
Zurück zum Wasser und zum Hillsborough River, dem Fluss, der durch die Stadt fließt und sich bei bestimmter Lichteinstrahlung so schwarz färbt, dass man glauben könnte, es hätte kurz zuvor eine Ölkatastrophe gegeben. Die Farbgebung kommt glücklicherweise nur von Pflanzen aus den Sümpfen, durch die der Fluss auf seinem Weg fließt. Dinge wie diese weiß Captain Larry. Der 61-Jährige zeigt Touristen mit seinem Boot „Never never Land“ die Stadt auf dem Wasserweg. „Tampa ist die einzige Stadt in Nordamerika, in der ich leben würde“, sagt Larry. Und wer glaubt, es läge daran, dass hier eh der typische – wenn man es so stereotypisiert ausdrücken möchte – Florida-Rentner wohne, hat sich geirrt. „Es ist eine überraschende Stadt, eine sehr höfliche Stadt, in der dir die Menschen ‚Guten Morgen‘ sagen“, erklärt Larry. „Niemand ist wegen deiner Herkunft beunruhigt. Ganz im Gegenteil: Sie wollen etwas von deiner Kultur wissen.“
Und auch wenn Larry erst seit 13 Jahren in Tampa lebt, schwelgt er in den Erzählungen über frühere Zeiten. So, als hätte er sie alle selbst miterlebt. Heute leben in Tampa knapp 353.000 Einwohner, was sie zur drittgrößten Stadt Floridas hinter Jacksonville und Miami macht. „Und die Stadt wächst rasend schnell“, schiebt Larry stolz hinterher. „Sogar Firmen aus New York ziehen hierher.“
Kurz vor Ende der Bootsfahrt will Larry den genannten Satz erklären, vielleicht auch ein bisschen gerade rücken: „Was ich meine, ist, dass wir zwar keine klassische Touri-Stadt sind, aber eine, die auf dem Weg dorthin ist.“ Rein rechnerisch betrachtet, steigt die Zahl der europäischen Touristen, die die Stadt an der Westküste Floridas ansteuern. Waren es im Jahr 2006 noch 886.191 europäische Besucher, kam man 2014 schon auf 1.081.212 – das ist ein Anstieg von 18 Prozent in acht Jahren.
Und dann sagt Capt’n Larry noch: „Nur hat Tampa eben keine großen Attraktionen und auch keine Strände, weshalb die Leute nach Florida kommen. Aber was wir haben, ist Kultur und unsere Freundlichkeit.“
Tampa hat das Herz einer Kleinstadt. Menschen stoppen, erzählen von sich und ihren Ideen. So gibt es hier eine Mikrobrauerei, dessen Besitzer sagt: „My job is to make you happy.“ Oder das dazugehörige Restaurant Ulele, benannt nach einer Prinzessin aus einer Legende, in dem heute unter anderem gegrillte Austern auf den Teller kommen – im offenen Feuer gegrillt, mit Knoblauchbutter übergossen und mit Parmesan bestreut.
Streetfood in St. Petersburg
Eine gute halbe Autostunde von Tampa entfernt liegt St. Petersburg, eine Stadt, über deren Namen per Münzwurf entschieden wurde. Wäre sie auf der anderen Seite gelandet, hieße sie heute Detroit Florida. Russische Touristen sucht man in St. Pete, wie es die Einheimischen nennen, vergeblich. Was man hier findet, sind wieder viele Orte zum Essen – klar, wir sind in Amerika. Zum Beispiel das Sea Salt, in einem zwar neuen, aber eher verlassenen Einkaufscenter, das einen klassischen Ceasar Salad in Sushi-Form bringt und aus Tomaten Kaviar-Kügelchen formt. Oder der Locale Market, eine Markthalle, in der es Streetfood gibt – vom Zitronentörtchen bis zum Trockenfleisch Beef Jerky.
Und noch etwas Besonderes hat St. Pete: Hier steigt die Sonne vermeintlich aus dem Wasser auf, in der Tampa Bay, und geht auch im Wasser unter, im Golf von Mexiko.
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Wo man „Geld“ am Strand findet
Einsame, wunderschöne Strände findet man, wenn man noch ein Stück weiter fährt. Vorbei an Clearwater, bis man ganz im Westen Floridas landet, auf einer lang gezogenen Insel, fast einer Sandbank, und dann weiter Richtung Norden. Hier haben die Straßen so schön klingende Namen wie „Sunset Drive“ oder „Princess Street“. Angekommen auf der Honeymoon Island bringt eine Fähre Besucher innerhalb von fünfzehn Minuten nach Caladesi Island, einem State Park, wo man kaum Menschen, dafür Tiere und Pflanzen trifft. Wer Glück hat, wird schon auf dem Weg dorthin von springenden Delfinen begleitet.
Am Strand und im Meer, dem Golf von Mexiko, sieht man große, stolze, braune Pelikane und kleine Kugelfische, Rochen und die verschiedensten Vogelarten. Und auch das schönste Mitbringsel findet man hier: das Skelett eines Sanddollars. Genau wie mit den Delfinen braucht man auch bei der Suche nach den weißen flachen Seeigel-Scheiben Glück und Geduld. Zutaten, die jene Orte mit sich bringen, die (noch) im Schatten der anderen stehen.
Reisezeit: Die beste Reisezeit ist der Frühling und der Herbst, wobei es während der Hurrikan-Saison von Juni bis November zu starken Stürmen kommen kann. Im Sommer wird es in Tampa unerträglich heiß, bis zu durchschnittlich fast 33 Grad mit einer Luftfeuchtigkeit von 70 bis 80 Prozent.
Wie hinkommen? Lufthansa und United Airlines fliegen mehrmals wöchentlich von Frankfurt nach Tampa. Hin- und Rückflug ab 629 Euro.
Die Reise wurde unterstützt von Lufthansa und Visit Tampa Bay und St. Petersburg/Clearwater. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit